Pfingsten – Muttertag der Kirche
Es gibt in der Kunst eine schöne Darstellung der allerheiligsten Dreifaltigkeit, die bildlich vor unseren Augen erscheinen läßt, was die Gnade des Pfingstfestes ausmacht; der sogenannte Gnadenstuhl. Sie zeigt den himmlischen Vater auf dem Thron: Mit beiden Händen hält Er das Kreuz, an dem der Sohn sich für uns hingibt und zwischen Vater und Sohn ist in Gestalt einer Taube der Heilige Geist zu sehen.
Der erste Satz des Evangeliums vom Pfingstmontag faßt die Wahrheit, um die es hier geht, zusammen mit den Worten: "So sehr hat Gott, die Welt geliebt, daß Er Seinen eingeborenen Sohn dahingab, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern das ewige Leben habe."
Pfingsten ist das Fest der Lebensmitteilung vom Vater und vom Sohn durch den Heiligen Geist in der Kraft des Kreuzes. Es ist Leben vom neuen Lebensbaum, als Frucht des Kreuzesholzes, das der Sohn uns verdient hat, das uns aber zufließt durch die dritte göttliche Person, den Heiligen Geist. So ist der Heilige Geist der Vollender. Er führt zur Reife, was Christus durch Seinen Tod und Seine Auferstehung begonnen hat. Die Prophezeihung Christi: "Wenn ich am Kreuz erhöht bin, werde ich alles an mich ziehen" ist am Pfingstfest wahr geworden: "An jenem Tage kamen gegen 3000 Seelen hinzu, die sich taufen ließen." Das war der Anfang der Bewegung aller Völker zu Christus hin, die wie im Keim schon beim ersten Pfingsten in den Pilgern aus aller Welt vertreten waren.
Was hatte sie angerührt? Die erste Predigt, die Petrus erfüllt vom Heiligen Geist hielt, die Predigt vom gekreuzigten und auferstandenen Heiland. So bilden Karfreitag, Ostersonntag und Pfingsten eine Einheit: Am Karfreitag wurde der neue Lebensbaum aufgerichtet, am Ostersonntag beginnt er in Form der Auferstehung aufzusprießen und zu blühen, an Pfingsten aber ist die Zeit der Ernte gekommen, der vollen Frucht: gegen 3000 Seelen kamen hinzu, die durch die Taufe wiedergeboren wurden zu einem neuen Leben. So ist die Kirche seit Pfingsten Mutter. Seit Pfingsten ist sie in der Kraft des Heiligen Geistes fähig, die Menschen zum ewigen Leben zu gebären. Wir können auch sagen: Heute ist der Muttertag der Kirche.
Diese Wahrheit, daß der Heilige Geist durch die Mutter Kirche das Leben schenkt, wird in wunderbarer Weise in der Liturgie der Taufwasserweihe zum Ausdruck gebracht, die früher feierlich nicht nur in der Osternacht, sondern bezeichnenderweise auch am Pfingstsamstag vorgenommen wurde, den beiden traditionellen Taufterminen.
Es lohnt sich, näher auf diese Taufwasserweihe einzugehen, weil hier das Wirken des Heiligen Geistes ganz deutlich zum Ausdruck kommt, als ein Wirken in der Kraft des Kreuzes, aber auch als ein Wirken, das die Kirche zur Mutterschaft bestimmt.
Die Weihepräfation ist recht lang. Gegen Ende unterbricht der Priester den Gesang und teilt mit seiner Hand das Wasser nach den vier Himmelsrichtungen in Form des Kreuzes. Dies, um anzudeuten, daß vom Kreuz Christi die Gnadenflut des kostbaren Blutes in alle Himmelsrichtungen fließt, um alle Völker zu erreichen. Daran schließt der Priester eine erste Bitte um den Heiligen Geist an: "Dieses Wasser hier werde befruchtet vom Heiligen Geist durch die geheimnisvolle Mitteilung Seines Odems. Es empfange die Kraft, heilig zu machen, und aus dem makellosen Mutterschoß des göttlichen Taufbrunnens steige empor ein himmlisches Volk, das zu einer neuen Schöpfung geboren ist."
