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Liebe Schweizer Gläubige
Es scheint sehr ungewöhnlich: Dieses Mal lege ich Ihnen ein besonderes Gebetsanliegen für die Fastenzeit 2022 ans Herz. Dieses Anliegen ist mir wirklich sehr teuer und es scheint mir von äusserster Wichtigkeit: die Berufungen.
Die Umstände und Gründe, die mich zu einer solchen Wahl bewogen, erfordern einige Erklärungen, die ich Ihnen im folgenden Text gerne darstellen möchte. Bei dieser Gelegenheit teile ich Ihnen ebenfalls die grossen Linien dieser Fastenaktion mit.
Wieso für die Berufungen?
Das ist die zentrale Frage. Um auf diese Frage einzugehen, lassen Sie mich ein Ausschlussverfahren anwenden und auf die häufig gestellte Frage antworten: Gibt es nicht wichtigere Gebetsanliegen?
Auf der einen Seite könnte man antworten, dass sich die Lage der Pandemie zur Stunde, in der ich diese Zeilen schreibe, anscheinend auf dem besten Weg zur Besserung befindet. Man könnte folglich diese Ruhephase nutzen, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Aber auf der anderen Seite – wenn die Situation uns sogar noch in eine tiefere Krise stürzen sollte, wie wir es in den vergangenen Monaten erlebten – dann gäbe es keine grössere Notwendigkeit, als gute und heilige Priester- und Ordensberufungen zu erlangen.
Natürlich ist in einer katholischen Gesellschaft alles von Wichtigkeit: So sollen wir für heilige und zahlreiche Familien beten, für die Zukunft unserer Heimat, damit wir einer abtrünnigen Welt die Stirne bieten können, usw. Aber diese besondere Gebetsintention bündelt alle anderen berechtigten Anliegen in sich. Die einzige Gesundheit, die es wert ist, ist die Gesundheit unserer Seele – da darf man die politische oder gesundheitliche Lage ruhig hintenansetzen. Um aber über diese Gesundheit zu wachen, braucht es Ärzte, Seelenärzte, Priester!
Wenn wir uns über die Lage in unserer Heimat oder die Situation in der Welt, wie wir sie unseren Kindern zurücklassen werden, beunruhigen, so sind wir uns gewiss einig, dass es Bauleute braucht, welche nach dem Krieg die zerstörte Stadt wieder aufbauen werden. Genau solche Bauleute haben wir nötig, um einen katholischen Staat zu errichten. Die Corona-Krise hat diese Realität nur noch mehr bestätigt: Wir brauchen Priester, wie brauchen zahlreiche und heilige Priester, welche diese katholische Wiedergeburt fördern, hegen und leiten.
Warum eine solche Aktion während der Fastenzeit?
Das ist eine hervorragende Frage, denn die Fastenzeit ist für uns eher ein Inbegriff persönlicher Umkehr und Busse.
Was das betrifft, stützt sich der Kreuzzug für die Berufungen hauptsächlich auf die Grossherzigkeit eines jeden einzelnen, und das lässt sich bestens mit der liturgischen Zeit verbinden. Keinesfalls kommen damit die asketischen Übungen und die guten Vorsätze der Fastenzeit ins Hintertreffen. Es wäre wirklich ein Widerspruch in sich, wenn man unter dem Vorwand, dass man für die Berufungen beten wolle, die Übungen der Fastenzeit unterliesse. Im Gegenteil soll es vielmehr ein Ansporn sein, diese Übungen beizubehalten und sie für die Berufungen aufzuopfern. Zwei Fliegen auf einen Streich!
Wer Schwierigkeiten mit den Forderungen der Fastenzeit hat, für den könnte es vielleicht ein Ansporn sein, an seiner Heiligung zu arbeiten oder etwas Zusätzliches für sein Seelenheil zu tun – sei es auch nur eine Kleinigkeit – wenn er sich die Erlangung von Berufungen zum Ziel setzt.
Aber um auf die Frage zurückzukommen: Die Fastenzeit ist sehr verbunden mit dem Thema der Berufungen. Wenn man das Leben unseres Herrn betrachtet, bemerkt man, dass eine seiner ersten Sorgen, nachdem Er vierzig Tage und vierzig Nächte in der Wüste gefastet hatte, die Wahl seiner Jünger war.
