Dantes Göttliche Komödie

Quelle: Distrikt Deutschland

Von Pater Matthias Gaudron

1. Einführung

„Die göttliche Komödie“ von Dante Alighieri gehört nicht nur zur Weltliteratur, sondern ist auch ein durch und durch katholisches Werk. Sie ist eine gewaltige Dichtung, in der Dante durch die drei Reiche des Jenseits wandert: die Hölle, das Fegefeuer (den Läuterungsberg) und den Himmel. Jeder der drei Teile besteht aus 33 Gesängen, nur der Hölle ist ein einleitender Gesang vorangestellt, so dass es insgesamt genau 100 Gesänge sind. Da die Verse zu Dreizeilern (Terzinen) zusammengefasst sind, bei denen sich immer der 1. und 3. Vers reimen, während der 2. Vers sich mit dem 1. Vers der folgenden Terzine reimt, prägt die Zahl Drei das Werk, was sicherlich eine Anspielung auf die göttliche Dreifaltigkeit ist.

Wer war Dante?

Dante Alighieri wurde im Mai 1265 in Florenz geboren. Seine Familie gehörte zum Adel, lebte aber in bescheidenen Verhältnissen. Dante betätigte sich neben seiner Dichtung und Schriftstellerei auch politisch und hatte in Florenz verschiedene öffentliche Ämter inne.

Italien war in dieser Zeit durch Adelsfehden zerrissen, die zwischen Guelfen und Ghibellinen tobten. Die letzteren waren eher kaisertreu, die Guelfen mehr freiheitlich gesinnt, wobei sie sich oft auf den Papst stützten. Es ging dabei aber auch um ganz private Familienfehden. Dante war unglücklich über diese Zerrissenheit und auch darüber, dass die beiden obersten Mächte – Papst und Kaiser – ihre Aufgaben oft nicht so erfüllten, wie sie sollten. In seine Lebenszeit fallen die Pontifikate von Cölestin V. (1294) und Bonifatius VIII. (1294-1303) sowie der Beginn der sog. Babylonischen Gefangenschaft der Kirche (1308-1378), in der die Päpste im französischen Avignon residierten.

Dante wurde aufgrund von widrigen politischen Ereignissen 1302 für zwei Jahre aus seiner Vaterstadt Florenz verbannt, von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen und zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt. Da er das Urteil, das er als ungerecht empfand, nicht anerkannte, wurde es noch in ewige Verbannung, Konfiszierung seines Besitzes und Todesurteil, falls er in seine Heimat zurückkehrte, verschärft. Dante lebte fortan als Verbannter, ein Schicksal, das er als sehr bitter empfand. Er hätte zwar unter demütigenden Bedingungen später von einer Amnestie Gebrauch machen und zurückkehren könnte, lehnte das aber ab.

Längere Zeit fand er in Verona Aufnahme, wo die Familie der Scaliger herrschte. Dem Fürsten Cangrande della Scala widmete Dante dann auch den dritten Teil der Komödie, das Paradiso. Seinen Tod fand Dante 1321 in Ravenna, wo heute noch sein Grab ist. Florenz hat zwar immer wieder versucht, die Überreste seines berühmten Bürgers zurückzuholen, und 1829 wurde ihm in der Kirche Santa Croce sogar ein pompöses Ehrengrabmal errichtet, das aber bis heute leer blieb, weil Ravenna sich immer weigerte, die Gebeine Dantes herauszugeben.

Dantes 700. Todestag war 2021 für die italienische Regierung der Anlass, am 25. März einen Dante-Tag auszurufen, und für Papst Franziskus, das Apostolische Schreiben Candor lucis aeternae zu veröffentlichen. Aber auch schon 1921 hatte Benedikt XV. eine kurze Enzyklika In praeclara summorum zum 600. Todestag herausgegeben, und mehrere andere Päpste haben Dantes Hauptwerk ihre Achtung und Verehrung erzeigt.

Warum der Titel „Die göttliche Komödie“?

