Vorboten des großen Sonnenwunders von Fatima

Quelle: Distrikt Deutschland

Von Pater Karl Stehlin[1]

Bereits in der Morgendämmerung des 13. September waren alle Straßen, die nach Fatima führten, voller Menschen. Um die Mittagszeit warteten ungefähr 30 000 Personen auf die Erscheinung. Lucia war sehr beeindruckt von der Einfachheit des Glaubens und der Großherzigkeit der Menschen, die von weit her kamen, um Unsere Liebe Frau um Gnaden zu bitten, oder einfach, um ihr die Ehre zu geben und ihre Botschaft zu hören. In der Cova da Iria angekommen, begann Lucia mit allen den Ro­senkranz zu beten.

 

 

Dieses Mal sahen viele von ihnen deutliche Zeichen der Ankunft Unserer Lieben Frau. Ein Priester berichtet: „Mit großem Erstaunen sah ich klar eine leuchtende Kugel, die sich von Osten nach Westen bewegte und langsam und majestätisch durch die Luft schwebte. Meine Freunde schauten ebenfalls auf und hatten das Glück, die gleiche unerwartete und wunderbare Vision zu erleben. Plötzlich verschwand die Kugel mit ihrem außerordentlichen Licht. Dann ließ die Helligkeit der Sonne nach und die ganze Umgebung wurde goldgelb.“

Die Worte Unserer Lieben Frau am 13. September 1917

„Betet weiterhin den Rosenkranz, um das Ende des Krieges zu erbitten.

Im Oktober wird unser Herr kommen, ebenso Unsere Liebe Frau von den Schmerzen und Unsere Liebe Frau vom Berge Karmel. Auch der heilige Joseph wird mit dem Jesuskind erscheinen, um die Welt zu segnen.

Gott ist zufrieden mit euren Opfern. Er möchte aber nicht, dass ihr mit einem Strick schlaft, tragt ihn nur tagsüber.“

Auf die Bitte um Heilung von Kranken antwortete sie:

„Ja, ich werde einige heilen, andere aber nicht, denn unser Herr vertraut ihnen nicht.“

„Die Menschen möchten gerne eine Kapelle hier haben.“

„Von der Hälfte des Geldes lasst Traggestelle anfertigen, die am Fest Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz in einer Prozession getragen werden sollen; die andere Hälfte ist für die Kapelle.“

„Im Oktober werde ich ein Wunder wirken, sodass alle glauben können.“

Dann begann sich Unsere Liebe Frau wie üblich zu erheben und entschwand.

Während der Erscheinung sahen die Pilger ein wunderbares Schauspiel

Sie sahen einen Regen weißer Blüten­blätter vom Himmel fallen, wie runde, glänzende Schneeflocken, die langsam niederfielen und sich auflösten, als sie den Boden berührten.

Ein anderes Zeichen ihrer Gegenwart war eine lieblich anzusehende Wolke, die sich um die gewölbte Baumkrone der kleinen Steineiche formte. Sie erhob sich vom Boden, wurde größer und schwebte dann empor, bis sie etwa fünf oder sechs Meter hoch war. Dann verschwand sie wie Weihrauch, der durch einen Windhauch wegbewegt wird.

Am Ende der Erscheinung konnte die leuchtende Kugel wieder be­obachtet werden, wie sie sich erhob und die Cova da Iria in Richtung Osten verließ.

Eine Deutung der sichtbaren Zeichen

Die beiden letzten Erscheinungen mit den überirdischen Zeichen sollten einerseits die Botschaft von Fatima beim Volk bekannt und glaubwürdig machen und andererseits auf deren heilsgeschichtlichen Ernst und weltweite Bedeutung hinweisen. Wer besonders das Sonnenwunder beachtet, muss erkennen, dass Fatima nicht nur übernatürlich ist, sondern als eine der wichtigsten Erscheinungen Unserer Lieben Frau in der ganzen Geschichte herausragend und einzigartig sein muss.

Auch sollten diese Zeichen uns alle der Gottesmutter näherbringen und unseren Herzen ihre Größe und ihr Wesen offenbaren. In der Tat wurden dadurch die vielen Pilger ermutigt, trotz der feindlichen Kampagne der gottlosen Presse zur letzten Erscheinung wiederzukommen, so dass es schließlich über 70.000 waren. Nach den Erscheinungen sollten diese außerordentlichen Ereignisse Millionen von Menschen bekehren und ihre Beziehung zu ihrer himmlischen Mutter vertiefen.

Die leuchtende Kugel

Diese Kugel, die langsam und majestätisch durch die Luft schwebte, wurde eindeutig als Zeichen der Gegenwart Mariens aufgefasst. Es scheint, als wollte Unsere Liebe Frau am 13. September ihre Ankunft auf Erden und ihre Rückkehr zum Himmel mit Herrlichkeit und in einer Atmosphäre des Lichts und Glanzes herausstellen.

Die Kugel kam von Osten und ging nach Osten zurück. Die Heilige Schrift und die Kirchenväter erklären die geistige Bedeutung des Ostens, auf Latein „Oriens“, was so viel bedeutet wie Aufgang, Herkunft, Ursprung. Im Osten geht die Sonne auf und bringt das Licht in die Finsternis; die Tore des Himmels sind im Osten, von dort kam auch unser Erlöser, um die Welt zu retten.

