Wahrer Gott und wahrer Mensch - 4. Die wahre Gottheit Christi

Quelle: Distrikt Deutschland

Das zentrale christliche Glaubensgeheimnis besagt, dass Jesus Christus nicht nur ein hervorragender Mensch oder gottbegnadeter Prophet war, sondern dass in ihm wahrhaft eine göttliche Person Mensch geworden ist. Die deutlichsten Aussagen für diese Wahrheit finden sich bei den Aposteln Johannes und Paulus, aber auch die synoptischen Evangelien bringen die Gottheit Jesu deutlich genug zum Ausdruck.

Die Logoslehre des Johannes

Johannes beginnt sein Evangelium mit den Worten: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ Das Wort bzw. der Logos war also im Anfang, er wurde nicht wie die übrigen Geschöpfe. Er war bei Gott und ist doch selber Gott, er ist also eine eigene Person, die von der ersten göttlichen Person, dem Vater, unterschieden ist.

Die Mohammedaner setzen der christlichen Lehre bisweilen entgegen: Wenn Gott einen Sohn hat, muss er auch eine Frau haben. Der hl. Johannes stellt aber durch seine Bezeichnung des Sohnes als Wort/Logos klar, dass der Sohn durch eine geistige Zeugung aus dem Vater hervorgeht, ähnlich wie ein geistiges Wort oder ein Begriff, den wir in unserem Geist fassen, wenn wir etwas erkennen. So erkennt Gottvater sein eigenes unendliches Wesen und spricht es aus in einem Wort. In Gott ist dieses Wort wieder eine göttliche Person, die aber im Vater verbleibt: „Erkennt, dass der Vater in mir ist und ich im Vater bin“ (Joh 10,38). Bei uns sind Vater und Sohn zwei Menschen, dort aber sind Vater und Sohn nicht zwei Götter, sondern zwei Personen, die dasselbe göttliche Wesen besitzen.

„Alles ist durch dieses geworden, und ohne es ward auch nicht eines von dem, was geworden ist“, sagt Johannes weiter. Wenn wirklich alles durch das Wort geschaffen wurde, kann das göttliche Wort nicht selber geschaffen sein.

Johannes schildert in seinem Evangelium dann auch, wie Jesus in seinem öffentlichen Wirken den Anspruch erhob, Gott gleich zu sein. Er betont auch, wie die Juden durchaus verstanden, dass Jesus sich nicht nur als Kind Gottes in dem Sinn betrachtete, in dem wir alle Kinder Gottes sind, wenn er Gott seinen Vater nannte, denn sie suchten ihn zu töten, weil er „Gott seinen eigenen Vater nannte und sich damit Gott gleichmachte“ (Joh 5,18).

In einer feierlichen Selbstoffenbarung im Tempel sagt Jesus: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ehe Abraham ward, bin ich“ (Joh 8,58). Abraham wurde, Jesus ist. Er steht also außerhalb der Zeit. Hier liegt sicherlich eine Anspielung auf die Selbstoffenbarung Gottes in Ex 3,14 vor („Ich bin der ich bin“). Jesus beansprucht hier also nicht nur eine Existenz schon vor Abraham, sondern das zeitlose göttliche Sein. Die Juden wollen daraufhin dann auch sofort die Steinigung – die Strafe für Gotteslästerung – vollziehen.

Beim Tempelweihfest bekennt Jesus seine Einheit mit dem Vater: „Ich und der Vater sind eins“, nämlich in der göttlichen Natur. Seine Zuhörer wollen ihn daraufhin wiederum steinigen, „wegen der Lästerung, weil du, der du ein Mensch bist, dich selbst zu Gott machst“ (Joh 10,30. 31).

Johannes schildert schließlich, wie der Apostel Thomas nach der Auferstehung Jesus ausdrücklich als Gott bekennt: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28).

