„Zeugnis ablegen!“ Predigt von Weihbischof Alfonso de Galarreta bei der Einkleidung
Liebe Mitbrüder im Priestertum, liebe Seminaristen, die Sie die Soutane erhalten oder die Tonsur empfangen werden, liebe Gläubige,
das heutige Fest der Darstellung des Jesusknaben im Tempel und die Reinigung der allerseligsten Jungfrau Maria ist sehr geeignet für die Zeremonie, die nun stattfinden wird: der Empfang der Soutane, des gottgeweihten Gewandes, und der Tonsur. Denn diese jungen Männer, die von der Welt kommen, weihen sich heute ganz und gar Gott, dem Dienst Gottes, dem Dienst der Kirche, und zwar in der Gefolgschaft dieser ersten sichtbaren Darbringung Jesu im Tempel im Alter von 40 Tagen.
Unter all den zahlreichen Zeremonien, die sehr inhaltsreich sind, wird uns heute das Beispiel des greisen Simeon vor Augen gestellt. Er ist ein Vorbild, dem Sie folgen sollen, liebe Seminaristen, dem aber auch jeder Priester folgen muss. Simeon ist ein Vorbild in der Suche Jesu Christi, in der Sehnsucht nach unserem Herrn.
Das heilige Evangelium sagt uns, dass Simeon gerecht und gottesfürchtig war. Er war gerecht durch ein heiliges Leben, ein Leben, das der Gerechtigkeit Gottes ganz gleichförmig war, konform den Vorschriften und dem Willen Gottes. Er führte dieses Leben, weil er die Furcht Gottes in sich hatte, die der Anfang aller Weisheit ist. Und das Evangelium fügt hinzu: „Simeon erwartete den Trost Israels“, die Erlösung, d.h. er sehnte sich und hoffte auf unseren Herrn Jesus Christus, der unser Trost und die Erlösung der ganzen Menschheit ist. Dann steht im Evangelium: „Der Heilige Geist war mit ihm.“ Simeon war ganz gelehrig den Anregungen, den Antrieben und Inspirationen des Heiligen Geistes gegenüber, und unter der Einwirkung des Heiligen Geistes wurde er zum Tempel geführt. Auf diese Weise sieht er unseren Herrn Jesus Christus und empfängt ihn auf seinen Armen aus den Händen Mariens. Aus diesem Bericht des Evangeliums erkennen wir die tiefe Disposition, die Seelenverfassung, die wir, Seminaristen oder Priester und auch die Gläubigen haben müssen, um Christus zu sehen, kennenzulernen, in unserem Herzen zu empfangen, um ihn zu lieben und ihn zu besitzen. Genau dies ist die rechte Vorbereitung darauf: ein heiliges Leben in der Furcht Gottes, in Demut, Sanftmut und Gehorsam, begleitet von der Furcht Gottes. Diese Tugenden erwirken uns die Gaben des Heiligen Geistes, die uns unfehlbar hinführen zur Erkenntnis und zur Liebe unseres Herrn Jesus Christus. In diesen Tugenden besteht das Leben eines jeden Christen, vor allem aber des Priesters.
Im Evangelium hören wir auch, wir der greise Prophet Simeon ein Bekenntnis ablegt für Christus, wie er Jesus betrachtet und liebt; und er stimmt sogleich sein Nunc dimitis an, das ein Bekenntnis, Lobpreis und Anbetung ist, ein sehr vollkommenes Bekenntnis des Glaubens zu Ehren unseres Herrn Jesus Christus. Mit diesem Gesang bekennt er, dass Christus der Friede ist, unser Friede. Und weil Simeon Christus sah, konnte er nun in Frieden scheiden.
Er bekennt auch ausdrücklich, dass Jesus das Licht ist, das Heil der Nationen, die Ehre Israels und die Ehre der Kirche. Und in diesem Lobgesang finden wir wie eine Zusammenfassung des Geheimnisses der Menschwerdung und der Erlösung unseres Herrn Jesus Christus.
