Dienstag in der Karwoche. Eine Betrachtung zum Leiden Christi

Quelle: Distrikt Deutschland

Ringsum die Feinde

1. Wir sehen den Herrn von Seinen Feinden umringt. Wie ein Lamm wird Er zur Schlachtbank geführt. Seine Apostel sind geflohen. Petrus, das Haupt der Apostel, verleugnet Ihn. Der Herr richtet Seinen Blick auf den Vater. Er wird Ihn durch die Nacht des Leidens und Todes zum Licht der Auferstehung führen. „Wir aber rühmen uns im Kreuze unseres Herrn Jesus Christus" (Introitus). Wir sind glücklich, Sein Kreuz mittragen zu dürfen, Seinen Kelch mittrinken zu können. So fühlt die heilige Kirche.

2. Ringsum die Feinde. „Herr, Du hast Mir's kundgetan, und Ich erkannte es. Du zeigtest Mir ihre Pläne." Schon vom ersten Augenblick an, da der Herr den Fuß in diese Welt setzte, ist es Ihm vollkommen klar, daß Er gekommen ist, um zu leiden und zu sterben. Ununterbrochen hat Er Seine Passion in all ihren Einzelheiten klar vor Augen. „Aber Ich war sanft wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Ich wußte nicht (d. i. Ich wehrte mich nicht dagegen), daß sie Anschläge wider Mich sannen und sprachen: Lasset uns sein Brot vergiften und ihn aus dem Lande der Lebendigen austilgen, damit seines Namens fürder nicht mehr gedacht werde" (Epistel). Wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird: Kein Wort der Erregung, der Selbstverteidigung, des Murrens, der Klage.

So läßt Er sich von Seinen Feinden gefangennehmen, von den Hohenpriestern und Pilatus zum Tode verurteilen, geißeln, mit Dornen krönen, ans Kreuz schlagen, lästern und verhöhnen. Er schweigt. Er betet. „Dir habe Ich Meine Sache anvertraut, Herr, Mein Gott" (Epistel). Je mehr Er schweigt, betet und in Geduld Seine Sache dem Vater anvertraut, um so sicherer wird Gott die Pläne und Absichten Seiner Feinde vereiteln. Sie werden Ihn töten, aber im Tode wird Er siegen. Über der Ungerechtigkeit der Feinde steht Gott, der Herr der Heerscharen: „Du richtest gerecht und erforschest Herz und Nieren. Dir habe Ich Meine Sache anvertraut, Herr, Mein Gott." Das Kreuz wird der \Veg zum Heil, zur Auferstehung, zur Verklärung.

Selbst Petrus verleugnet den Herrn. Er ist im Vorhof des Hohenpriesters. Eine Magd des Hauses sieht ihn, schaut ihn an und sagt: „Auch du warst bei Jesus dem Nazarener." Petrus leugnet es: „Ich verstehe nicht, was du sagst." Petrus geht in die Vorhalle hinaus. Der Hahn kräht. Die Magd sieht ihn wieder und sagt zu den Umstehenden: „Dieser ist einer von ihnen." Er leugnet es wieder. Da sagen einige, die herum sind, zu Petrus. "Du bist einer von ihnen, denn du bist ein Galiläer." Er beginnt zu fluchen und zu schwören: „Ich kenne den Menschen nicht, von dem ihr redet." Jetzt kräht der Hahn das zweite Mal. Da erinnert sich Petrus an das Wort, das Jesus ihm gesagt hatte: „Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du Mich dreimal verleugnen." Nun bricht er in Tränen aus. Nie mehr hat Petrus vergessen, daß er den Herrn verleugnet hat. Er hört nicht auf, seine Missetat zu bereuen, zu sühnen und vor aller Welt offen zu bekennen. Was Markus in seinem Evangelium berichtet, ist nichts anderes als die Predigt, wie Petrus sie in den verschiedenen Gemeinden gehalten hat. Mit ergreifender Offenheit und Demut verkündigt er allen Gläubigen und allen Zeiten, was er gefehlt und wie ihm der Herr verziehen hat.

3. Je mehr die Feinde Ihn umringen, um so mehr wendet Er sich an den Vater. „Ich aber sprach, das Haupt tiefgebeugt zur Brust gekehrt, Meine Gebete. Richte, o Herr, die Mir schaden. Steh auf, Mir zu helfen" (Graduale). „Herr, schütze mich vor der Hand des Sünders, entreiße Dlich den Missetätern" (Offertorium). „Die an dem Tore (auf dem öffentlichen Platze) sitzen, reden wider Mich. Man stimmt Spottreden auf Mich an. Ich aber richte Mein Gebet an Dich, o Herr" (Communio). In die tiefste Nacht der Leiden gehüllt, von den Feinden umringt, denkt der Herr nicht an Seine Leiden und nicht an Seine Feinde: Er wendet sich an den Vater. Er betet. Der Vater wird „Ihn vor der Hand der Sünder schützen und Ihn den Missetätern entreißen" (Offertorium), d. i. Ihn am dritten Tage von den Toten auferwecken und Ihn zum König und Herrn des Alls erheben!

„Wir aber müssen uns des Kreuzes unseres Herrn rühmen." Wir stehen zum Gekreuzigten. Wir erachten es als unser wahres Glück und Gut, am Kreuze des Herrn teilzunehmen, den Kelch des Herrn mitzutrinken. „Oder wißt ihr nicht, daß wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, auf Seinen Tod hin getauft sind", d. i. in Seinen Tod hinein getaucht, mitgekreuzigt sind? (Röm. 6, 3). Sind wir wahre Christen, dann freuen wir uns, daß wir die Schmach des Kreuzes Christi teilen, ein Leben des Opfers, der Selbstverleugnung und Entsagung, der Leiden und der Verdemütigung führen dürfen. Wir erachten die Teilnahme am Kreuze Jesu als eine Gnade. Leider denken wir noch allzu sehr bloß nach Menschenart natürlich, selbst angesichts der Passion des Herrn.

Gebet.

Allmächtiger, ewiger Gott, laß uns die Gedächtnisfeier des Leidens des Herrn also begehen, daß wir in Gnaden Verzeihung erhalten.

Gott, Deine Barmherzigkeit reinige uns von allen verborgenen Resten des alten Menschen und mache uns für eine heilige Neuschaffung empfänglich. Durch Christus unsern Herrn. Amen.