Wer sind diejenigen, die das nächste Konklave vorbereiten?
Bei einem Gespräch mit seinen jesuitischen Mitbrüdern in der Slowakei am 12. September 2021 hatte Papst Franziskus das verdächtige Verhalten einiger Prälaten während und nach seiner Operation am 4. Juli angeprangert. "Sie bereiteten das Konklave vor", sagte er. Die Enthüllung einer Art Verschwörung zur Vorbereitung seiner Nachfolge löste bei mehreren Kommentatoren Erstaunen aus, darunter auch bei Giovanni Butta, der am 28. September auf der Website von Aldo Maria Valli zitiert wurde. Dabei war man nicht so sehr über den Inhalt dieser Enthüllung, sondern vielmehr über denjenigen überrascht, der sie machte....
Wir erinnern uns nämlich daran, dass Kardinal Jorge Mario Bergoglio selbst von der wirksamen und diskreten Unterstützung progressiver Prälaten bei seiner Wahl profitiert hat. In diesem Zusammenhang sei auf das Buch Confession d'un cardinal [Jean-Claude Lattès, 2007] verwiesen, in dem Kardinal Achille Silvestrini (1923-2019) anonym zugibt, dass bereits zu Beginn des Pontifikats von Benedikt XVI. Treffen zur Vorbereitung seiner Nachfolge stattgefunden haben.
Die Biografie von Kardinal Godfried Danneels (1933-2019) [Karim Schelkens Jurgen Mettepenningen Godfried Danneels, Polis Verlag, Antwerpen, 2015], in der der belgische Prälat die Gruppe von Prälaten, die sich auf Initiative von Kardinal Silvestrini in der Schweizer Stadt St. Gallen trafen, als "St. Gallen-Mafia" bezeichnet, kann hier ebenfalls konsultiert werden.
Nicht unvorberereitet sein
Einen Monat nach dieser Enthüllung des Papstes über eine hypothetische "Verschwörung" räumte der Journalist Francesco Boezi in einem Artikel in Il Giornale vom 17. Oktober ohne Umstände ein, dass sich die Fraktionen innerhalb des Kardinalskollegiums bereits organisierten, "um nicht unvorbereitet zu sein, wenn die Sedisvakanz [die Vakanz des Apostolischen Stuhls] beginnt".
Der italienische Journalist beschreibt eine Wählerversammlung, die derzeit in drei große Strömungen unterteilt ist:
- die "bergoglianischen" Kardinäle, die "progressiv" sind und die Reform der Kirche fortsetzen wollen;
- die "ratzingerianischen" Kardinäle, die "konservativ" sind und die Kirche neu ausrichten wollen;
- und die "große Mitte", die die hohen Prälaten umfasst, die zwischen den beiden Fronten schwanken.
Francesco Boezi stellt fest, dass man die "Ratzingerianer" heute "an einer Hand abzählen" kann. Daher hält er die Wahl eines neuen Papstes mit konservativer Gesinnung für "völlig unwahrscheinlich". Im Falle einer großen Vorherrschaft des progressiven Clans, so der Journalist, gäbe es "viele Namen für das Papstamt", darunter den philippinischen Kardinal Antonio Tagle und den Deutschen Reinhard Marx.
Bergoglianer gegen Ratzingerianer
Die "Ratzingerianer", die sich nicht in der Lage sehen, einen ihrer Favoriten auf den Stuhl Petri zu bringen, könnten sich jedoch für eine andere Lösung entscheiden, die einer "Notlösung" nahekäme. Um die Wahl eines zu progressiven Pontifex zu verhindern, könnten sie sich mit der "großen Mitte" verbünden. Dies könnte die Wahl eines "gemäßigten" Papstes mit sich bringen.
Es ist jedoch beim nächsten Konsistorium - dessen Datum noch nicht bekannt ist, das aber mit Sicherheit stattfinden wird -, damit zu rechnen, dass neue Kardinäle das Kollegium der Wähler verstärken werden. Wie groß wird dann der Anteil der "großen Mitte" sein? "Vielleicht weniger, als die "Ratzingerianer" hoffen", schließt Francesco Boezi.
