Erzbischof Marcel Lefebvre: Die erste Grundlage des Apostolates
17. April 1960
Die erste Grundlage des Apostolates ist die Tatsache, dass das Wachstum des Mystischen Leibes Christi, ebenso wie seine zeitliche Geburt bei der Menschwerdung, ein Werk Gottes ist, ein wesentlich göttliches Werk also.
Unsere Geburt zum christlichen Leben durch die Eingießung des Lebens Christi in uns ist eine völlig unverdiente Tat vonseiten unseres Herrn. Unsere menschliche Tätigkeit, d.h. diejenige, die in das Gebiet unserer Natur fällt und ebenfalls ein Geschenk Gottes ist, kann in keiner Weise das Leben als Christ beanspruchen, weder für uns noch für andere.
Es ist eine Glaubenswahrheit, dass die Gnade nicht verdient werden kann durch Handlungen, die ihrerseits nicht selbst unter dem Einfluss der Gnade vollbracht werden, weil es keine Entsprechung gibt zwischen dem Leben der Natur, des einfachen Geschöpfes Gottes, und dem Leben der Kinder Gottes.
„Ohne mich könnt ihr nichts tun“ sagt unser Herr. Das ist auf zweifache Weise wahr. Wir könnten weder atmen noch leben ohne die Hilfe Gottes ... oder in der Ordnung der Gotteskindschaft und des christlichen Lebens ohne den Einfluss und die Hilfe Christi auskommen.
Die Heilige Schrift ist in diesem Punkt ganz bestimmt und die Lehre der Kirche ebenfalls. Unser Herr vergleicht sich mit dem Rebstock, dessen Zweige wir sind: Es ist offensichtlich, dass es sein Geist ist, der Heilige Geist, der die wahre Quelle der Rechtfertigung und der Heiligung bedeutet. Die Apostelgeschichte zeigt diese Wahrheit mit Deutlichkeit. Von Pfingsten angefangen bis zu den Missionsreisen des heiligen Paulus ist alles der Heilige Geist.
Der Heilige Geist ist der überragende und wesentliche Apostel. Diese große Wahrheit muss unserer Sendung eine besondere Eigenart verleihen; die Eigenschaften von Demut und Vertrauen, von Verfügbarkeit unserer Person und aller unserer Fähigkeiten, Friedfertigkeit und Gemütsruhe in allem Wechsel von Erfolg, Misserfolg, Prüfungen oder Tröstungen. In omnibus gratias agite: „Sagt Gott Dank in allem“. Die Beständigkeit in der Danksagung wird offenbaren, dass der Geist Gottes in uns wohnt.
Die Überzeugung und klare Einsicht dieser überragenden Wahrheit wird uns einen Fehler vermeiden lassen, der leider heutzutage allzu häufig vorkommt, nämlich die Werke der Feinde der Kirche mit denen der Kirche oder des Heiligen Geistes zu vergleichen. Die Werke liegen auf unterschiedlichen Ebenen und gebrauchen nicht das gleiche Verfahren noch die gleichen Mittel. „Der Geist weht, wo er will“.
Diese Grundvoraussetzung des Heiligen Geistes zu vergessen, der Seele und Quelle unseres Apostolates, würde bedeuten, dass wir uns veranlasst fühlten, die Feinde der Kirche nachzuahmen, dass wir rein zeitliche Verfahren und Mittel suchen würden, dass wir unser Vertrauen in eine systematische und gut durchdachte Organisation setzen, dass wir uns um die Hygiene und das Sozialwesen oder die Wirtschaft kümmern, bevor wir die Seelen in Verbindung bringen mit der göttlichen Quelle, aus der alle geistigen und materiellen, ewigen und zeitlichen Wohltaten hervorfließen. Derjenige, der vom Geiste Gottes beseelt ist, wird nicht anders können, als sein Augenmerk auf seine Brüder zu lenken, seine Nächstenliebe wird ihn zu allen geistigen und leiblichen Werken der Barmherzigkeit hinlenken. Derjenige, der nicht vom Geist Gottes beseelt ist, wird nicht daran denken, für seine Brüder die Zugehörigkeit zum Leib Christi zu suchen; er wird sich damit begnügen, ihnen einige materielle Güter zu beschaffen, ohne sie die Ordnung und das Maß beim Gebrauch dieser Güter zu lehren, wie sie von Gott gewollt sind, sodass seine Menschenfreundlichkeit sich für die, deren Not er lindern will, in ein Übel verkehren wird. Gewiß müssen wir uns oft zuerst um den Leib kümmern, um die Seele zu erreichen in dem Sinn, dass die Übung der selbstlosen Nächstenliebe die Herzen mehr rührt als Worte. Aber wir werden es vermeiden, unserer Nächstenliebe das zu entziehen, was sie an Einladung zur Heilsgnade mit sich bringt, indem wir kein Vertrauen zum Heiligen Geist hegen oder durch eine neutrale oder ungeistliche Haltung, die die Gnade Gottes ertötet. Wenn unser Herr den Leib heilte, heilte er auch die Seele und weckte so das Lob und die Verherrlichung seines Vaters.