Der Vatikan reformiert sein Rechtssystem

Quelle: FSSPX Aktuell

Das Gericht des Heiligen Stuhls

Mit einem neuen Motu Proprio, das am 19. April 2024 veröffentlicht wurde, änderte der Papst mehrere Gesetze, die das Justizsystem des Heiligen Stuhls regeln, und harmonisierte es mit dem benachbarten italienischen System. Damit werden offensichtlich Lehren aus den zahlreichen Problemstellungen gezogen, die im Zuge des „Prozesses des Jahrhunderts“ entstanden sind.

Die Anzahl der apostolischen Schreiben in Form von Motu Proprio, die während des derzeitigen Pontifikats verkündet wurden, beträgt 69. Der argentinische Pontifex demonstriert auf diese Weise bestimmt seinen Gestaltungswillen und seine Teilnahme an öffentlich administrativen Fragen. 

Nun liegt ein Motu Proprio vor, das in sechs Artikeln die Rechtsnormen des Kirchenstaates ändert: Die Richter dürfen bis zum Alter von 75 Jahren und die Kardinalsrichter bis zum Alter von 80 Jahren im Amt bleiben, wobei der Papst die Möglichkeit hat, die Amtszeit eines Richters von Fall zu Fall zu verlängern; die Modalitäten für die Bezahlung, die Abfindung und die Pensionierung werden präzisiert. 

Andere Maßnahmen betrafen die zivilrechtliche Haftung von Richtern und die Möglichkeit des Papstes, in den Verlauf eines Verfahrens einzugreifen, indem er einen stellvertretenden Vorsitzenden ernennt oder den Dienst eines Richters beendet, der „aufgrund einer festgestellten Behinderung“ nicht mehr in der Lage ist, sein Amt auszuüben. Der Staat Vatikanstadt kann seinerseits den Richter in Regress nehmen, wenn er nachweislich einen Schaden verursacht hat. 

Auf diese Weise wird das System des Kleinstaates an die Situation in Italien angepasst, wo die Verantwortlichkeit des Richters indirekt ist, sodass ein Bürger einen Richter, der ihn in einem Verfahren benachteiligt hat, nicht vor Gericht bringen kann. Eine Maßnahme, die die Freiheit, die Unabhängigkeit und den Schutz von Richtern und Staatsanwälten vor möglichem Druck von außen gewährleisten soll. 

Als Grund für diese Entscheidung nennt Franziskus „jahrelange Erfahrungen, die die Notwendigkeit einer Reihe von Änderungen erkennen ließen“. Mit Sicherheit sind auch die Verwerfungen ursächlich, die jüngst durch den Jahrhundertprozess verursacht wurde, der im Dezember 2023 vorläufig abgeschlossen wurde. Vorläufig deshalb, weil außer dem Staatssekretariat und der Vermögensverwaltung des Apostolischen Stuhls alle anderen Beteiligten, Angeklagte und Nebenkläger, gegen die Entscheidung der Richter Berufung eingelegt haben. 

Wenn also in Zukunft, abhängig von den Ergebnissen des zukünftigen Berufungsverfahrens, einige der in erster Instanz Verurteilten versucht sein sollten, gegen einen Richter vorzugehen – insbesondere gegen den Promotor der Justiz, Alessandro Diddi, dessen Methoden manchmal von der Verteidigung in Frage gestellt wurden – hat sich durch das Motu Proprio nun die Situation geändert. Die Entwicklung kommt zum richtigen Zeitpunkt, um die Richter zu schützen. 

Mehrere italienische Juristen weisen darauf hin, dass Papst Franziskus die Regeln während der Entwurfsphase viermal umgeschrieben hat. Einige sehen darin den Weg, gesetzliche und verfahrenstechnische Lücken zu füllen, für andere kritischere Stimmen zeigt sich mit der Justizreform ein Weg für den römischen Pontifex, die Hand über bestimmte Gerichtsverfahren zu halten. 

Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass das vatikanische Gericht, das in den letzten Jahren mehrfach reformiert wurde, nach wie vor hauptsächlich aus Anwälten und Staatsanwälten besteht, die in Italien ein Amt innehatten oder noch haben und daher nicht immer mit den Sitten und Gebräuchen des Heiligen Stuhls oder dem Kirchenrecht vertraut sind. 

In einem schriftlichen Beitrag nach der Urteilsverkündung prangerte einer der Anwälte der Angeklagten im Jahrhundertprozess, Cataldo Intrieri, die „Widersprüche“ des vatikanischen Rechtssystems und die „exorbitanten Befugnisse“ der Staatsanwälte an, die seiner Meinung nach zu einem Gerichtsverfahren geführt haben, das „weit von den in einem Rechtsstaat angenommenen Kriterien entfernt“ sei. 

Eine Kritik, die das neue Motu Proprio vielleicht zu entschärfen versucht, auch wenn es unrealistisch ist, vom Papsttum, das nach wie vor monarchisch geprägt ist, eine absolute Gewaltenteilung zu verlangen. Der Geist der Gesetze des Heiligen Stuhls ist nicht unbedingt der Geist Montesquieus.