Das Zeugnis des hl. Paulus

Gott hat nach dem Zeugnis des hl. Paulus „seinen eigenen Sohn nicht geschont, sondern ihn für uns alle dahingegeben“ (Röm 8,32). Wir anderen haben dagegen nur die „Annahme an Kindes Statt empfangen“ (Gal 4,5), sind also Adoptivkinder. Christus ist der „Herr der Herrlichkeit“ (1 Kor 2,8), „in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ (Kol 2,9). Auch Paulus betont, dass „alles durch ihn [ist] und auf ihn hin erschaffen wurde“ (Kol 1,16). Die Menschwerdung war eine Selbsterniedrigung für ihn, denn er war „in der Gestalt Gottes“ und „Gott gleich“ (Phil 2,6).

Ausdrücklich nennt Paulus Jesus „Gott“, wenn er schreibt, wir lebten in der Erwartung „des Erscheinens unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus in Herrlichkeit“ (Tit 2,13). Hier wird nicht die Ankunft von zwei Personen erwartet – von Gott und Christus –, denn am Ende der Welt wird Christus zum Gericht erscheinen, nicht aber der Vater.

Das gesamte erste Kapitel des Hebräerbriefs ist sodann ein Beweis der Gottheit Christi.[1] Zunächst sagt der Brief, dass Gott am Anfang durch die Propheten zu den Menschen gesprochen habe, dann aber „durch den Sohn …, durch den er auch die Welt erschaffen hat“ (V. 2). Dieser ist „das Abbild seines Wesens und trägt das All durch sein machtvolles Wort“ (V. 3). Dann zeigt der Verfasser die Erhabenheit Christi über die Engel, indem er Schrifttexte, die im Alten Testament von Gott ausgesagt wurden, auf Christus anwendet: „Als er aber den Erstgeborenen wieder in die Welt einführt, sagt er: ‚Und niederwerfen sollen sich vor ihm alle Engel Gottes.‘ … Vom Sohn heißt es: ‚Dein Thron, o Gott, steht immer und ewig, und das Zepter der Gerechtigkeit ist das Zepter Deines Reiches. Du liebst die Gerechtigkeit und hasst die Gesetzlosigkeit, darum hat Dich, o Gott, Dein Gott mit Freudenöl gesalbt wie keinen Deiner Gefährten‘; und: ‚Du hast, o Herr, im Anfang die Erde gegründet, und die Himmel sind das Werk Deiner Hände; sie werden vergehen, Du aber bleibst …‘“ (V. 6–11).

Die synoptischen Evangelien

Wenn sich in den synoptischen Evangelien auch keine ebenso klaren Aussagen für die Gottheit Christi finden, so kommt diese doch auch hier mit genügender Klarheit zum Ausdruck. So schildern sie zunächst, wie Jesus sich als größer als der Prophet Jonas und der König Salomon bezeichnet (Mt 12,41 f.). In der Bergpredigt zeigt sich Christus als höchster Gesetzgeber, der das alte Gesetz, das doch von Gott durch Moses gegeben war, vertieft und vollendet (Mt 5,21 f. 27 f.). Er bezeichnet sich auch als Herrn über den Sabbat (Mt 12,8) und verbietet die Ehescheidung, die Moses zugelassen hatte (Mk 10,2–12).

Christus vergibt Sünden, was eine göttliche Vollmacht ist, wie seine Gegner betonen: „Er lästert. Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?“ (Mk 2,7) Überhaupt wirkt er Wunder in seinem eigenen Namen, durch einen einfachen Befehl: „Ich sage dir: Steh auf!“ (Mk 2,11) Er fährt den Sturm und die See an: „Schweig, verstumme!“ (Mk 4,39) Die Apostel betonen dagegen, dass nicht sie es sind, die die Wunder wirken: „Was blickt ihr auf uns, als hätten wir mit eigener Kraft oder Frömmigkeit bewirkt, dass dieser umhergeht?“ (Apg 3,12)

Jesus verlangt Glaube, Gehorsam und Liebe bis zur Selbstverleugnung, ja bis zum Opfer des Lebens: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert. Und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert. Wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt und mir nicht nachfolgt, ist meiner nicht wert. Wer sein Leben gewinnt, wird es verlieren; und wer sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen“ (Mt 10, 37–39). So dürfte kein bloßer Mensch und überhaupt kein Geschöpf sprechen.

