Die zwölf Artikel des Glaubens 11. Die Auferstehung des Fleisches
Fra Angelico, Das Grab ist leer
Der christliche Glaube lehrt nicht nur ein Weiterleben der Seele nach dem Tod, sondern auch eine Auferstehung der Leiber am Jüngsten Tag, wenn Christus wiederkommt, um die Welt zu richten. Ein Weiterleben der Seele nahmen auch manche heidnischen Philosophen, wie z. B. Platon, an. Eine Auferstehung der Leiber lehnten sie nach dem Zeugnis Tertullians (De praescr. 7) aber alle ab, und auch Augustinus sagt: „In keiner Sache wird dem christlichen Glauben so widersprochen wie in Bezug auf die Auferstehung des Fleisches“ (In Ps. 88, 2,5). So verwundert es nicht, dass Paulus in Athen nur Spott erntete, als er in seiner Rede vor dem Areopag die Auferstehung erwähnte (vgl. Apg 17,32).
Auch in den jungen Christengemeinden scheinen manche die Auferstehung in ein rein spirituelles Geschehen umgedeutet zu haben, was man aus der Zurückweisung des Hymenäus und Hiletus durch Paulus erschließen kann, die behaupteten, „die Auferstehung sei schon erfolgt“ (2 Tim 2,17 f.).
Wenn in der neuen deutschen Übersetzung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses nur noch von der „Auferstehung der Toten“ die Rede ist, wird damit gerade dieser markante Punkt des christlichen Glaubens verschleiert.
Der Tod
Nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift ist der Tod eine Folge des Sündenfalls. „Gott hat den Tod nicht gemacht“ (Weish 1,13), aber „durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt“ (Weish 2,24). Zwar ist der Tod für den Menschen an sich etwas Natürliches, da leibliche Wesen grundsätzlich verwundbar und sterblich sind, für den Menschen hatte Gott aber die besondere Gabe der Unsterblichkeit vorgesehen. Hätte Adam die Prüfung bestanden, könnten alle Menschen ohne zu sterben mit Leib und Seele in den Himmel eingehen.
Nun aber müssen wir sterben. Im Tod trennt sich die Seele vom Leib und erfährt sogleich das persönliche Gericht, der Leib dagegen verwest. Dieses Schicksal des Leibes ist jedoch nicht endgültig, denn auch er soll am Jüngsten Tag wiederauferstehen.
Die Auferstehung des Leibes
Der Glaube an die körperliche Auferstehung findet sich schon im AT bei den sieben makkabäischen Brüdern. Hier heißt es, dass einer der Brüder willig seine Zunge und seine Hände den Folterknechten darbot, indem er sprach: „Vom Himmel habe ich sie, und um seiner Gesetze willen schätze ich sie gering. Von ihm hoffe ich sie wieder zu erhalten“ (2 Makk 7,11). In neutestamentlicher Zeit glaubten die Pharisäer an die Auferstehung, wohingegen die Sadduzäer sie leugneten (Apg 23,8; vgl. auch Mt 22,23).
Christus spricht deutlich von der Auferstehung, wenn er sagt:
„Es kommt die Stunde, da alle in den Gräbern seine (des Menschensohns) Stimme hören werden. Dann werden die, die das Gute getan haben, zur Auferstehung für das Leben herauskommen, die das Böse verübt haben, zur Auferstehung für das Gericht“ (Joh 5,28 f.).
Hier ist auch klar gesagt, dass sowohl die Guten wie die Bösen auferstehen werden. In der eucharistischen Rede verheißt Christus dann denjenigen, die sein Fleisch essen und sein Blut trinken, dass er sie am Jüngsten Tag auferwecken werde (Joh 6,54).
Von den Aposteln bezeugt und erklärt diesen Glaubenssatz am ausführlichsten der hl. Paulus im 15. Kapitel des 1. Korintherbriefs:
„Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, ist unsere Predigt hinfällig, hinfällig auch euer Glaube! … Nun ist aber Christus von den Toten auferweckt worden als Erstling der Entschlafenen“ (1 Kor 15,13 f. 20).
Warum eine Auferstehung?
Obwohl die Seele auch ohne den Leib weiterleben kann, entspricht dies nicht ihrem natürlichen Zustand, denn sie ist dazu geschaffen, einen menschlichen Leib zu beseelen. Der Leib ist nicht nur eine Wohnung für die Seele oder gar ein Gefängnis, wie Platon meinte, sondern gehört zur menschlichen Natur. Der Mensch ist kein reines Geistwesen wie die Engel, sondern ein leib-seelisches Wesen. Darum ist es angemessen, dass die Seele nicht in alle Ewigkeit in einem ihr unnatürlichen Zustand verbleibt, sondern einmal wieder mit dem Leib vereinigt wird.
Die Seele hat sodann ihre Taten durch den Leib ausgeführt. Er war innigst beteiligt an den Kämpfen und Leiden des Lebens, aber ebenso an den Sünden. Darum soll der Leib einmal auch entweder an der Belohnung oder der Bestrafung des Menschen teilnehmen.
Die Auferstehung entspricht ferner der Gleichförmigkeit des Menschen mit Christus. Da das Haupt des mystischen Leibes auferstanden ist, ziemt es sich, dass auch die Glieder einmal auferstehen werden. Christus ist nämlich als „Erstling der Entschlafenen“ auferweckt worden (1 Kor 15,20). So wie die Erstlingsgaben, die von den Feldfrüchten Gott dargebracht werden, keine Erstlinge wären, wenn nicht andere Früchte folgten, so ist Christus der Erstling, weil andere ebenso wie er aus dem Acker der Erde wieder ans Licht steigen sollen. Zudem wurde der Leib durch die Sakramente geheiligt, die ihn zuerst berührt haben; er war „ein Tempel des Heiligen Geistes“ (1 Kor 6,19), weshalb es nicht angemessen wäre, wenn er für immer zerstört wäre.
