Wann werden Sakramente gültig gespendet?
Von Pater Matthias Gaudron
1. Die sakramentale Materie
Die Kirchenkrise versetzt uns immer wieder in die Lage, ein Urteil über die Gültigkeit eines im nachkonziliaren Raum der Kirche gespendeten Sakraments fällen zu müssen. Angesichts der „Kreativität“ mancher moderner Priester, aber auch aufgrund ihrer Sorglosigkeit oder mangelhaften Ausbildung kann man leider nicht mehr ohne weiteres davon ausgehen, dass ein in der offiziellen Kirche gespendetes Sakrament sicher gültig ist.
Glücklicherweise können wir hier auf eine entfaltete kirchliche Sakramentenlehre zurückgreifen. Die Kirche hat sich fast von Anfang an mit den Fragen um die gültige Sakramentenspendung beschäftigen müssen, da es immer wieder geschah, dass Gläubige, die in einer schismatischen oder häretischen Gemeinschaft die Sakramente empfangen hatten, zur Kirche zurückkehrten und man nun entscheiden musste, ob diese Sakramente zu wiederholen seien. Außerdem kam es zu gewissen Zeiten und in manchen Gegenden auch vor, dass schlecht ausgebildete, unwissende Priester die Sakramente verwalteten und sich hier ebenfalls die Frage nach der Gültigkeit der von ihnen gespendeten Sakramente stellte.
Die Kirche hat im Laufe der Jahrhunderte die meisten dieser Fragen entschieden, so dass wir es heute relativ leicht haben, in einem konkreten Fall zu beurteilen, ob ein Sakrament ungültig gespendet wurde oder es zumindest einen echten Zweifel an dessen Gültigkeit gibt.
Das sakramentale Zeichen
Die Sakramente bestehen meist aus einem materiellen Zeichen, zu dem noch die Worte der sakramentalen Form hinzukommen müssen. Diese kurzen Zeremonien bilden den wesentlichen Kern eines Sakraments, der allein zur Gültigkeit erforderlich ist. Die übrigen Gebete und Zeremonien, die dieses sakramentale Zeichen umgeben, sind von der Kirche eingesetzt worden und dienen der Vorbereitung der Seele für einen fruchtbaren Empfang. Sie deuten das Sakrament auch aus. Da sie aber nicht zur Gültigkeit des Sakraments erforderlich sind, begründen ein Wegfall oder eine Änderung in diesem Bereich normalerweise keinen Zweifel an der Gültigkeit eines Sakraments. Es hat darum kein Fundament in der Lehre der Kirche, wenn manche die alten Opferungsgebete zur Gültigkeitsbedingung für die Messe machen wollen oder mit dem Wegfall der Zeremonie, die im Priesterweiheritus die Übertragung der Beichtvollmacht ausdrückt, die Ungültigkeit der neuen Priesterweihe begründen wollen.
Die das sakramentale Zeichen umgebenden Gebete könnten nur dann zu einem Zweifel an der Gültigkeit eines Sakraments führen, wenn in ihnen zum Ausdruck käme, dass hier etwas ganz anderes als ein christliches Sakrament gespendet werden sollte. Würden z. B. die Gebete, die die Wandlung der Messe umgeben, zum Ausdruck bringen, dass es sich bei der Gegenwart Christi um eine rein symbolische Gegenwart handle, oder würden die Gebete bei der Taufe zeigen, dass hier etwas ganz anderes getan werden solle, als was die Christen sonst tun, wenn sie taufen, dann könnte ein solches Sakrament trotz der rechten Materie und Form zweifelhaft oder ungültig sein.
Nach der Lehre der Kirche wird ein Sakrament immer dann gültig gespendet, wenn der bevollmächtigte Spender Materie und Form des Sakraments in der rechten Weise anwendet und dabei wenigstens die Intention hat zu tun, was die Kirche tut. So lehren es die Konzilien von Konstanz, Florenz und Trient. Wir werden diese Punkte im Einzelnen betrachten müssen.
Die sakramentale Materie im Einzelnen
Die Materie der Taufe ist natürliches Wasser. Für die Spendung der feierlichen Taufe ist das in der Osternacht geweihte Taufwasser vorgeschrieben, aber jedes andere Wasser ist ebenfalls gültige Materie, also z. B. Leitungswasser, Brunnenwasser, Regenwasser oder Meerwasser. Andere Flüssigkeiten sind dagegen zweifelhafte oder ungültige Materie, auch wenn sie zu über 90% aus Wasser bestehen. Wird man einen dünnen Kräutertee vielleicht noch als „Wasser“ gelten lassen können, so sind Kaffee, Milch, Wein usw. für die Spendung der Taufe nicht geeignet.