Die Operation Sant'Egidio
Sandro Magister - in seinem Blog Settimo Cielo vom 12. Oktober - sieht den Einfluss der Gemeinschaft Sant'Egidio bei der Wahl des Nachfolgers von Papst Franziskus als gewichtig an. Der Kandidat dieser progressiven Gemeinschaft - eifrige Organisatorin des interreligiösen Treffens in Assisi (27. Oktober 1986) und der nachfolgenden Treffen - ist Kardinal Matteo Zuppi, Erzbischof von Bologna.
Dieser Prälat steht, so Sandro Magister, "im Schatten von Andrea Riccardi, einem der Gründer der Gemeinschaft Sant'Egidio, die unbestreitbar die mächtigste katholische Lobbygruppe der letzten Jahrzehnte auf globaler Ebene ist. Riccardi wird in einem zukünftigen Konklave umso einflussreicher sein, da das Kollegium der wahlberechtigten Kardinäle - nach der schlechten Behandlung durch Papst Franziskus, sowohl bei den Ernennungen als auch bei der Nichteinberufung der Konsistorien - in Unordnung, die Gefühlslage ungewiss ist und es daher umso anfälliger für die Einflüsse von sowohl internem als auch externem Druck sein wird."
Ergebnisse fernsteuern
Laut dem römischen Vatikanisten "hatten die Männer von Sant'Egidio bereits bei den Konklaven von 1978, 2005 und 2013 versucht, die Ergebnisse fernzusteuern. Jedes Mal ohne Erfolg, aber immer mit der chamäleonartigen Fähigkeit, sich perfekt an jeden neuen Papst anzupassen, bis sie ihren Höhepunkt unter dem Pontifikat von Franziskus erreichten. Dieser hat nicht nur Zuppi zum Erzbischof von Bologna und zum Kardinal befördert, sondern auch Vincenzo Paglia an die Spitze des Instituts für das Leben und die Familie gesetzt, Matteo Bruni aus heiterem Himmel an die Spitze des vatikanischen Pressesaals geholt, und zuletzt hat er Agostino Giovagnoli und Milena Santerini zu Vizepräsidenten des gerade neu gegründeten Päpstlichen Theologischen Instituts Johannes Paul II. für Ehe- und Familienwissenschaften ernannt, wobei ersterer auch ein erbitterter Verfechter der derzeitigen katastrophalen päpstlichen China-Politik ist. "
Die Gemeinschaft Sant'Egidio hat nicht auf die aktuelle Pandemie gewartet, um mit Maske verkleidet voranzuschreiten. Sandro Magister enthüllt die Taktik ihrer Leiter: "Sich nicht öffentlich zu Themen zu äußern, die in der Kirche wirklich umstritten sind, insbesondere wenn sie grundlegende Punkte der Lehre betreffen, sondern in ruhigen Gewässern zu segeln, wo der Mediengewinn gesichert ist, wie bei Symposien für den Frieden und die Mutter Erde sowie bei karitativen Aktivitäten für die Armen.
Terrain halten
Wenn sie hingegen aufgrund ihrer Position nicht vermeiden können, Partei zu ergreifen, ist es ihre Regel, sich an das ,pastorale’ Terrain zu halten - das Terrain, das Papst Bergoglio so sehr liebt -, das es ihnen erlaubt, zu predigen und die unterschiedlichsten Lösungen auszuprobieren, vor allem, wenn sie dem Zeitgeist entsprechen, während sie in ihren Reden behaupten, dass die Lehre immer unverändert bleibt. Die verwirrenden Äußerungen von Bischof Paglia zur Sterbehilfe sind nur ein Beispiel von vielen, ebenso wie Kardinal Zuppis sibyllinisches Vorwort zur italienischen Ausgabe des Buches Building a bridge [Eine Brücke bauen. Englische Ausgabe Harper-Collins, 2018] des von Franziskus sehr geschätzten Jesuiten James Martin zur Unterstützung einer neuen Homosexuellenpastoral."
