Glockenweihe in Wien
Die Lebenden rufe ich, die Toten beklage ich, die Blitze breche ich!
- Traditionelle Glockeninschrift -
Ein strahlend schöner Tag bricht über der Wienerstadt an und taucht sie in ein warmes, spätsommerliches Licht. Es ist Sonntag, der 10. September 2023, und so wie an jedem Sonntagmorgen erklingt das Glockengeläut von den zahlreichen Kirchen der Innenstadt, es verkündet den Sonntag als den Tag des Herrn und ruft die Gläubigen zur Heiligen Messe. Nur von der Kirche mitten im Regierungsviertel, unserer Minoritenkirche, kommt kein Glockenton vom Turm – so wie nun schon seit mehr als hundert Jahren, seit die damals neu gegossenen Glocken dem ersten Weltkrieg zum Opfer fielen.
Heute aber ist der Tag, an dem das geändert werden soll! Heute feiern wir nicht nur das große Fest Maria Namen, sondern auch den Tag der Weihe unserer Glocken. Nachdem einige großherzige Spender sich bereit erklärt hatten, ein Glockenspiel zu finanzieren, wurden die Glocken am 17. Mai dieses Jahres durch das traditionsreiche, seit 1599 als Familienbetrieb geführte Unternehmen der Familie Grassmayr in Innsbruck gegossen, begleitet von den von der Kirche vorgeschriebenen Gebeten im römischen Rituale, welche der österreichische Distriktobere P. Johannes Regele sprach.
Im linken Seitenschiff der Minoritenkirche stehen nun schon seit einigen Tagen die Glocken, fixiert auf einem Gestell, und harren ihrer Bestimmung, hoch über den Dächern der Stadt das Lob Gottes zu verkünden. Nun sollte es endlich so weit sein! Zwei Kärntner Gläubige hatten sie am Vortag mit Hingabe in stundenlanger Arbeit festlich geschmückt, jede Glocke wurde mit einem Blumenkranz gekrönt. Seine Exzellenz, Bischof Alfonso de Galarreta, war für die Weihe der Glocken nach Wien gekommen. Als er im feierlichen Einzug die Kirche betrat, erwarteten ihn Hunderte Gläubige. Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt. Trotz der zahlreichen zusätzlich aufgestellten Stühle mussten viele stehend die Zeremonie verfolgen.
Die Weihe der Glocken
Die Glockenweihe selbst erfolgte durch drei rituelle Handlungen. Zunächst umschritt der Bischof die Glocken und besprengte sie mit Weihwasser. Danach betete er unter anderem folgendes Gebet: „Gewähre, wir bitten Dich, dass diese Glocken, die für Deine Heilige Kirche angefertigt wurden, durch den Heiligen Geist geweiht werden und dass durch Seine Berührung die Gläubigen eingeladen werden, Dich zu preisen. Während deren Klang an die Ohren der Völker dringt, möge in ihnen die Frömmigkeit ihres Glaubens wachsen, weit weg sollen weichen alle Nachstellungen des Feindes…“
Nun erfolgte die Salbung der Glocken, indem der Bischof vier Kreuze mit dem heiligen Chrisamöl auf jede Glocke zeichnete. Anschließend umschritt er sie neuerlich und beweihräucherte sie mit dem heiligen Weihrauch. Mit einem abschließenden Gebet, dass der „Tau des Heiligen Geistes“ diese Glocken erfülle, war die festliche Zeremonie der Glockenweihe beendet.
Es folgte nun ein feierliches Pontifikalamt zur Maria-Namen-Feier, das der Bischof zelebrierte mit P. Stefan Frey und P. Emmerich Jeindl als Leviten. Presbyter assistens war der Distriktobere P. Johannes Regele, die Thronassistenten waren P. Klaus Wilhelm und P. Markus Bayer. In seiner Predigt, die der Bischof auf Französisch hielt und die von P. Frey übersetzt wurde, erklärte er zunächst die Bedeutung der Glocken:
Durch die Mittlerschaft des Bischofs reinigt Gott die Glocken und segnet sie, um sie seinem Dienst zu weihen, dadurch werden sie zu einer Gabe Gottes, durch die er den Menschen seine Wohltaten spendet. An das Läuten der Glocken sind natürliche und übernatürliche Wohltaten gebunden, so halten sie auf natürliche Weise Gewitter, Stürme, Hagel und Blitze ab, auf geistiger Ebene bieten sie Schutz vor den Nachstellungen, Versuchungen und Angriffen der bösen Geister, die von den Kirchen und den Städten verjagt werden. Sie laden die Seelen guten Willens ein, zur Kirche zu kommen, zum Gebet, vor allem aber zum Heiligen Messopfer. Durch das Läuten der Glocken wird unser Glaube belebt, unterstützt im Kampf für den Glauben und ermutigt zum öffentlichen Bekenntnis unseres Glaubens.
