April 2023 - Wort des Distriktsoberen
Liebe Gläubige
Es wird heutzutage immer schwieriger, über Moral zu sprechen und wahrscheinlich noch schwieriger, die katholische Moral zu verteidigen. Es wird oft über den völligen Verfall der Gesellschaft geklagt und tatsächlich weiß man nicht, wo man anfangen soll, wenn es darum geht, die aktuelle Situation zu beschreiben. Sogar Todesanzeigen wird man bald nur noch mit Experten zusammen lesen können, wenn man die Beziehungen verstehen will, die zwischen den verschiedenen Personen einer einzigen Familie bestehen.
Diese Tatsache festzustellen, soll weder stigmatisieren noch anklagen, sondern lediglich den Triumph des Egoismus und des Bösen aufzeigen! Es ist sehr wahrscheinlich, dass viele Zeitgenossen einfach nur Opfer dieser Situation sind, und vielleicht würden viele von ihnen ihr gerne entfliehen. Was können wir also tun, um diesen Zusammenbruch der Gesellschaft zu bremsen, was können wir tun, um nicht von dieser Flut mitgerissen zu werden, die alles, was sich in ihrer Bahn befindet, überrollt?
Zunächst einmal sollte anerkannt werden, dass es in allen Epochen Fehlentwicklungen und Skandale gegeben hat. Es wäre falsch und vor allem sinnlos zu behaupten, dass die Menschen früher besser waren als heute, denn die menschliche Natur bleibt zutiefst dieselbe, verwundet durch die Erbsünde. Das Problem unserer Zeit ist, dass Fehlentwicklungen und die Sünde zur Norm geworden sind: Niemand nimmt mehr Anstoß an wiederverheirateten Geschiedenen oder unverheirateten Zusammenlebenden, ganz zu schweigen von gleichgeschlechtlichen Verbindungen. Wie wollen Sie also Fieber mit einem defekten Thermometer feststellen?
Die Feststellung des Verfalls der Sitten ist unbestreitbar und es ist schwer zu wissen, wie man darauf reagieren soll. Das Dilemma besteht darin, wie man ein apostolisches Herz bewahren kann, das die Seelen berührt und sie zur Wahrheit führt, ohne gleichzeitig die Linie der katholischen Moral aufzugeben. Denn wenn man solche ungeregelten Situationen stillschweigend hinnimmt, läuft man Gefahr, das Böse zu verharmlosen und sich daran zu gewöhnen.
Eine zentrale Überlegung soll uns dabei helfen: Wie schwierig unser Leben in dieser Welt auch sein mag, wir müssen immer wieder zum Ziel und zum Kern unserer Bemühungen zurückkehren, der darin besteht, das Glück des Himmels zu erlangen! Unser Ziel auf Erden ist weder Anerkennung noch Ruhe: Was uns umtreiben muss, ist das Heil der Seelen und besonders unser eigenes.
Nachdem wir diese offensichtliche Tatsache in Erinnerung gerufen haben, können wir feststellen, dass die Schwierigkeit unseres Handelns darin besteht, auf eine Gesellschaft einzugehen, die sich von Gott abgeschnitten hat und nicht einmal mehr die Grundsätze des Naturgesetzes anerkennt, ohne dass wir uns jedoch daran gewöhnen! Der Heilige Thomas erklärt zum Beispiel, dass bei den Barbaren Diebstahl nicht als schlecht galt. Das bedeutet nicht, dass Diebstahl keine Sünde mehr war, sondern lediglich, dass die Blindheit dieser Menschen es ihnen manchmal nicht mehr erlaubte, ihn als solche zu erkennen. Ihr Bewusstsein war verzerrt worden, wie es auch bei unseren Zeitgenossen der Fall ist. Dieses Beispiel zeigt uns die Notwendigkeit, die Menschen so zu nehmen, wie sie sind, um sie nach und nach zur Erkenntnis ihres Zustands zu führen. Es braucht Zeit, um ein fehlgeleitetes Gewissen aufzuklären!
Ein anderes Beispiel veranschaulicht dies auf recht einfache Weise. Es geht um die Frage der kirchlichen Bestattung. Früher waren Friedhöfe kirchliches Eigentum, ein Ort, der den Katholiken vorbehalten war. Heute ist er oft ein Ort in Gemeindebesitz, an dem alle Toten ohne Unterschied ihre letzte Ruhestätte finden. Es hätte keinen Sinn mehr, einem Nicht-Katholiken eine Erdbestattung zu verbieten, zumal diese immer noch einen natürlichen Sinn für den Tod offenbart. Das ist immer noch besser als die vielen Alternativen, die heute angeboten werden!
Andererseits ist es wichtig und notwendig, die Ablehnung kirchlicher Zeremonien für denjenigen aufrechtzuerhalten, der öffentlich fern von Gott oder in Sünde gelebt hat. Eine solche Haltung bedeutet nicht, dass man über die Seele des Verstorbenen richtet, denn Gott allein ist Richter, aber sie ist eine klare Art und Weise, von einem Lebenswandel abzuhalten, der objektiv gesehen zu ewigem Unglück führt. Obwohl der Tod hier auf Erden immer ein großer Schmerz bedeutet, ist das einzig wahre Drama der ewige Tod, der durch die Sünde verursacht wird.