Er ist unser Friede, weil er unser Mittler ist, und als Mittler versöhnt er den Himmel mit der Erde, Gott mit den Menschen, und er versöhnt auch die Menschen untereinander.
Christus ist auch unser Heil, denn er ist der Erlöser, der durch sein Kreuzesopfer die Menschen losgekauft hat. Erlöser auch durch sein Priestertum, das das Erlösungswerk weiterführt.
Dann ist er das Licht aller Nationen, denn er ist die Wahrheit selbst. Er ist das Licht, weil er Lehrer ist, Lehrer aller Nationen, der die Menschen erleuchtet durch seine Unterweisungen, seine Predigt, seine Lehre, durch sein eigenes Beispiel, das er uns vorgelebt hat, durch all seine Tugenden, aber auch durch seine Wunder und seine Geheimnisse.
Er ist auch die Glorie, besonders durch die Geheimnisse seiner Auferstehung und seiner Himmelfahrt, und weil er zur Rechten Gottes sitzt als Hoherpriester, als König der Könige. Und als König ist er der Vergelter, der die Menschen belohnt bzw. bestraft; aber er ist vor allem der Vergelter der Guten, weil er die Quelle aller Ehre der Auserwählten ist.
Und Sie, liebe Seminaristen, liebe Priester, Sie müssen ebenfalls dieses Zeugnis ablegen, dieses feierliche Bekenntnis zu Christus, das Bekenntnis all seiner Geheimnisse. Ein Bekenntnis voller Verehrung, voller Anbetung und auch voll Liebe zu unserem Herrn. Und gerade dieses Zeugnis hat die heutige Welt besonders notwendig, dieses Zeugnis für Jesus Christus und all seiner Geheimnisse.
Schließlich kündigt der ehrwürdige Greis Simeon, nachdem er den heiligen Josef und die Jungfrau Maria gesegnet und Gott gepriesen hat, der allerseligsten Jungfrau die Mission ihres göttlichen Sohnes an, seine Rolle, die er in dieser Welt zu spielen hat. Er kündigt ihr die Leiden unseres Erlösers an, sein Opfer. Er kündigt ihr auch ihre Teilnahme an der Passion Christi, ihr Mitleiden vor allem in ihrem Herzen an. Denn Simeon sagt zu ihr: „Dieses Kind ist gesetzt zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel. Er wird ein Zeichen des Widerspruchs sein. Auch deine Seele wird ein Schwert durchbohren.“ So prophezeit er das Leiden Christi und das Mitleiden der allerseligsten Jungfrau. Und er schließt seine Prophezeiung: „Und so werden die Geheimnisse vieler Herzen offenbar werden“.
So ist auch der Priester, liebe Seminaristen, liebe Mitbrüder, genauso wie Christus, Ursache des Falles und der Auferstehung vieler. Der heilige Paulus sagt in seinen Briefen: Wir sind der Wohlgeruch Christi, und dieser Geruch ist ein Geruch des Todes für die einen und ein Geruch des Lebens für die anderen (vgl. 2 Kor 2,15). So ist der Priester wie Christus ein Zeichen, dem widersprochen wird, ein Gegenstand des Widerspruchs. Christus ist gekommen, um das Schwert zu bringen, um die Menschen zu scheiden. Das Kriterium dieser Trennung ist deren Haltung zum Kreuz unseres Herrn, zu seinem Opfer, zu seinem Erlösungswerk, zum Vergießen seines Blutes.
Auch der Priester ist durch sein priesterliches Leben ein Zeichen des Widerspruchs, und das kann bis zum Opfer seiner selbst gehen. Das zeigt uns die ganze Kirchengeschichte: Die Seele und das Herz der heiligen Kirche sind durchbohrt – wegen dieses Widerspruches, wegen dieser Trennung, die Jesus Christus gebracht hat. So ist die Kirche Ursache der Auferstehung, der Erhebung der Seelen zu Gott, und sie ist gleichfalls auch Anlass zum Fall.