Fest Maria Namen
Im zweiten Teil der Predigt wies Bischof de Galarreta auf die historische Bedeutung des heutigen Maria-Namen-Festes hin. Es ist eine Tatsache, dass die Größe und Macht der Mittlerschaft Mariens immer wieder aufgeleuchtet ist in der Geschichte und so auch in Verbindung mit dem heutigen Fest, das wir in Erinnerung an den 12. September 1683 feiern, als die Christenheit aus höchster Bedrohung errettet wurde. Nicht nur Wien und Österreich, sondern das ganze christliche Abendland wurde damals durch die Mittlerschaft Mariens bewahrt vor den Angriffen des Unglaubens. Als die Bedrohung übermächtig und die Lage aussichtslos erschienen war, rief der damalige Papst Innozenz XI. die gesamte Christenheit zu einem Gebetssturm auf, und die Menschen folgten diesem Aufruf. An unzähligen Orten in Europa wurden Bittprozessionen abgehalten, in allen Kirchen und Klöstern wurde der Rosenkranz gebetet und so der Himmel angefleht. Die Gebete zur Gottesmutter als Mittlerin aller Gnaden wurden erhört, das osmanische Heer wurde trotz der Übermacht seiner Soldaten besiegt und in die Flucht geschlagen, nachdem es zuvor ganz Europa in Angst und Schrecken versetzt hatte.
Durch Maria ist der wahre Glaube bewahrt worden, betonte der Bischof, in Wien, in Österreich und in ganz Europa! Dies zeigt uns die Macht dieser heiligen Mittlerschaft der Gottesmutter. Im Vertrauen auf diese ihre Hilfe, die die christlichen Völker schon so oft erlebt haben in den vergangenen Jahrhunderten, müssen auch wir unseren Glauben nicht nur bekennen, sondern ihn mutig verkündigen und verteidigen.
Prozession durch die Wiener Innenstadt
Nach Abschluss des Pontifikalamtes und dem feierlichen Auszug formierte sich die Prozession auf dem Minoritenplatz. Die mit weißen Lilien wunderschön geschmückte Marienstatue wurde auch in diesem Jahr von Hunderten Menschen begleitet auf ihrem Weg durch die stark bevölkerte Wiener Innenstadt. Der Himmel erstrahlte in schönstem Blau und wenn auch das Thermometer 30 Grad zeigte, schlossen sich sogar unterwegs noch Menschen der Prozession an. So mancher am Wegesrand bekreuzigte sich, als er die Marienstatue und unmittelbar dahinter die Priester in ihren festlichen Gewändern sah. Andere blickten erstaunt und neugierig, aber durchwegs respektvoll auf die Teilnehmer, die den Rosenkranz beteten und geistliche Lieder sangen. Ein Mann aus Ostasien war so ergriffen, dass er sogar um Erlaubnis fragte, ob er denn die Prozession auch fotografieren dürfe, er wolle nicht respektlos erscheinen. Wie schon in den Jahren zuvor begleitete dankenswerterweise die Musikkapelle „Original Kaiserjäger“ die Prozession und unterstützte so die Gesänge der Gläubigen.
Marienweihe
Am Ende des Weges durch die Innenstadt und dieses beeindruckenden Glaubenszeugnisses kehrte die Prozession wieder zurück in die Minoritenkirche. Nun erfolgte die Erneuerung der Weihe an die Gottesmutter Maria mit der Bitte, angesichts des heutigen Neuheidentums das Geschick Österreichs und der Völker der ehemaligen Donaumonarchie in ihre mütterlichen Hände zu nehmen und die wahre Königin der Regierenden und der Regierten zu sein. Mit einem festlichen Te Deum fand die große liturgische Feier dieses Tages ihren Abschluss.
So wie schon im vergangenen Jahr wurde die wunderschöne Feier von besonders festlicher Musik umrahmt. Wieder war es das Hussowitzer Barockensemble aus Tschechien unter der Leitung von Patrik Matyášek, das dieses Mal die Missa in C a 4 von Josef Puschmann (1738 – 1794) spielte, weiters erklangen Werke von P. Maurus Haberhauer, Tomás Luis de Victoria, Giovanni Pierluigi da Palestrina, Robert Parsons und Francisco Guerrero. P. Elias Stolz leitete die Schola.
Ausklang eines gesegneten Tages
Nach der Feier konnten sich alle unter den Arkaden der Kirche und am Minoritenplatz noch bei einem Imbiss stärken und mit Getränken laben. Angesichts der hochsommerlichen Temperatur wollte die Menschenschlange vor dem Stand mit dem köstlichen italienischen Eis einfach nicht abreißen. Ein großes Fest fand bei dem geselligen Beisammensein seinen Ausklang. Die Glocken werden schon bald in den Glockenstuhl der Minoritenkirche hoch über den Dächern Wiens gebracht werden, von wo dann ihre Melodien zum Lobe Gottes hoffentlich für lange, lange Zeit erklingen werden. Beten wir darum, dass ihr Klang die Herzen der Bewohner dieser Stadt erreichen möge, ihnen den Weg zu Gott, ihrem Schöpfer, zeigen möge und dass so eines Tages Wien wieder als eine wahrhaft katholische Stadt bezeichnet werden kann.
Am Schluss der Glockenweihe hatte der Bischof das folgende Gebet aus dem Pontifikale gesprochen und diesem Gebet wollen auch wir uns mit besonderem Dank an den Heiland für diesen heutigen so gesegneten Tag, anschließen:
Christus, allmächtiger Herrscher! Komme den Nöten Deines Volkes gütig zu Hilfe. Erfülle Du diese Glocken ganz mit dem Tau des Heiligen Geistes, damit bei ihrem Klang der Feind immer in die Flucht geschlagen werde, das christliche Volk aber zum Glauben eingeladen werde, das feindliche Heer vor Schreck erzittere, Dein versammeltes Volk im Herrn getröstet werde; und während der Glockenklang in die Wolken entschwindet, möge die Gemeinde durch die Hände der Engel beschützt werden, die Früchte der Gläubigen, ihr Geist und ihr Leib mögen sich ewigen Schutzes erfreuen, der Du lebst und herrschest in Ewigkeit. Amen!