Das Taufwasser muss wenigstens den Kopf des Täuflings abwaschen, wobei auch ein Übergießen oder Untertauchen des ganzen Körpers mögliche Formen der Taufspendung sind. Eine Taufe allein der Hände, wie ich sie in einem Video aus einer Pfarrei der Diözese München einmal gesehen habe, ist dagegen eine zweifelhafte Taufe. Eine solche Taufe müsste wenigstens bedingungsweise wiederholt werden. Zweifelhaft ist die Taufe auch, wenn der Taufspender dem Täufling nur mit dem feuchten Daumen ein Kreuz auf die Stirn macht oder mit der nassen Hand in Richtung des Täuflings schnippt, wie es in manchen protestantischen Gemeinschaften üblich ist, denn es ist doch fraglich, ob das noch eine Abwaschung ist.
Bei der Firmung besteht die Materie in der Handauflegung des Bischofs, die mit einer Salbung der Stirn mit Öl (Chrisam) verbunden ist. Ob die Salbung mit Öl zur Gültigkeit der Firmung erforderlich ist, ist eine der Fragen, die das Lehramt noch nicht endgültig geklärt hat. Da die Heilige Schrift bei den Firmungen der Apostel nur die Handauflegung erwähnt (Apg 8,14 ff. 19,1 ff.), meinen manche Theologen, nur die Handauflegung des Bischofs sei zur Gültigkeit des Sakraments erforderlich. Andererseits ist die Chrisam-Salbung in der gesamten Kirche verbreitet, auch bei den orientalischen Riten, was schwer erklärlich wäre, wenn diese Salbung erst später eingesetzt worden wäre. Eine Firmung ohne die Salbung müsste demnach als zwar nicht sicher ungültig, aber doch als zweifelhaft angesehen werden. Deshalb wäre sie wenigstens bedingungsweise zu wiederholen.
Die Materie der Eucharistie besteht in Weizenbrot und Traubenwein, denn mit diesen Elementen hat Christus das Sakrament beim letzten Abendmahl eingesetzt. Welche Art von Weizen verwendet wird, spielt keine Rolle, aber Brot aus anderen Getreidearten ist keine gültige Materie. Im Jahr 2004 wurde berichtet, dass ein Priester in der nordamerikanischen Diözese Trenton einem an Zöliakie leidenden Mädchen zum Ersatz eine Reiswaffel gegeben hatte, was der Bischof aber glücklicherweise für ungültig erklärte. Gläubige, die an Zöliakie leiden und den Eiweißkleber Gluten nicht vertragen, dürfen unter der Gestalt des Weines kommunizieren. Möglich ist auch der Gebrauch von Hostien, die nur sehr wenig Gluten enthalten, da dieses durch spezielle Verfahren ausgeschwemmt wurde.
Ob das Brot ungesäuert oder gesäuert ist, spielt dagegen für die Gültigkeit keine Rolle. Da Christus beim letzten Abendmahl ungesäuertes Brot verwendet hat, hält die lateinische Kirche sich seit vielen Jahrhunderten an diesen Brauch. Die Orientalen konsekrieren dagegen meist mit gesäuerten Broten. Jeder Priester muss sich an seinen Ritus handeln.
Der Wein muss ein natürlicher Traubenwein sein. Obstweine aus anderen Früchten oder künstlich hergestellter Wein sind keine gültige Materie. Dagegen ist Traubensaft, bei dem die Gärung begonnen hat, bereits gültige Materie. Alkoholkranke Priester können damit die Messe feiern, nicht aber mit Wasser, was offenbar bisweilen geschieht.
Beim Sakrament der Krankenölung besteht die Materie in dem vom Bischof am Gründonnerstag geweihten Krankenöl. Mit ihm werden die fünf Sinne des Kranken gesalbt, also die Augen, die Ohren, die Nase, der Mund, die Hände und Füße. Die Salbung der Füße darf ausfallen, und im Notfall (z. B. an einem Unfallort) genügt eine einzige Salbung, die dann normalerweise auf die Stirn gemacht wird.