Noch beachtenswerter ist es, wenn wir unseren Blick auf das Priestertum richten, das den krönenden Abschluss der Fastenzeit bildet. Tatsächlich feiern wir am Hohen Donnerstag, im Herzen der Karwoche, die Einsetzung dieses Sakramentes.
Wenn wir für die Berufungen beten, folgen wir darum dem Beispiel des Heilandes.
Ist es notwendig, für Berufungen zu beten?
Diese Frage ist sehr wichtig und beinhaltet vielerlei Aspekte.
Zuerst einmal stellt sich das Problem der Unentgeltlichkeit der Gnade. Wenn Gott sich diejenigen erwählt, die Er zu seinem Dienst berufen will, wie soll man diese Wahl noch beeinflussen können? Es ist immer schwierig, auf das Geheimnis der Gnade eine gute Antwort zu geben… Aber wir können Beispiele anfügen, die aussagekräftiger sind. Gott weiss von aller Ewigkeit her, wer gerettet werden wird und wer es vorzieht, sich von seinem Heil abzuwenden… denn Gott kennt im Vorhinein alle Gebete und Werke, die verrichtet oder vernachlässigt werden und die für einen jeden – je nachdem – sein ewiges Heil oder Unheil bewirken werden!
Ebenso weiss Gott, wie viele Berufungen Er erwecken und welche Personen Er rufen wird… denn Er kennt vor allem die Gebete und Anstrengungen, die jemand aufopfert, um diese unermesslichen Gnaden zu erhalten. Es führt zu nichts, wollte man die göttliche Weisheit bis ins Tiefste zu ergründen versuchen, denn sie übersteigt uns. Es genügt, wenn wir begreifen, dass Berufungen nicht einfach so vom Himmel fallen, sondern dass sie die Frucht von Gebet und Busse sind. Übrigens lädt Christus selbst uns dazu ein: «Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter sende!»
Ein anderer Aspekt kommt häufig zur Sprache: Er betrifft die Frage nach der Freiheit. Werden wir die Jugendlichen dadurch nicht zwingen, gegen ihren Willen in eine geheiligte Armee einzutreten, wie man es früher gemacht hat? Seien wir ohne Furcht, die Kirche stellt mit grosser Sorgfalt sicher, dass jeder Berufene aus freien Stücken und in absoluter Freiheit diese Verpflichtung eingeht. Tatsächlich muss man heutzutage vielmehr eingestehen, dass der entgegengesetzte Fall nicht mehr gewährleistet ist. Wer kann sich heute noch in aller Freiheit für den Dienst des Herrn verpflichten, wenn ihn das Gewicht der Welt gefangen hält?
Wer hilft unseren Jugendlichen, welche von der Leichtlebigkeit einer materialistischen Welt hinuntergezogen werden, ihr Leben Gott zu schenken? Wer unterstützt die Anstrengungen der Jugendlichen, die immer früher mit der Unreinheit und der Pornografie konfrontiert werden, damit sie sich davon fernhalten oder wieder herauskommen können? Wer ermuntert sie, sich gute Gewohnheiten anzueignen, um ein christliches Leben zu führen? Wer hilft den jungen Leuten, eine Entscheidung zu fällen und eine gute Wahl zu treffen, während die Welt sich über Entscheidungen, die ein ganzes Leben lang dauern sollen, lustig macht und uns zu Egoismus und Unbeständigkeit verleitet?
Jede Entscheidung fordert eine Wahl und Opfer. Werfen wir nur einen Blick auf die Apostel: «Sie verliessen alles und folgten Ihm nach.»
Schlussendlich stellt sich noch die Frage nach der Berufung an sich, nach dem Ruf Gottes. Der allgemeinen Auffassung entgegengesetzt handelt es sich bei einer Berufung nicht um einen geheimnisvollen Ruf. Es ist schlicht und einfach der Ruf der Kirche, der sich am Tag der Priesterweihe durch die Stimme des Bischofs äussert.
Bis dieser Ruf der Kirche eines Tages erschallt, gibt es sehr einfache Kriterien, womit ein weises Urteil über eine mögliche Berufung gefällt werden kann: Zeigt der junge Mann oder die junge Frau guten Willen? Besitzen sie die notwendigen Tugenden und die erforderlichen intellektuellen sowie moralischen Eigenschaften? Wie lauten die Empfehlungen des Beichtvaters und der verschiedenen Oberen?