Sandro Magister behauptet, dass, wenn Kardinal Zuppi "gewählt würde, nicht er die Kirche regieren würde, sondern Andrea Riccardi, der allmächtige Gründer und Leiter dieser Gemeinschaft, in der nicht einmal das kleinste Blatt von einem Baum fällt, ohne dass er es beschlossen hat." Clever "weiß Riccardi, dass er, um das Rennen um die Nachfolge von Franziskus zu gewinnen, eine gewisse taktische Distanz zum derzeitigen Papst einnehmen muss, wie es die Physiologie eines jeden Pontifikatswechsels erfordert. Und das hat er bereits in seinem letzten Buch mit einer Analyse des aktuellen Zustands der Kirche getan, das schon im Titel, La Chiesa brucia [Die Kirche brennt. Editori Laterza, 2021], sehr kritisch ist, als ob er zu einem Kurswechsel aufrufen wollte, während er gleichzeitig sehr vage bleibt, was den neuen Weg angeht, als ob er niemanden verärgern wollte."
Der Vatikanist schließt vorsichtig: "Was den Erfolg der Operation angeht, so bleibt alles abzuwarten. Tatsächlich ist es eher unwahrscheinlich, dass es funktioniert, wenn erst einmal die Masken fallen."
Die "St. Gallen-Mafia"
Um einen Einblick in die laufenden Verhandlungen zu erhalten, ist es hilfreich, sich auf Julia Melonis in den USA gerade erschienenes Buch The St. Gallen Mafia [Die St. Gallen-Mafia. TAN Books, 2021] zu beziehen.
Der Historiker Roberto de Mattei schreibt in der Correspondence européenne [Europäische Korrespondenz] vom 10. November, dass "wer verstehen will, was sich hinter der Synode über die Synodalität verbirgt, die am 10. Oktober von Papst Franziskus eröffnet wurde, nicht umhinkann, dieses Buch zu lesen". Der italienische Wissenschaftler erinnert sich: "St. Gallen ist eine kleine Schweizer Stadt. Im Jahr 1996 hatte sie Bischof Ivo Fürer, der bis zum Jahr zuvor Generalsekretär des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen gewesen war, als Bischof. Gemeinsam mit Kardinal Carlo Maria Martini (1927-2012) beschloss Bischof Fürer, eine Gruppe von Prälaten einzuladen, um einen Arbeitsplan für die Kirche der Zukunft zu erstellen. Diese Gruppe traf sich zehn Jahre lang, von 1996 bis 2006.
Schlüsselfiguren
Neben Kardinal Martini waren die Schlüsselfiguren: Walter Kasper, Bischof von Rottenburg-Stuttgart, und Karl Lehmann (1936- 2018), Bischof von Mainz, die beide den Kardinalspurpur erhalten sollten. Anschließend wurden zwei zukünftige Kardinäle hinzugewählt: Godfried Danneels (1933-2019), Erzbischof von
Mechelen-Brüssel, und Cormac MurphyO'Connor (1932-2017), Erzbischof von Westminster. "Der Kurienkardinal Achille Silvestrini (1923-2019) schloss sich ihnen im Jahr 2003 an. Dank ihm wurde die St. Gallen-Gruppe zu einer mächtigen Lobbygruppe, die Einfluss auf die Wahl eines Papstes nehmen konnte. Einige Tage nach der Beerdigung von Johannes Paul II. traf sich die "St. Gallen-Mafia" in der Villa Nazareth in Rom, um sich auf einen Aktionsplan für das bevorstehende Konklave zu einigen".
Über die Vorgänge beim Konklave, das am 19. April 2005 Benedikt XVI. wählte, erfährt man Folgendes: "Kardinal Murphy-O'Connor war mit Kardinal Jorge Mario Bergoglio, dem Erzbischof von Buenos Aires, verbunden und stellte ihn der Gruppe als möglichen Anti-RatzingerKandidaten vor. Die ,Mafia’ stimmte für Bergoglio, doch Kardinal Martini äußerte ernsthafte Bedenken gegen die Kandidatur des argentinischen Kardinals, unter anderem aufgrund von Informationen, die er aus dem Inneren der Gesellschaft Jesu erhalten hatte. Als beim Konklave 2005 die Niederlage Bergoglios feststand, war Martini womöglich erleichtert, als er Kardinal Ratzinger mitteilte, dass er ihm seine Stimmen zur Verfügung stellen würde.
