Der Marienmonat Mai - Einladung zur eifrigen Teilnahme an den Maiandachten
Der Monat Mai ist im Bewusstsein und in der Frömmigkeit des christlichen Volkes in besonderer Weise der Verehrung der Gottesmutter gewidmet.
Misstrauen Sie allen Versuchen, jedes christliche Fest oder Brauchtum aus der „Taufe“ eines heidnischen – eines antiken oder „germanischen“ – Festes abzuleiten. So mancher Journalist kopiert und perpetuiert unbewusst damit ein konfessionelles – sprich: protestantisches – Vorurteil oder sogar Ableitungen aus der „Volkskunde“ des III. Reiches. Nein, wir Katholiken feiern im Mai keine „ludi florales“ der alten Römer oder eine germanische Fruchtbarkeitsgöttin. Wir feiern auch an Weihnachten nicht versteckt die „unbesiegte Sonne“ des Mithras-Kultes oder begehen Ostern eine geheime Verehrung einer germanischen Gottheit mit Namen „Ostara“.
Warum der Mai als Marienmonat? Die Prediger ziehen für die Maiverehrung gerne die Analogie zum Frühling heran, um diesen kirchlichen Brauch zu erklären. Das Blühen und Sprießen der Natur hat ja auch viele Kirchenlieder inspiriert. Man darf hier stellvertretend für andere den heiligen Kardinal John Henry Newman zitieren: „Im Mai schmückt sich die Erde mit frischem Grün und Laubwerk; vorbei ist der kalte Winter mit seinem Eis und Schnee, vorüber sind die rauhen Tage des Vorfrühlings mit ihren scharfen Winden und Regengüssen. Die Bäume blühen und in den Gärten stehen die Blumen. Die Tage sind lang geworden, die Sonne geht früh auf und scheidet spät. Diese Freude und Frohheit der äußeren Natur ist der rechte Rahmen für unsere Andacht zur Mystischen Rose und zum Goldenen Haus. Vielleicht wendet jemand ein: ‚Das mag ja sein, aber in unserem Klima ist der Mai oft rau und kalt.‘ Man kann das nicht leugnen. Aber so viel ist doch wahr: Der Mai ist auf jeden Fall der Monat der Verheißung und der Hoffnung. Trotz all seiner Unbilden wissen wir, früher oder später müssen die schönen Tage kommen. Der Mai ist also vielleicht nicht der Monat der Erfüllung, aber doch der Verheißung; und ist das nicht gerade der Gesichtspunkt, unter dem wir die seligste Jungfrau Maria, der dieser Monat geweiht ist, am besten betrachten?“
Guido Görres‘ 1842 entstandenes Lied „Maria, Maienkönigin“ nimmt darauf Bezug: „… Dir befehlen wir, was grünt und blüht auf Erden. O lass es eine Himmelszier in Gottes Garten werden.“
Ich glaube, diese Naturanalogie ist ausreichend zur Erklärung. Es gibt schon sehr frühe Verbindungen des Frühlingsmonats mit besonderen Akten der marianischen Frömmigkeit. Denken wir an das Wort „Rosenkranz“ oder die verschiedenen Blumen, die der Marienverehrung zugeordnet werden – Lilie, Rose usw., das geht ja in die gleiche Richtung. Das „Marienlexikon“ des Institutum Marianum in Regensburg hat hier akribisch die floralen Verbindungen aufgelistet.
Aber hier muss man den katholischen Klarblick behalten. Wir verehren die Gottesmutter nicht aus botanischen Gründen, sondern weil es uns ein Herzensanliegen ist, diese lebendige Wirklichkeit – die mütterliche Präsenz Mariens im Leben eines jeden Katholiken – zu verehren. Die Maiandacht ist ihrem Wesen nach die Frucht der seelsorglichen Erfahrung der Kirche, die wirklich wichtigen Wahrheiten immer und immer zu wiederholen und durch die Betrachtung in den Herzen zu verankern. Die Maiandachten sind eine Art „dreißigtägiger marianischer Exerzitien“ für das Volk.
Tatsächlich ist die Maiandacht – wie so viele Andachten – eine Frucht der Frömmigkeit des römischen Volkes. Sie ist eigentlich recht jung. Im 18. Jahrhundert veröffentlichten einige Jesuiten kleine Schriften, die jeden Monat Tugenden der Gottesmutter zur Betrachtung vorlegten und – nach der Methode der Jesuiten, dass man Beten durch Beten lernt, einige praktische Winke gab, wie man die Gottesmutter verehren sollte. Dies wurde vorher schon in den sogenannten „Marianischen Kongregationen“ praktiziert, die ja ihren Ursprung in den Schulen der Gesellschaft Jesu hatten.
