Wo bleibt die Logik?
Der Priester - Alter Christus
Von Pater Stefan Pfluger
Mit großem Aufwand und riesigem Medienecho hat nach vielen aufwändigen Beratungen und Vorverhandlungen am vergangenen 1. Dezember der Synodale Weg begonnen. Im Vorfeld hatte das Was und Wie geklärt werden müssen. Die Zusammensetzung der Gremien und vor allem das jeweilige Mitbestimmungsrecht hatten definiert werden müssen.
Nun sind sie also unterwegs, zusammen unterwegs, wohlgemerkt, die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) – zwei interessante Partner.
Die Bischöfe sind die von Gott eingesetzten Hirten der einzelnen Bistümer mit einer ganz persönlichen Verantwortung vor Gott und den Menschen. Ihre Aufgabe ist es, den Gläubigen geistige und geistliche Nahrung zu geben (Priesteramt), sie im Glauben zu stärken und vor dem Irrtum zu bewahren (Lehramt), sowie ihnen die Richtung zu weisen (Hirtenamt), wozu als elementare Aufgabe das Eintreten für die katholische Morallehre gehört.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist ein Zusammenschluss von Laien, vor allem von Vertretern der Diözesanräte und der katholischen Verbände. Die Mitglieder des Zentralkomitees fassen ihre Entschlüsse in eigener Verantwortung und sind dabei von Beschlüssen anderer Gremien, also auch von der Bischofskonferenz unabhängig. Die Tatsache, dass sie sich mit dem Namen „Katholiken“ schmücken, hindert sie nicht, seit Jahren für eine Abschaffung des Zölibats einzutreten, für Frauen Zugang zu allen kirchlichen Ämtern zu fordern und für eine Aufweichung der kirchlichen Ehemoral zu plädieren, womit gemeint ist, man solle sogar gutheißen, was der Katechismus himmelschreiende Sünden nennt.
Die Interessen, welche das ZdK offensichtlich hat, und die, welche die Bischofskonferenz objektiv haben sollte, sind sehr unterschiedlich. Wie kann der Spagat des synodalen Wegs gelingen? Wer wird bereit sein, seinen Standpunkt aufzugeben oder mindestens aufzuweichen?
Es ist in dieser Hinsicht nicht gerade ermutigend, dass das ZdK zur Teilnahme am Synodalen Weg nur unter der Bedingung bereit war, dass Klerus und Laien „paritätisch“ verstreten seien und dass die gemeinsam gefassten Beschlüsse tatsächlich zwingend sein würden. Symptomatisch für das Amtsverständnis der Bischöfe ist das Ausbleiben eines allgemeinen Aufschreis über diese Forderung. Man hätte sich gewünscht, dass viele Bischöfe sich wie Rainer Kardinal Woelki die Umsetzung der Beschlüsse in der eigenen Diözese und nötigenfalls den Rückzug aus dem Synodalen Weg vorbehalten hätten. Für das, was in den einzelnen Diözesen geschieht, muss ja schließlich nicht das Präsidium des ZdK, sondern der Ortsbischof vor Gott geradestehen.
Anlass für den Synodalen Weg war, auch das ist bedeutend, die Veröffentlichung der MHG-Studie (Mannheim – Heidelberg – Gießen, wegen der beteiligten Forscher), einer Studie über den Missbrauch Minderjähriger durch Männer der Kirche. Sie soll angeblich aufzeigen, dass die Missbräuche im kirchlichen Umfeld nicht bloß Untaten kirchlicher Mitarbeiter sind, sondern dass die Ursachen dieser schrecklichen Taten im „System“ der Kirche verwurzelt sind. Besonders werden die Missbräuche mit dem kirchlichen Amt als Machtstruktur und mit dem Zölibat in Verbindung gebracht.
Wie „wissenschaftlich“ ist die MHG-Studie in Wahrheit? Wie logisch ist dies Art zu argumentieren?
Zur ersten Frage schreibt der bekannte Psychiater und Theologe Manfred Lütz: „Wer über Verhältnisse in der katholischen Kirche wissenschaftlich arbeitet, muss besonders darauf achten, nur als wissenschaftliche Ergebnisse auszugeben, was sich mit Daten seriös belegen lässt. Das ist in der MHG-Studie leider spektakulär misslungen. (…) Wer die ganze Studie dann liest, ist befremdet vom unwissenschaftlichen Stil weiter Passagen, von feuilletonistischen und anekdotischen Bemerkungen und vom fast vollständigen Mangel an wissenschaftlich-kritischer Diskussion der Ergebnisse.“
Wenden wir uns nun den hauptsächlichen Vorwürfen zu:
Das kirchliche Amt des Priesters oder Diakons, sagt man, führe zu einem Machtgefälle. Das werde dann ausgenutzt, um mit der ganzen „Autorität“ einen anvertrauten Minderjährigen dazu zu bringen, einen Übergriff zuzulassen. Folglich möchte man alles überwinden, was noch nach einer Vorrangstellung des geweihten Priesters aussieht, und hofft damit, die Grundlage für die Missbräuche zu eliminieren.