Diese Grundsätze und ihre umsichtige Anwendung gelten für die vielen Fälle, in denen die Moral nicht mehr eingehalten wird, insbesondere für die Ehemoral. Für einen Getauften ist das einzige legitime Ehepaar dasjenige, das sich vor Gott für das Leben vereint hat. Aufgrund der Verrohung der Sitten und der Entchristlichung der Gesellschaft sind wir zu einer Moral mit veränderbaren Vorzeichen gelangt, die nach dem Gefühl und nicht mehr nach dem Maßstab der Gebote urteilt. Ein Zusammenleben ohne Sakrament oder eine Wiederverheiratung trotz bestehendem Sakrament erscheint uns relativ akzeptabel oder sogar gut, solange die beiden sich lieben und, was noch wichtiger ist, wenn Kinder vorhanden sind. Das ist leider falsch: Eine tödliche Krankheit bleibt tödlich, auch wenn man noch keine Anzeichen an dem Kranken erkennt. Viele Zeitgenossen wissen das nicht mehr, weil sie oft nichts empfangen haben und ihre moralischen Werte so vage sind! Wir müssen daher die Umstände ihres Lebens und ihrer Erziehung berücksichtigen. Wir können ihnen nicht alles auf einmal erklären. Man braucht Zeit und Geduld, man kann Menschen, die nichts empfangen haben, nicht einfach mit dem Bann belegen.
Trotzdem müssen die Institution der Ehe und die katholische Moral verteidigt und gerettet werden. Deshalb muss man standhaft bleiben, wenn die betroffenen Personen noch mit den richtigen moralischen Werten aufgewachsen sind. Diese Personen sind sich bewusst, dass sie sich in einer sündhaften Situation befinden. Diese als solche zu akzeptieren und so zu tun, als wäre nichts geschehen, wäre daher ein Verstoß gegen die grundlegendste Nächstenliebe, denn das würde bedeuten, sie in dieser Situation zu lassen. Man muss ihnen die Nächstenliebe der Wahrheit erweisen.
Diese Entschlossenheit, so schwierig sie auch sein mag, nützt nicht nur dem betroffenen Paar, auch wenn sie oftmals kurzfristig kaum eine Wirkung hat. Sie reicht jedoch weit darüber hinaus, indem sie dem Rest der Familie öffentlich demonstriert, dass eine solche Situation nicht akzeptabel ist. Es ist nichts anderes als die Verteidigung des Gemeinwohls: Deutlich daran zu erinnern, dass eine sündhafte Situation zu ewigem Unglück führt, auch wenn diese Erinnerung ein momentanes Einzelwohl stört.
Wir müssen noch einige Präzisierungen anfügen. Es muss hier klargestellt werden, dass das Problem das Paar als solches ist, denn es lebt gegen die Gesetze der Kirche. Die beiden sind nur Pseudo-Eheleute, in Wirklichkeit sind sie Konkubinäre. Man kann die beiden also nicht als Paar bei sich zu Hause oder bei einer Familienfeier empfangen, da man sonst Gefahr läuft, ein tiefes Übel zu verharmlosen, das die Gesellschaft und die Kirche durchdringt. Das Kind, das in dieser falschen Situation lebt, und seine Nachkommen müssen hingegen immer willkommen bleiben und dies auch wissen. Gewiss, in diesem Bereich mischen sich oft Emotionen und Gefühle ein, aber ist die Frage letztendlich nicht, wo unsere Werte liegen? Ist der momentane Frieden in der Familie dem ewigen Heil vorzuziehen? Wünschen wir uns die Ruhe hier unten oder das Glück im Himmel? Man muss vorsichtig sein und um Rat fragen, aber man darf nicht schwach und leichtgläubig sein. Eine katholische Familie ist ein Schatz, den unsere Welt mit allen Mitteln zu zerstören versucht. Es liegt an uns, alles zu unternehmen, um sie zu bewahren und zu verteidigen!
Ich möchte mit der Erinnerung an eine schöne Gestalt schließen, eine Gestalt, die eher in den Advent als in die Fastenzeit gehört, aber es ist wunderbar, sie zu betrachten: der Vorläufer unseres Herrn, Johannes der Täufer. Nachdem er seine Aufgabe, den Weg des Herrn zu bereiten, erfüllt hat, wurde es dann seine Aufgabe, die Ehe zu verteidigen. Er hat dies sogar um den Preis seines Lebens getan. Eine schöne Lektion für uns: Wir müssen nicht nur das Kommen unseres Herrn in die Seelen erleichtern, sondern auch dafür kämpfen, dass unsere Umwelt uns darin unterstützt, die Tugend zu bewahren, und das beginnt in unseren eigenen Familien.
Haben wir den Mut und die Kraft, ohne dabei die Güte und die Geduld zu vernachlässigen, gegen die Maximen einer Welt zu kämpfen, die ohne Glauben und Gesetz leben will, und halten wir die Heiligkeit der katholischen Familie in Achtung und Ehre!
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P. Thibaud Favre
Priorat St. Niklaus von Flüe
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