Die Verklärung des Leibes
Der Auferstehungsleib wird zwar ein materieller Leib sein, die natürliche Schwerfälligkeit der Materie jedoch verloren haben, wie wir es bei Christus sehen. Den verwirrten Aposteln sagt der Auferstandene: „Betastet mich und überzeugt euch! Ein Geist hat doch nicht Fleisch und Bein, wie ihr es an mir seht“ (Lk 24,39). Trotzdem kann er nun seine Gestalt verändern, plötzlich erscheinen oder verschwinden und auch durch verschlossene Türen gehen.
Ähnlich wird es bei allen Gerechten nach der Auferstehung sein. Christus wird „vermöge der Macht, durch die er sich alles unterwerfen kann, unseren hinfälligen Leib umwandeln und seinem verherrlichten Leib gleichgestalten“ (Phil 3,21). Dieser Leib wird geistähnliche Eigenschaften erhalten. „Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein geistiger Leib“ (1 Kor 15,44). In der Tat behindert der Leib mit seinen Leidenschaften, Schwächen und Krankheiten in diesem Leben die Seele oft in ihrer Tätigkeit, was Platon dazu führte, ihn als Gefängnis für die Seele zu betrachten. Viele Menschen verhätscheln außerdem ihren Leib, so dass eher die Seele dem Leib zu dienen scheint als der Leib der Seele. Nach der Auferstehung wird der Leib aber ein ganz gefügiges Werkzeug für die Seele sein. Die Seele wird ihm sogar selbst das Leben erhalten können, so dass keine Nahrungsaufnahme mehr nötig ist. Auch die Zeugung von Kindern wird es nicht mehr geben, wie Christus ausdrücklich sagt: „Nach der Auferstehung heiraten sie nicht mehr und werden auch nicht geheiratet, sondern werden sein wie die Engel im Himmel“ (Mt 22,30). Der Leib wird unsterblich, leidensunfähig und herrlich sein. So wie das Samenkorn zwar dieselbe Natur wie die Pflanze hat, die aus ihr wächst, aber nicht deren Gestalt, so haben der irdische Leib und der Auferstehungsleib zwar dieselbe Natur, sind aber in den Eigenschaften in vielem unähnlich:
„Was du säst, ist nicht die Pflanze, die erst werden soll, sondern ein bloßes Samenkorn, etwa Weizen oder sonst etwas. Gott aber gibt ihm eine Gestalt, wie er will, und zwar jedem Samen seine besondere Gestalt. … Gesät wird in Vergänglichkeit, auferweckt in Unvergänglichkeit; gesät wird in Unansehnlichkeit, auferweckt in Herrlichkeit; gesät wird in Schwachheit, auferweckt in Kraft“ (1 Kor 15,37 f; 42 f.).
Deswegen hat man das Verhältnis von irdischem Leib und Auferstehungsleib bisweilen mit der Metamorphose einer Raupe zum Schmetterling verglichen. Der Glanz der Auferstehungsleiber (vgl. die Beschreibung der Verklärung Christi: „Sein Antlitz leuchtete wie die Sonne“ [Mt 17,2]) wird allerdings je nach Verdienst unterschiedlich sein: „Anders ist der Glanz der Sonne, anders der Glanz des Mondes, anders der Glanz der Sterne; ja, ein Stern unterscheidet sich im Glanz vom anderen. So verhält es sich auch mit der Auferstehung der Toten“ (1 Kor 15,41 f.).
Die Leiber der Verdammten werden zwar ebenfalls unsterblich sein, an den Vorzügen des verklärten Leibes aber nicht teilhaben. Die Verdammten stehen nur auf, um auch noch in ihrem Leib die Strafe zu leiden. Dieses unterschiedliche Schicksal der Auferstandenen verkündete schon der Prophet Daniel: „Viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen, die einen zu ewigem Leben, die anderen zu Schmach und ewiger Schande“ (12,2).
Die Leichenverbrennung
Die Leichenverbrennung war im Altertum eine heidnische Sitte. Die Christen dagegen haben nach dem Bild des 1. Korintherbriefs die Leiber ihrer Verstorbenen wie ein Samenkorn in die Erde gelegt, damit sie daraus einmal zum neuen Leben hervorgehen. Weil die Freimaurer die Leichenverbrennung wieder einführten, um den Glauben an die Auferstehung zu verleugnen, verbot die Kirche diese Sitte. Im Neuen Kirchenrecht wurde die Leichenverbrennung dann wieder erlaubt, wenn sie nicht aus Gründen gewählt wurde, „die der christlichen Glaubenslehre widersprechen“ (can. 1176 § 3). Natürlich kann Gott auch aus der Asche eines Verstorbenen einen neuen Leib erstehen lassen, aber das Umsichgreifen der Kremation ist doch ganz gegen die christliche Tradition, die den Leib des Verstorbenen mit Ehrfurcht zu behandeln vorschreibt. Mit der Instruktion Ad resurgendum hat die Glaubenskongregation am 15. August 2016 die Beerdigung auf dem Friedhof zwar nochmals nachdrücklich empfohlen, an der allgemeinen Praxis dürfte dies aber kaum etwas ändern.