Die St. Gallen-Gruppe hielt 2006 ein letztes Treffen ab, doch Martini und Silvestrini übten weiterhin einen starken Einfluss auf das neue Pontifikat aus. 2012 sprach Kardinal Kasper von einem ,southerly wind’, einem ,Südwind’, der in der Kirche wehe, und es ist kein Zufall, dass Papst Franziskus am 17. März 2013, wenige Tage nach seiner Wahl, Kasper als einen seiner Lieblingsautoren nannte und ihn mit der Aufgabe betraute, das außerordentliche Konsistorium über die Familie im Februar 2014 zu eröffnen."
Spezielles Programm
Von der Corrispondenza romana am 10. November befragt, bringt Julia Meloni interessante Erkenntnisse über die verdächtige geheime St. Gallen-Zusammenkunft: "Der kürzlich verstorbene Erzbischof von Mechelen-Brüssel, Kardinal Godfried Danneels, ein Mitglied der St. Gallen-Gruppe, beschrieb sie als eine 'Mafia’. In der Alltagssprache wird der Begriff ,Mafia’ als eine kriminelle Organisation gehandelt. Die Selbstbezeichnung der Gruppe als ,Mafia’ ist sicherlich eine kuriose und aufschlussreiche Wahl. Sie verabredeten ohne Zweifel heimlich eine Revolution in der Kirche, ein spezielles Programm, das mit Kaspers Vorschlag begann, Geschiedenen und zivil wiederverheirateten Personen die Kommunion zu reichen. Wir haben zahlreiche Beweise dafür, dass Martini und andere dieses Programm über viele Jahre hinweg abgefasst haben. Was die Art und Weise seiner Umsetzung betrifft, ist klar, dass es eine bestimmte Person ist, die das Programm der Mafia umgesetzt hat: Bergoglio.
Es ist daher bezeichnend, dass beispielsweise Papst Franziskus wenige Tage nach seiner Wahl speziell Kardinal Walter Kasper lobte1 und damit den alten Plan der Mafia in Gang setzte, um dessen Vorschlag zu verwirklichen."
Subversiver Plan
In Bezug auf eine Übereinstimmung zwischen dem subversiven Plan von St. Gallen [vor allem die ultra-progressiven Ideen von Kardinal Martini] und den Handlungen von Papst Franziskus [insbesondere in Amoris lætitia] behauptet Julia Meloni : "Der Historiker Roberto de Mattei hat überzeugend dargelegt, dass die Wesenszüge von Amoris laetitia in Martinis ,letztem Testament’ enthalten sind, dem letzten Interview, das er [am 8. August 2012] gegeben hat und das [am 1. September] unmittelbar nach seinem Tod im Jahr 2012 [am 31. August] veröffentlicht wurde. In diesem Testament sprach Martini speziell davon, zivil
wiederverheirateten Geschiedenen die Sakramente zu spenden, und nahm damit die Übernahme von Kaspers Vorschlag in den Familiensynoden und später in Amoris lætitia vorweg.
In einem Interview im Jahr 2009 hatte Martini angedeutet, dass die Prioritäten der Revolution in der Kirche in dieser Reihenfolge sein würden: die Scheidung, der Priesterzölibat und die Beziehung zwischen der kirchlichen Hierarchie und der Politik. Zwei dieser Fragen sind gelöst oder zumindest im Begriff, gelöst zu werden - die Scheidung und die Beziehung zwischen Kirche und Politik -, indem vom unveränderlichen Lehramt der Kirche abgewichen wird. Das jüngste Treffen zwischen Papst Bergoglio und Präsident Biden ist ein klarer Beweis dafür. Was steht noch aus, um dieses Drei-PunkteProgramm plangemäß zu vollenden?"
Julia Meloni schließt: "Obgleich die meisten Mitglieder der Mafia tot sind, mit der bemerkenswerten Ausnahme von Kardinal Kasper, leben ihre Ideen in vielen ihrer Weggefährten und Schülern weiter. Wenn die Mafia derzeit auch nicht mehr heimlich hinter den Kulissen tagt, bleibt ihr Geist doch im Tageslicht, zumal Papst Franziskus viele der Kardinäle ernannt hat, die seinen Nachfolger wählen werden."
Dici, Nr. 415