Das Sakrament der Priesterweihe kann in drei Stufen übertragen werden, nämlich als Diakonen-, Priester- und Bischofsweihe. Bei jedem dieser drei Weihegrade ist allein die Handauflegung des Bischofs die zur Gültigkeit erforderliche Materie. Da der Bischof bei der Priesterweihe seine Hand weiter ausgestreckt hält, während die anwesenden Priester die Hände auflegen, und es auch am Ende der Weihezeremonie nochmals eine Handauflegung gibt, mit der die Erteilung der Beichtvollmacht bezeichnet wird, erklärte Pius XII., die Materie sei nur „die erste Auflegung der Hände des Bischofs, die schweigend geschieht, nicht aber die Fortsetzung ebendieser Auflegung durch die Ausstreckung der rechten Hand“ (DH 3860).
Bei Beichte und Ehe gibt es keine Materie im eigentlichen Sinn. Aber bei der Beichte muss der Priester die Worte der Absolution doch mit dem Mund aussprechen. Würde er sie nur im Geiste beten, käme das Sakrament nicht zustande. Bei der Ehe muss der gegenseitige Wille der Brautleute, die Ehe zu schließen, durch Worte oder sonstige Zeichen äußerlich zum Ausdruck kommen.
Welches Öl ist gültige Materie?
Die Änderungen, die nach dem Zweiten Vatikantischen Konzil in den Riten der Sakramente vorgenommen wurden, haben im Allgemeinen nichts an der sakramentalen Materie geändert. Verfehlungen in diesem Bereich gehen meist auf das Konto der Kreativität von Priestern und Liturgieräten. Ein Problem gibt es aber bei den hl. Ölen:
Vor dem Konzil war es die allgemeine Meinung der Theologen, dass nur Olivenöl für die gültige Spendung von Firmung und Krankenölung geeignet sei. Zwar spricht der Jakobusbrief nur von einer Salbung mit Öl (Jak 5,14), aber im Hl. Land und im ganzen vorderen Orient war damit immer Olivenöl gemeint. Auch das Konzil von Trient spricht zwar nur von dem „vom Bischof gesegneten Öl“ (DH 1695), aber es gibt keinen Hinweis darauf, dass das Konzil darunter etwas anderes als Olivenöl verstanden hätte. Sogar Paul VI. schrieb in seiner Apostolischen Konstitution Sacram Unctionem Infirmorum, dass Olivenöl „bisher zur gültigen Spendung des Sakramentes vorgeschrieben war“.
Trotzdem wurde 1970 durch das Dekret der Gottesdienstkongregation Ordo benedicendi olea et conficiendi chrisma die Erlaubnis gegeben, auch ein anderes Pflanzenöl zu verwenden, und zwar ohne jede Begründung, wieso das nun möglich sei. Erst zwei Jahre später schrieb Paul VI. in der erwähnten Apostolischen Konstitution: „Da das Olivenöl, das bisher zur gültigen Spendung des Sakramentes vorgeschrieben war, in einigen Gegenden nicht vorhanden oder nur schwer zu beschaffen ist, haben wir auf Bitten zahlreicher Bischöfe verordnet, dass in Zukunft den Umständen entsprechend auch anderes Öl verwandt werden kann, das jedoch aus Pflanzen gewonnen worden ist, d. h. dem Olivenöl möglichst ähnlich ist.“ Diese Begründung ist einigermaßen erstaunlich, denn es war noch nie so einfach wie heute, Olivenöl in alle Teile der Welt zu bringen, während man in früheren Zeiten, in denen das tatsächlich nicht immer einfach war, diese Erlaubnis nicht gegeben hat.
Gemäß verschiedenen Aussagen des Lehramts hat die Kirche keine Gewalt über die „Substanz der Sakramente“. Sie kann zwar die das sakramentale Zeichen umgebenden Gebete und Riten ändern, nicht aber die Materie und den Sinn der wesentlichen Worte. So hat die Kirche z. B. keine Vollmacht, zu erklären, in Zukunft könne man die Taufe auch mit Milch oder die Messe mit Maisbrot und Apfelwein feiern. Paul VI. schien davon auszugehen, dass die Notwendigkeit des Olivenöls allein auf eine kirchliche Bestimmung zurückgehe und nicht auf die Einsetzung Christi, aber das ist gar nicht sicher.
Erzbischof Lefebvre war darum der Meinung, dass eine nicht mit Olivenöl gespendete Firmung oder Krankenölung zweifelhaft sei, und diesem Urteil kann man nur zustimmen. Allerdings scheint wenigstens in Europa meist weiterhin Olivenöl verwendet zu werden, aber das wäre im Einzelfall zu prüfen.