Dante nannte sein Werk einfach La Commedia – Die Komödie, nicht weil es lustig ist, sondern weil es – im Gegensatz zur Tragödie – einen guten Ausgang hat. Das entsprach dem damaligen Wortgebrauch. Dante erklärte zudem, das Wort komme von comos – Dorf und oda – Gesang, bedeute also einen dörflichen Gesang. Dante hat sein Werk nämlich nicht in der Sprache der Gelehrten und des Klerus, sondern in der Volkssprache, d. h. im florentinischen Italienisch geschrieben. Alle sollten dieses Werk verstehen können. Auch wenn die Ableitung Dantes wohl kaum richtig ist, ist die Commedia für Italien auch insofern bedeutungsvoll, als Dante dem sog. volgare ein neues Prestige gab und Maßstäbe für das künftige Italienisch setzte.

Den Zusatz Göttliche haben erst die Späteren dem Werk gegeben, und zwar „ganz mit Recht“, wie Benedikt XV. schreibt. Eine 1555 in Venedig gedruckte Ausgabe trägt wahrscheinlich erstmals den Zusatz „divina“.

Die Absicht des Werks

Dante hatte mit seiner Dichtung wirklich ein religiöses Anliegen: In den Wirren seiner Zeit, in der die Adeligen sich befehdeten, die Kirchenfürsten sich oft zu sehr in die weltliche Politik einmischten und auch der Kaiser nicht die Kraft fand, die Dinge in Italien zu ordnen, will er die Menschen dazu führen, ihr Leben sub specie aeternitatis – unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit zu betrachten. Er will den Menschen zeigen, worauf es ankommt: Man muss die Hölle meiden und wenigstens über den Läuterungsberg ins Paradies gelangen. Er, der ohne Macht und politischen Einfluss war, spricht über das Jenseits, damit die Menschen sich anstrengen, hier auf Erden eine gerechte Ordnung zu verwirklichen. Diese hat als Oberhäupter Papst und Kaiser, und zwar ein Papsttum, das sich vor allem um die geistlichen Belange kümmert, aber mit dem römisch-deutschen Kaisertum in Harmonie steht, das die christliche Welt beherrscht und für Friede und Gerechtigkeit sorgt.

Nach dem Zeugnis Benedikts XV. hat Dantes Werk sogar zu Bekehrungen geführt:

„Er hat es ja, wie allgemein bekannt, offen ausgesprochen, dass er seine Dichtung in der Absicht verfasst habe, um allen eine belebende Speise darzubieten. Daher haben, wie wir wissen, viele auch in der neuesten Zeit, die Christus fernstanden, ohne eine Abneigung gegen ihn zu hegen, während sie mit der Lesung Dantes und seinem Studium befasst waren, durch Gottes Gnade zuerst die Wahrheit des katholischen Glaubens erkannt und sich dann mit Freude in den Schoß der Kirche begeben“.

„Er verfolgte ja, als er seine Dichtung schuf, nichts anderes, als dass er die in diesem Leben Befindlichen vom Stand des Elends, d. h. der Sünde, zurückführte und sie dem Stand des Glückes entgegenführte, d. h. dem Stand der göttlichen Gnade‘ (Brief 10 § 15).“

Dante korrigierte mit diesem ernsten Werk auch die zu leichtfertige Haltung seiner Jugend, in der er zweifelhafte Liebesdichtungen verfertigt hatte. Der Weg durch die Hölle und über den Läuterungsberg dient auch seiner eigenen Läuterung.

Von der Kirche seiner Zeit zeichnet Dante ein düsteres Bild. Die Hirten interessierten sich mehr für das Geld und ihren politischen Einfluss als für ihre geistlichen Aufgaben, klagt er. Auch einige Päpste hat er sehr scharf getadelt und in die Hölle versetzt. Besonders Bonifatius VIII. wird immer wieder als machthungriger Despot gezeichnet. Jedoch ist das immer nur eine Kritik an einzelnen Männern der Kirche, nicht an der Kirche selbst oder dem Glauben als solchen. Es ist richtig, wenn Benedikt XV. schreibt:

Denn was immer er auch an der Hierarchie, sei es mit Recht, sei es verkehrterweise, in seinem Unwillen getadelt und gerügt hat, so wollte er doch niemals der gebührenden Ehre der Kirche Abtrag tun, nie der Ergebenheit gegen die höchste geistliche Gewalt.“

Auch Paul VI. hat recht, wenn er in seinem Apostolischen Schreiben Altissimi cantus sagt, dass Dantes „harsche Vorwürfe gegen kirchliche Institutionen und Personen … niemals seinen festen katholischen Glauben und seine kindliche Zuneigung zur heiligen Kirche erschütterten“.

