Unsere Krankheiten hat Er getragen, unsere Schmerzen hat Er auf sich geladen

Wieder ist Freitag und wie an jedem Freitag in der Fastenzeit gedenken wir des Leidensweges unseres Herrn und Heilands in der Kreuzwegandacht, die uns von der Verurteilung bis zur Grablegung führt. Lassen wir heute die Wissenschaft beiseite und betrachten wir den Weg über die Via Dolorosa bis hin nach Golgatha im Lichte dessen, was wir bis jetzt aus dem Grabtuch gelernt haben.

Der Tod durch Kreuzigung galt als die schmählichste und entehrendste Hinrichtungsart in der römischen Antike. Wegen ihrer Grausamkeit wurde sie durch Kaiser Konstantin mehr als 300 Jahre später abgeschafft. Sie wurde gegen Vaterlandsverräter und Schwerstverbrecher verhängt. Nach dem Urteilsspruch des Pontius Pilatus übernahm ein Exekutionskommando den Verurteilten und gemäß römischer Sitte wurde dem Verurteilten das sog. Patibulum, der Querbalken des Kreuzes, auf die Schultern gebunden, der immerhin fast 50 kg wog. Dieses Gewicht musste der durch die Geißelung äußerst Geschwächte durch die Straßen Jerusalems bis hinauf auf den Hügel von Golgatha tragen, der sich in der Nähe des Stadttores an einer der wichtigsten Verkehrsstraßen befand. Hier kamen viele Menschen vorbei und diese sollten durch die Zurschaustellung der Gekreuzigten gewarnt und abgeschreckt werden.

Welche unvorstellbare Qual muss dieser Weg für unseren Herrn gewesen sein! Barfuß auf dem holprigen und steinigen Weg, die Soldaten zerren Ihn mehr an den Stricken, an denen Er gefesselt ist, als dass Er sich noch aus eigener Kraft weiterbewegen kann, sie stoßen Ihn weiter, Schritt für Schritt. Die Haut auf Seinem Rücken, Seinen Schultern und Seinen Beinen war unter den unzähligen Geißelhieben geplatzt, das darunterliegende Gewebe war aufgerissen, da und dort bis auf die Knochen. Fliegenschwärme müssen Ihn begleitet haben, Er konnte sie nicht abwehren. Die Mittagssonne verbreitete gleißende Hitze.

Die unter diesen Umständen unvorstellbare Last des Kreuzesbalken lag auf den schwer verletzten Schultern und bohrte sich in die offen liegende Muskulatur. Der Balken drückte mit seinem Gewicht gegen die Dornenkrone und vermehrte die Qual, welche durch die mehr als fünfzig großen Dornen im Kopfbereich (soviele Stichwunden kann man auf dem Grabtuch zählen) verursacht wurden. Blut rinnt über die Stirn und dringt auch in die Augen, nur mehr verschwommene Bilder von der Umgebung sind wahrnehmbar.

Jesu Körper war durch den enormen Flüssigkeitsverlust und die fehlende Flüssigkeitszufuhr seit dem Vorabend so geschwächt, dass Sein Zustand bereits zu diesem Zeitpunkt akut lebensbedrohlich gewesen sein muss. Wie oft stürzte Er auf diesem Weg? Sicher unzählige Male, bei einem dieser Stürze muss das Nasenbein gebrochen sein, auch das erkennen wir auf dem Grabtuch, die Knie sind ganz zerschlagen. Die römischen Soldaten waren erfahren genug, die Lebensgefahr zu erkennen, sie durften nicht zulassen, dass der Verurteilte bereits unterwegs starb, die Kreuzigung musste vollzogen werden. Also riefen sie einen Mann herbei, wir kennen seinen Namen, es war Simon von Cyrene, der eben vom Feld kam, und befahlen ihm, den Kreuzesbalken zu tragen. Es war kein Mitleid, das sie dazu bewog, ein solches durfte ein römischer Soldat nicht kennen, es war die Angst, denn ein nicht korrekt ausgeführter Befehl bedeutete für den Soldaten selbst das Todesurteil.

Ob die Schreie und wüsten Beschimpfungen der aufgewiegelten Volksmenge, die Ihn in den engen Gassen umgab und dem Zug nachfolgte,  noch in Sein Bewusstsein drangen, ob Er die lästernden und spuckenden Gaffer noch wahrnahm in diesem normalerweise schon stark getrübten Bewusstseinszustand? Wohl schon, Seine göttliche Natur forderte dieses Übermaß an Leiden von Seiner menschlichen Natur, um unser aller Sünden, unser aller Leiden in Sein Erlösungswerk einzubinden und dort aufzulösen. Müsste uns dieses Wissen nicht genug sein, um uns sicher durch alle Krisen zu führen, Krisen in uns selbst, Krisen in unserer Umgebung, Krisen in der ganzen Welt?  

Der Prophet Jesaja sah die Geschehnisse des Karfreitags schon von ferne, 700 Jahre zuvor schreibt er: „Unsere Krankheiten hat Er getragen, unsere Schmerzen hat Er auf sich geladen, doch wir hielten Ihn für einen Geschlagenen, den Gott getroffen und gebeugt hat. Er ward durchbohrt um unserer Sünden willen, zerschlagen für unsere Missetaten. Zu unserem Frieden lag die Sünde auf Ihm; durch Seine Wunden sind wir geheilt!“