Im Gleichnis von den bösen Winzern wird dann auch ein deutlicher Unterschied zwischen den Knechten und dem Sohn gemacht. Zuerst sendet der Herr seine Knechte, worunter die Propheten zu verstehen sind. Als diese keinen Erfolg haben, sondern misshandelt und sogar getötet werden, heißt es: „Einen hatte er noch, seinen geliebten Sohn“ (Mk 12,6). Jesus ist also nicht bloß ein neuer Prophet, sondern steht über den Propheten, wie der leibliche Sohn eines Gutsherrn über den Knechten steht.

Wenn Jesus als „Sohn Gottes“ angesprochen wird – z. B. von den Dämonen aus dem Mund Besessener: „Du bist der Sohn Gottes“ (Mk 3,11) –, muss das zwar nicht unbedingt immer ein Bekenntnis seiner Gottheit sein, da es zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass die Anrede „Sohn Gottes“ hier mit „Messias“ gleichbedeutend ist; aber an einigen Stellen geht der Sinn sicher darüber hinaus. Wenn nämlich Petrus zu Jesus sagt: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“, wäre die Antwort Jesu: „Selig bist du, Simon Bar Jona, denn nicht Fleisch und Blut haben dir das geoffenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist“ (Mt 16,16 f.), ganz unpassend, wenn Petrus hier nichts weiter als die Messianität Christi gemeint hätte. Denn dass Jesus der Messias sei, glaubten die Apostel von Anfang an, und deshalb folgten sie ihm nach.

Auch aus den Worten: „Alles ist mir übergeben von meinem Vater. Niemand kennt den Sohn als der Vater; und auch den Vater kennt niemand als der Sohn und wem der Sohn es offenbaren will“ (Mt 11,27) folgt mehr als die Messianität Jesu. Aus dem gegenseitigen Kennen von Vater und Sohn folgt vielmehr ihre Wesensgleichheit, denn kein bloßer Mensch erkennt Gott so, wie er von ihm erkannt wird, und aus den Worten „wem der Sohn es offenbaren will“ folgt zudem, dass der Sohn der Weg zum Vater ist.

Schließlich zeigt der Taufbefehl die Gleichheit der drei göttlichen Personen: „Geht hin und macht alle Völker zu Jüngern, indem ihr sie tauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). Vater, Sohn und Hl. Geist werden hier auf eine Stufe gestellt, und in dem Singular „auf den Namen“ (statt „auf die Namen“) sehen schon die Kirchenväter zu Recht die Einheit des göttlichen Wesens angedeutet.

Wenn Christus von seiner Gottheit oft nicht klar und deutlich, sondern eher verhüllt gesprochen hat, soll uns das nicht wundern. Die Menschen mussten erst langsam auf die klare Offenbarung seiner Gottheit vorbereitet werden. Dass Gott nur einer ist, aber trotzdem in drei Personen lebt, ist schließlich das größte Geheimnis des Glaubens. Es entspricht zudem der Art Gottes, uns die Wahrheit suchen zu lassen. Wir sollen uns um die Erkenntnis der Wahrheit bemühen und bekommen daher nicht immer alles fertig vorgesetzt.

Wer die Hl. Schrift aber ernstnimmt, wird sich der neutestamentlichen Botschaft nicht verschließen können: In Jesus Christus ist Gott selbst sichtbar unter den Menschen erschienen und hat mit ihnen über dreißig Jahre lang gelebt.

 

Anmerkungen

[1] Wir sehen hier von der Frage ab, ob der Hebräerbrief von Paulus selbst verfasst wurde oder von einem seiner Schüler, wie viele katholische Exegeten meinen. Er ist auf jeden Fall ein neutestamentlicher, vom Hl. Geist inspirierter Brief.