Die Kirche kann dementsprechend, wie Maria, als Braut des Heiligen Geistes betrachtet werden, der ihr das Leben mitteilt, so daß sie ähnlich wie Maria Christus gebären kann, in dem Sinn, daß sie die Seelen Seinem mystischen Leib eingliedert. Diese Wiedergeburt vollzieht sich “aus dem Mutterschoß des Taufbrunnens.”
Nach dieser Bittet fährt der Priester mit der Weihepräfation fort, um dann gegen Ende ein weiteres Mal inne zu halten. Dieses Mal haucht er dreimal in Kreuzesform über das Wasser, um anzuzeigen, daß der Heilige Geist dem Wasser mitgeteilt werden soll. Der Name des Heiligen Geistes lautet im Lateinischen "Spiritus", was übersetzt bedeutet: "Hauch", "Geist" oder auch "Odem". Durch diesen Ritus des Hauchens erscheint der Heilige Geist als Spender des Odem des Lebens, wenn das Taufwasser über das Haupt des Täuflings fließt.
Dann nimmt der Priester in der Fortsetzung des Ritus die brennende Osterkerze, die ja Sinnbild ist des gekreuzigten und auferstandenen Heilandes, und senkt sie dreimal, jedes Mal ein wenig tiefer, in das Wasser hinab. Und jedesmal singt er feierlich und jeweils einen Ton höher: "Es steige hinab in diesen vollen Born die Kraft des Heiligen Geistes."
Damit wird bildlich die Taufe Christi dargestellt und die Wirkung, die sie auf das Wasser hatte: Jesus ging hinab zu Johannes den Täufer an den Jordan, nicht um ein Zeichen der Buße zu tun, nicht um selbst Sehnsucht nach Heiligung zum Ausdruck zu bringen, wie alle anderen, die gekommen waren, sondern um dem Wasser durch Mitteilung Seines Heiligen Geistes die Kraft zu schenken, in der Taufe zu heiligen und ewiges Leben zu schenken. Das Evangelium berichtet: Als Jesus mit Johannes dem Täufer in die Flut hinabgestiegen war, öffnete sich der Himmel und der Geist kam in Gestalt einer Taube auf Jesus herab und blieb über Ihm. Und eine Stimme erscholl vom Himmel: "Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." So soll in diesem Ritus der Osterkerze, die in das Wasser gesenkt wird, das Herabsteigen des Heiligen Geistes Christi in das Wasser zum Ausdruck gebracht werden, damit es ewiges Leben schenken kann.
Nach Beendigung der Weihe und der Vornahme der Taufe an den Katechumenen, wird das Taufwasser in feierlicher Prozession zum Taufbrunnen getragen und dort eingeschlossen.
Fassen wir zusammen: Der Heilige Geist ist Lebensmitteilung vom Vater und vom Sohn, zuerst an die Kirche, die durch Ihn die Berufung zur Mutterschaft erfährt, dann aber auch an jeden einzelnen Menschen: Durch die Taufe empfangen wir zum ersten Mal den Heiligen Geist, vermittelt durch die Kirche, die seitdem unsere Mutter ist. Und weil sie unsere Mutter ist, haben wir seitdem auch Gott zum Vater, wie der hl. Kirchenvater Vinzenz von Lerin lehrt.
So haben haben wir durch das Zusammenwirken des Heiligen Geistes mit der Kirche die Berufung zur Gotteskindschaft empfangen und zwar in der Art, daß wir nicht nur Kinder Gottes heißen, sondern wie die Hl. Schrift sagt es tatsächlich auch sind. Wir sind "aus Gott geboren" lesen wir beim hl.Johannes. Und noch deutlicher unterrichtet uns der Heiland wortwörtlich, daß wer die Taufe empfängt wiedergeboren wird “aus dem Heiligen Geist." Unser Leib ist seitdem "ein Tempel des Heiligen Geistes", so Paulus.
Danken wir heute unserer Mutter Kirche für dieses Geschenk, indem wir ihrem Wunsch für uns nachkommen: daß wir uns ganz für das Wirken des Heiligen Geistes öffnen, der ja auch in unserem Leben der Vollender sein möchte. Die Fülle des Lebens will Er uns schenken. Bitten wir Ihn, daß wir durch Ihn immer mehr in unserem Leben verwirklichen können, wozu wir aus uns selbst niemals im Stande wären: Gott zu lieben, mit der Liebe, mit der der Sohn den Vater liebt und der Vater den Sohn.
Von Pater Andreas Mählmann