Darin besteht auch das priesterliche Leben. Der Priester hat den Auftrag, Christus zu folgen, Unserer Lieben Frau zu folgen, er muss in die Fußstapfen des Gekreuzigten und der Miterlöserin treten. Das ist ganz einfach das katholische Priestertum.
In diesen Ereignissen im Tempel bei der Darstellung Jesu berühren wir den tiefsten Grund der Apostasie der katholischen Nationen in der heutigen Zeit und der Krise, die die heilige Kirche durchmacht. Man will heutzutage nicht mehr Christus am Kreuz, man will nicht mehr ein Zeichen des Widerspruchs sein, man will heute keinen Kampf mehr, weder Leiden noch Verfolgung noch Opfer, weil man heute nicht mehr das Schwert sein will, das der Grund für den Fall und die Erhebung ist. Und weil man heute nicht mehr den Gekreuzigten und nicht das Kreuz will, darum predigt man heute nicht mehr die Wahrheit Christi, man bekennt nicht mehr Christus und seine Geheimnisse, wie er ist, in seiner ganzen Wahrheit. Aus diesem Mangel heraus erklären sich die heutigen neuen Ideologien des Ökumenismus und der Religionsfreiheit. Man bekennt nicht mehr die Geheimnisse Christi und Christus selbst, wie er ist, wie Simeon im Tempel es getan hat. Und weil man Christus nicht mehr predigt, wie man sollte, kann man ihn nicht mehr finden, nicht mehr schauen und erkennen, nicht empfangen und besitzen. Hier ist die ganze Krise der Kirche zusammengefasst.
Aber hier zeigt sich auch die Lösung, das Heilmittel für diese Krise: Es ist das katholische Priestertum in seiner ganzen Vitalität, Lebenskraft und Tiefe, in der Vereinigung mit unserem Herrn Jesus Christus. Das ist das Ideal, zu dem Sie berufen sind, liebe Seminaristen, und die Jahre im Seminar sind vor allem dazu da, dass Sie sich mit unserem Heiland vereinigen und ihn nachahmen.
Der heilige Bernhard sagt, dass die Darstellung im Tempel gleichsam das Morgenopfer Christi war. Bei diesem Anlass hat sich Christus in sichtbarer Weise Gott als Opfer dargebracht; unsichtbarer Weise hat er es von Anfang an, seit seiner Menschwerdung getan, wie der hl. Paulus sagt, aber hier nun in sichtbarer Weise, das Morgenopfer im Tempel, das Opfer seiner selbst. Das Abendopfer wird dann jenes sein, das er am Kreuz vollziehen wird.
Das tun auch Sie gewissermaßen, liebe Seminaristen, Sie bringen heute Ihr Morgenopfer dar, Ihre erste feierliche Darbringung, Ihre Weihe und Hingabe an Gott in der Hoffnung, dass Sie, wenn Sie einst das Priestertum empfangen werden, Gott Ihr Abendopfer darbringen.
Christus wollte diese seine erste Hingabe durch die Hände Mariens vollziehen, und er hat dann später auf dem Kalvarienberg sein Opfer auch in tiefster Vereinigung mit seiner heiligsten Mutter dargebracht. Das müssen auch Sie tun, liebe Seminaristen, liebe Priester: Nehmen Sie Maria ganz in Ihr Leben hinein, bitten Sie die Muttergottes, dass Sie jetzt dieses Opfer, diese Hingabe, diese Weihe in tiefer Weise mit ganzem Herzen vollziehen können, um dann Christus umso treuer und vollständiger in seinem Priestertum nachahmen zu können. Damit Sie später, genauso wie Ihr Meister, Licht der Welt und Salz der Erde sein können, dass Sie sozusagen wirklich wie ein Kanal seien, durch den das Leben und das Heil, die Heiligung und das Licht Christi strömen in die Herzen der Gläubigen.
Amen.
Die Predigt können Sie hier anhören.