Die Commedia ist aber auch eine Art Zusammenfassung der Bildung der damaligen Zeit. Wir begegnen hier Gestalten aus der griechisch-römischen Mythologie, vor allem in der Hölle, wo sie zum Teil zu Dämonen erklärt werden. Aber auch im Fegefeuer und im Himmel werden die Beispiele und Vergleiche oft aus diesem Kontext genommen. Weiter begegnet man vielen alten Philosophen und Dichtern sowie wichtigen Personen aus Kirche und Welt. Auch die wissenschaftlichen Vorstellungen seiner Zeit fließen in die Dichtung ein. Die Ausgaben der Göttlichen Komödie haben deswegen normalerweise wenigstens einen kurzen Anhang mit Erklärungen, da man sonst sehr viel nicht verstehen würde.

Man hat Dante wegen diesen dauernden Beziehungen auf die Antike bisweilen als einen Vorläufer der Renaissance bezeichnet. Ferdinand Barth schreibt dagegen zu Recht:

Die Antike ist in Dantes Werk in einer ganz anderen Art präsent als in der Geisteswelt der Renaissance. Sie ist nicht von dem Grundgefühl der ‚Wiedererweckung‘ eines versunkenen Erbes bestimmt, sondern von dem Bewusstsein der Kontinuität, der lebendigen Verbundenheit mit allem, was die Menschheit je an Erkenntnis und Weisheit hervorgebracht und festgehalten hat. Für die Renaissance war die Antike ein revolutionäres Prinzip: … Mittel, um das alte Weltbild zu stürzen. Dante hingegen sah in ihr etwas in ähnlicher Weise Gegebenes und Sinnvolles wie in der Natur …‘“[1]

Dantes Weltbild

Die Erde ist für Dante ganz selbstverständlich eine Kugel, worauf man diejenigen hinweisen sollte, die meinen, im Mittelalter habe man die Erde für eine Scheibe gehalten. Allerdings sind die Erdteile bei Dante nur auf der nördlichen Halbkugel, denn Luzifer traf bei seinem Sturz aus dem Himmel auf der Südhalbkugel auf, und die Erdteile, die sich vorher dort befunden hatten, flüchteten nach Norden.

Luzifer stürzte – oder grub sich? – dann bis zum Mittelpunkt der Erde. Das dabei verdrängte Erdreich türmte sich zum Läuterungsberg (Dantes Fegefeuer) auf, der demnach der einzige Ort ist, der auf der Südhalbkugel aus dem Meer herausragt. Er befindet sich genau gegenüber von Jerusalem, das als Mittelpunkt der bewohnten Erde gedacht wird, denn zu einem Wort des Ps 73, „Gott, unser König, … hat das Heil inmitten der Erde bewirkt“, bemerkt der hl. Hieronymus: „Das ist in Jerusalem, das ‚Nabel der Erde‘ genannt wird.“[2]

Die Hölle bestand schon von Anfang der Welt an und hat die Form eines Trichters, der aus neun immer enger werdenden Kreisen besteht. Dieser Trichter liegt unterhalb von Jerusalem und erstreckt sich bis zum Erdmittelpunkt, dem Sitz Luzifers, der sich damit am tiefsten Punkt der Hölle befindet.

Die Erde wird von neun Himmelssphären umgeben. Jenseits davon befindet sich das Empyreum, der Flammen- oder Lichthimmel, der der eigentliche Aufenthaltsort Gottes und der Seligen ist.

Anmerkungen

[1] Die göttliche Komödie. Erläuterungen, WBG 2004, S. 32. Das Zitat ist von Romano Guardini: Vision und Dichtung. Der Charakter von Dantes göttlicher Komödie, 1946, S. 11.

[2] In Ezech. 5,5; PL 25,54. Vgl. Thomas v. Aquin: S Th III, q.46 a.10.