Zugegebenermaßen wird bei einem Missbrauch ein Autoritätsverhältnis ausgenutzt. Aber das bedeutet selbstverständlich noch nicht, dass Autorität grundsätzlich schlecht ist. Wenn man bedenkt, dass die meisten Missbräuche im Umfeld der Familie geschehen, müsste man mit derselben verdrehten Logik grundsätzlich das Autoritätsgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern für schlecht erklären. Das entspricht dem Denkmodell der 68er-Generation, wurde in den letzten 50 Jahren zu Genüge ausprobiert und ist grauenhaft gescheitert.
Aber nicht nur im kirchlichen Amt wird eine Ursache für die Missbräuche erblickt, sondern auch im Kleriker-Zölibat. Dieser wird als geradezu leibfeindliche Lebensform betrachtet, welche durch die Zurückdrängung des Geschlechtstriebs dazu führe, dass der Trieb immer stärker werde und schließlich zu übergriffigen Handlungen treibe. Eine solche Argumentation ist natürlich willkommen, weil man die Forderung der Reformatoren und ihrer Epigonen nach Abschaffung des Priesterzölibats nun „wissenschaftlich begründet“ wieder stellen kann.
Aber auch bei diesem Gedankengang bleibt der gesunde Menschenverstand auf der Strecke. Wenn ein Autofahrer durch eine Fußgängerzone rast und dabei Menschen tötet, würde es niemandem einfallen, ihn ernst zu nehmen, wenn er als Ausrede vorbringen würde, die vielen Geschwindigkeitsbegrenzungen hätten ihn zu sehr eingeengt, sein Bedürfnis nach hoher Geschwindigkeit habe sich dadurch so angestaut, dass er sich schließlich einfach nicht mehr beherrschen konnte. Aber wenn es um den Zölibat und die Missbräuche geht, ist man bereit, ähnlich inkohärent zu argumentieren.
Dass der Geschlechtstrieb durchaus beherrscht werden kann, zeigt nicht nur das Leben von vielen Heiligen, die ein jungfräuliches Leben geführt haben. Diese Beispiele zeigen aber auch, dass ein solches Leben nur möglich ist durch eine innige Gottverbundenheit, als ein Leben des Gebets und der Hingabe.
Wenn für jemanden der Zölibat nichts anderes ist als ein Heiratsverbot, wird er zur unerträglichen Last. Wenn er aber eine Lebensform ist, die sich ganz Christus angleicht und Gott mit der ausschließlichen und innigen Liebe hingibt, die Er verdient – dann ist der Zölibat etwas sehr Erfüllendes und Beglückendes.
Es ist lobenswert, dass die Bischöfe möglichst verlässlich zukünftige Missbrauchsfälle verhindern wollen. Viel zielführender als der Synodale Weg, bei dem grundlegende Punkte der kirchlichen Lehre und Moral in Frage gestellt werden, wäre es, die folgenden Punkte umzusetzen:
- Die Priester ihre Identität finden zu lassen, indem man, der Lehre der Hl. Schrift gemäß, das Priestertum als Anteilnahme am Priestertum Christi erkennt.
- Die Priesteramtskandidaten in erster Linie zu einem Leben des Gebets und der Hingabe heranführen. Sie verstehen lassen, dass Gott mit einer ausschließlichen Liebe geliebt zu werden verdient und dass in dieser Tatsache die eigentliche Begründung des Zölibats liegt.
- Nur Kandidaten zu den Weihen zulassen, welche den Primat der Innerlichkeit vor dem Apostolat verstanden haben. Christus im allerheiligsten Altarssakrament muss die Quelle der Spiritualität sein.
- Aufhören, sich über die traditionelle Moraltheologie lustig zu machen, die schon bewusst zugelassene oder gewollte Vorstellungen und Begierden gegen die Keuschheit als schwere Sünde bezeichnet. Wenn ein Priester schon im Bereich seiner Gedanken und Vorstellungen für moralische „Hygiene“ sorgt, kann er sicher sein, nie in Gefahr zu kommen, sich irgendwelche Übergriffe zu erlauben.