Maria und Josef in Erwartung des Kindes

In den Monaten vor der Geburt Jesu lebten Maria und Josef unter den Augen Gottes in einer Herzens- und Seelenvereinigung, die ihresgleichen sucht.

Niemand in ihrer Umgebung ahnte, wie tief diese Verbundenheit war. Was das Kind betraf, das Maria erwartete, ahmten sie die göttliche Diskretion nach. Wer hätte das gedacht? Es war Gott selbst vorbehalten, alles zu sagen, wenn er es für richtig hielt. In der Zwischenzeit beobachtete Josef wie Elisabeth, wie Maria an seiner Seite lebte. Er liess sich von ihrem Beispiel inspirieren. Tag für Tag vertiefte er das Geheimnis Marias: das Geheimnis der Gnade, der Unschuld, der Reinheit, der Mutterschaft. Er vertiefte das Geheimnis ihres Herzens.

Abraham, Jakob, Moses und die Propheten waren angesichts der Offenbarung der Heiligkeit Gottes und seiner Gegenwart von heiligem Schrecken ergriffen worden.

Joseph empfand ein Gefühl tiefer Ehrfurcht vor der Gegenwart, die sein Dach beherbergte. Aber er kannte eine Nuance von Vertrauen und Intimität, die den Patriarchen und den grossen Propheten Israels unbekannt war. Er war zum Wächter über die Erfüllung aller Verheissungen an das auserwählte Volk eingesetzt worden. Unter dem Wirken des Heiligen Geistes war Maria zur Mutter des Messias geworden.

Sie mussten lange Zeit in Stille miteinander verbringen. Das Geheimnis, das sie erlebten, war über alle Worte erhaben. Für Josef war es ideal, sein Herz mit dem Marias in Einklang zu bringen. Er bewunderte sie vorbehaltlos. Er bemühte sich, ihrer nicht zu unwürdig zu sein. Er überhäufte seine junge Frau mit Aufmerksamkeiten. Maria erwiderte ihre Zuneigung mit solcher Feinfühligkeit und Intensität, dass Joseph ein unsagbares Glück erlebte, das nur ihm allein auf Erden vorbehalten war.

Ihre Herzen waren im gegenseitigen Austausch ihrer Liebe vereint und noch mehr, wenn sie sich zu Gott erhoben. Es war das Herz Marias, das Josef zu immer grösserer Anbetung, Liebe, Dankbarkeit und Bitte zog.

Die bescheidene Behausung in Nazareth beherbergte hohe Gipfel des Gebets und der Vereinigung mit Gott. Nie zuvor hatte die Erde etwas Vergleichbares gesehen. In der Schule des Herzens Marias lernte Joseph das Herz Gottes kennen. Er erkannte die ganze Grösse der Wahl, die er getroffen hatte. Das Herz Marias war für ihn ein lebendiges Buch, das ihn die Abgründe des menschlichen Daseins und des göttlichen Wohlwollens lehrte.

Wäre Joseph versucht gewesen, angesichts solcher Offenbarungen verwirrt zu bleiben, wäre Maria da gewesen, um ihn zu beruhigen und zu besänftigen. Das tägliche Leben war immer noch so einfach und die Dinge, die man tun musste, so natürlich. Marias Herz zog ihn in die Tiefen Gottes ohne krankhafte Überhöhung. Josef blieb der gute Zimmermann, der von denen, die ihn beschäftigten, geschätzt wurde. So lernte Josef als Erster, welch wunderbares Gleichgewicht das Unbefleckte Herz Marias hervorbringt. Maria ging unbemerkt in Nazareth vorbei und erfüllte die Pflichten ihres Standes.

Joseph bewunderte im Stillen die Grösse seiner Frau und ihre Demut. Das Herz Marias war ohne Umschweife und ohne Stolz. Gott zugewandt, vergass es die Seinen nicht.

Joseph dankte Gott für dieses Meisterwerk der Schönheit, Liebe und Einfachheit, dessen Geheimnis er kannte und das ihm anvertraut worden war.

Sein Aufstieg zur unaussprechlichen Liebe fand nicht in der Einsamkeit verzweifelter Anstrengungen statt. Das Herz Marias war mit ihm, milderte alles, erleichterte alles, tröstete ihn in allem.

Es gibt Dinge, die nur durch Liebe verstanden, akzeptiert und geliebt werden können. In Momenten der Müdigkeit und des Kummers wandte sich Josef an das Herz Marias, um dort das Licht und die Kraft zu finden, die er brauchte.

Maria antwortete immer sofort auf seine Erwartung. Diese wiederholten Erfahrungen machten Josef zum grössten Verehrer des Unbefleckten Herzens Marias. Er kannte immer besser die unaussprechlichen Reichtümer, die in diesem Herzen verborgen sind. Mit grenzenloser Freigebigkeit teilte Maria sie ihm unaufhörlich mit. Die Tugenden des Herzens Marias gingen in Josefs Herz über.

Je mehr Tage vergingen, desto mehr ahmte Josef Maria nach und desto ähnlicher wurden sich ihre Herzen.

[P. Auvray, Das Unbefleckte Herz Mariens, VI].