In der Zeit der Bedrängung des Apostolischen Stuhls in den durch die Französische Revolution hervorgerufenen Kriegen versammelten sich in Rom zu den Beginn des 19. Jahrhunderts Gläubige vor einem mit dem Bild der Gottesmutter geschmückten Altar in der Jesuitenkirche Il Gesú – die Jesuiten waren damals verboten, aber ihre ehemalige Hauptkirche doch ein Rückszugsort der „Frommen“ in der Stadt Rom – , um die „Helferin der Christen“ zu bitten, dass sie den „unglücklichen Franzosen die Augen öffne“. Gebetet wurden nach dem Hören einer Predigt und frommen Liedern der Rosenkranz und die Lauretanische Litanei. Diese aus dem Marienheiligtum Loreto stammende Litanei war die einzige, die neben der Allerheiligenlitanei für den liturgischen Gebrauch zugelassen war. Loreto war nach Rom der zweitwichtigste Wallfahrtsort Italiens. Die Verehrung des „Heiligen Hauses“ war ein Bollwerk der katholischen Erneuerung. Die Marienverehrung imprägnierte gegen den Protestantismus – so wie er heute gegen den Modernismus abschirmt. Eine gesunde Marienverehrung im Sinne des heiligen Ludwig Maria Grignion – kein charismatischer Apparitionismus – ist das beste Gegengift gegen die progressistischen Irrtümer.
Leider ist die Loreto-Verehrung im Zuge der großen marianischen Wallfahrtsorte der Neuzeit wie Lourdes und Fatima stark zurückgegangen. Es wäre ein Gewinn, wenn die Lauretanische Litanei als kostbares Erbgut marianischer Frömmigkeit ein starkes Gewicht behält. Da kann ihr zentraler Ort in der Maiandacht helfen.
Pius VII. führte als Dank für seine Befreiung 1813 das Fest „Hilfe der Christen“ ein, volkstümlich auch Schutzmantelfest genannt. Da gibt es einen Zusammenhang.
Auf jeden Fall war die tägliche Maiandacht in den Kirchen in dieser Bedrängungszeit und das private Schmücken der Marienbilder der Auslöser der Maiandachten, die dann durch die wiederentstandene Gesellschaft Jesu und die von ihr betreuten Frauenorden stark verbreitet wurde. So finden wir Maiandachten 1840 schon in der ganzen katholischen Welt.
Pius XII. konnte in seiner Enzyklika Mediator Dei Frömmigkeitsübungen loben, die, „obwohl sie nicht streng zur heiligen Liturgie gehören, gleichwohl von besonderer Bedeutung und Würde sind, so dass sie gewissermaßen als der liturgischen Ordnung zugehörig gelten und von diesem Heiligen Stuhl und von den Bischöfen immer wieder bestätigt und belobigt wurden. Dazu gehören die Maiandachten zu Ehren der jungfräulichen Gottesmutter …“
Die Maiandacht hat eine doppelte Gestalt: die äußere im Gotteshaus, inmitten der katholischen Gemeinde, und die innere, im Schoß der Familie oder als rein private Devotion. Die Bilder unserer Lieben Frau zu schmücken sollte im Mai in jedem katholischen Haus gepflegt werden. „Alle Tage sing und sage Lob der Himmelskönigin“, wie es im Kirchenlied heißt. Errichten Sie ein Hausaltärchen mit einem Marienbild und frischen Blumen und – vor allem – schmücken sie ihr Heim mit täglichen Gebeten und Tugenden. Die Maiandacht ist nicht nur eine Frömmigkeitsform für Kinder. Wir alle haben eine Mutter im Himmel, der wir einen geistlichen Blumenstrauß bringen sollten.
Die Maidandacht in der Kirche sollte von uns fest in den Kalender eingetragen werden. Es war eine Unsitte früherer Zeiten, nur die Kinder dorthin zu schicken und die Eltern blieben zu Hause. Die Glaubensweitergabe – und dazu gehört eine gesunde Marienverehrung – gelingt nur, wenn wir nicht ein pseudokatholisches „Doppelleben“ führen. Lebendiges kommt nur von Lebendigem. Also Familienväter und Familienmütter, also Großmütter und Großväter: Auch für Euch sind Plätze zur Maiandacht reserviert. Ein Marienkind kann nicht verloren gehen!