Gewiss kann man nicht leugnen, dass es bei jeder Berufung auch unergründliche Aspekte gibt, denn wir haben es dabei mit übernatürlichen Realitäten zu tun. Es braucht offensichtlich auch eine bestimmte Anziehungskraft, dass man sich Gott schenken möchte. Aber eine Berufung ist nicht zwingendermassen eine Sache des Empfindens, noch ist sie frei von Zweifeln, und Prüfungen werden noch weniger fehlen.
Das Beispiel des heiligen Pfarrers von Ars ist sehr aufschlussreich. Er hatte die fixe Idee, seine Pfarrei zu verlassen, um das Leben eines Einsiedlers zu führen. Zu wiederholten Malen fühlte er sich versucht, diesen Wunsch in die Tat umzusetzen. Aber wie viele Seelen wären für immer Gott fern geblieben, wenn der Pfarrer von Ars diesen Einsprechungen gefolgt wäre!
Im Grunde genommen muss man nicht nach Zeichen suchen. Es genügt, wenn man folgende einfache Frage beantwortet: Welchen Weg hat Gott mir vorgezeichnet? Wie lautet sein Wille? Die beste Weise darauf zu antworten ist das Gebet!
Wie können wir konkret die Fastenzeit für Berufungen angehen?
Aus all den obengenannten Gründen laden wir Sie während der Fastenzeit zu einem Gebetskreuzzug ein, der sich vor allem auf die Messe und den Rosenkranz stützt.
An erster Stelle steht die Messe, denn sie ist unser Lebenszentrum. Es wäre grossartig, wenn unsere Gläubigen aus diesem Anliegen heraus die hl. Messe auch unter der Woche ab und zu besuchen könnten, oder wenigstens bei der Sonntagsmesse mit mehr Aufmerksamkeit dabei wären! Die Liturgie der Fastenzeit stellt uns jeden Tag geeignete Texte zur Betrachtung vor – eine Ermutigung, um uns von der Weisheit der Kirche inspirieren zu lassen! Wenn die Entfernung oder die Beschäftigungen es uns auch nicht erlauben sollten, in die Kirche zu gehen, so können wir dennoch unser Messbuch aufschlagen und einige Augenblicke über die Tagestexte betrachten.
Das zweite Mittel ist ganz klar der Rosenkranz. Den Prioraten wird es ein Herzensanliegen sein, nach Möglichkeit das gemeinschaftliche Rosenkranzgebet – falls möglich vor dem Allerheiligsten – zu fördern. Aber tun wir es auch in unseren Familien, vor allem dort, wo das gemeinsame Rosenkranzgebet noch nicht Sitte ist! Am Anfang oder Ende des Rosenkranzes wollen wir nicht vergessen, die Anrufungen für Berufungen anzufügen: „Herr, schenke uns Priester…“ Das ist ein ausgezeichnetes Mittel, um uns das Gebetsanliegen zu vergegenwärtigen.
Schliesslich will der letzte Punkt denjenigen, die es wünschen, als Stütze und Hilfe dienen: Auf seiner Homepage wird der Schweizer Distrikt in regelmässigen Abständen einige Texte und Videos veröffentlichen. Diese Beiträge zum Thema Berufung werden von Priestern zusammengestellt. Zögern Sie nicht, die Internetseite des Schweizer Distrikts zu besuchen und auch den Mut und die Begeisterung zu finden, um diese Fastenzeit für die Berufungen zu einem guten Ende zu führen.
Liebe Gläubige aus der Schweiz, ich danke Ihnen im Voraus für alles, dass Sie für dieses Gebetsanliegen unternehmen werden. Ohne Zweifel wird der liebe Gott auf unsere Gebete antworten! Unsere Liebe Frau, die Schutzherrin der Berufungen, möge diesem schönen Anliegen viele Früchte gewähren!
P. Thibaud Favre
Distriktsoberer
→ Auf dieser Seite können Sie jeden Tag einen Text über den Ursprung, den Sinn, die Wichtigkeit der Berufung finden
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