In Fatima kommt Maria ebenfalls von Osten her und kehrt nach der Erscheinung dorthin zurück. Sie ist die „Pforte des Himmels“, durch sie leuchten alle Strahlen des Lichts ihres Sohnes in die Welt und in die Seelen. Er möchte, dass sie von Osten nach Westen „wandert“, um als ein neues Licht alle Völker einzuladen, aus der Dunkelheit des Irrtums und der eisigen Kälte der Sünde befreit zu werden und das Licht der Wahrheit zu empfangen. Sie kommt vom Himmel, um unseren Geist zu öffnen, unseren Verstand zu erleuchten, unsere Herzen zu erwärmen und uns so mit ihr zurück in den Himmel zu nehmen. Lassen wir uns ergreifen vom Anblick dieser wundervollen Lichtgestalt und bitten wir: „Mutter, nimm mich wenigstens im Geiste zu deinen ewigen Wohnungen mit!“

Die lichte Wolke

Seit den Erscheinungen des 13. Juni hatten viele Zeugen jeweils eine lichte Wolke bemerkt, wie sie sich über der Steineiche niederließ. Sie blieb dort während der ganzen Erscheinung, bevor sie sich sacht wieder in den Himmel in östlicher Richtung erhob. Das gleiche Phänomen fand am 13. September statt, aber auf eine noch auffälligere Weise, denn die ungewöhnliche Wolke formte sich drei Mal hintereinander und verschwand wieder während der zehn Minuten, in denen Unsere Liebe Frau mit den Kindern sprach.

Diese geheimnisvolle Wolke, welche die Erscheinung verbarg, erinnert uns an die großen Gotteserscheinungen in der Heiligen Schrift. Von der Offenbarung der Zehn Gebote an Moses auf dem Berg Sinai bis zur Verklärung unseres Herrn auf dem Berg Tabor erscheint immer wieder die lichte Wolke als wahrnehmbarer Ausdruck der göttlichen Gegenwart.

Im Alten Testament steht die Wolke oft in Zusammenhang mit der Bundeslade, dem Heiligtum der Israeliten, welche die Gesetzestafeln barg. In Fatima erscheint Unsere Liebe Frau als die lebendige „Arche des Bundes“, die das wesenhafte Wort Gottes in sich trug. Wie im Alten Testament die Arche und der Tempel von einer Wolke als göttliches Zeichen erfüllt wurden, so umgibt in Fatima die Wolke den Ort, wo Unsere Liebe Frau erscheint. Wenn sie kommt, kommt Gott in ihr und durch sie: Das ist die tiefste Bedeutung der Wolke in Fatima. Sie führt uns zu ihrem Sohn und erfüllt uns mit dem Heiligen Geist, der die Herzen durchdringt, heiligt und umwandelt.

Ein Regen von Rosenblütenblättern

Die heilige Theresia vom Kinde Jesus sagte vor dem Sterben zu ihrer Schwester: „Ich werde meine Zeit im Himmel damit verbringen, Gutes auf der Erde zu tun. Du wirst sehen, es wird wie ein Rosenregen sein.“ Sie meint damit einen „Regen von Gnaden“, die Gott auf die Fürsprache der Heiligen reichlich auf die Erde senden werde. In Fatima wirkte Unsere Liebe Frau mehrmals das Wunder des Regens von Rosenblättern: so am 13. August und am 13. September, aber auch am 13. Mai 1918, und noch einmal am 13. Mai 1924, als der Bischof von Leiria in der Cova da Iria anwesend war und dieses wunderbare Ereignis bezeugte.

Der Rosenregen in Fatima ist ein dringender Aufruf Unserer Lieben Frau, zu ihrem unbefleckten Herzen zu kommen, wo alle Men­schen Gottes Gnaden so reichlich und so unzählbar erhalten wie die Rosenblätter, die vom Himmel fielen.

Die bewundernswerten Früchte ihrer Anwesenheit

Diese übernatürlichen Zeichen, Ereignisse und Wunder sind großartig und überwältigend, sodass sie Erstaunen und Bewunderung in den Her­zen wecken. Das Herz, sonst in seiner kleinen Welt gefangen, wird sich weiten und die wahre Größe erahnen. Unsere Liebe Frau will uns zeigen, was sie vermag, wenn wir mit Vertrauen zu ihr kommen, wenn wir ihr erlauben, zu uns zu sprechen und wenn wir in ihrer geistigen Gegenwart leben. Es besteht heute unter vielen Katholiken die Gefahr, dass sie die Inhalte des Glaubens gar nicht schätzen. Sie nehmen die heilige Messe und das Gebetsleben als ein notwendiges Übel wahr, als eine Last oder mühselige Pflicht, der man nur ungern nachkommt.

In Fatima entdecken wir Unsere Liebe Frau auf eine neue Weise. Wer sich diesen Ereignissen und dem Geheimnis ihres unbefleckten Herzens nähert, wird entdecken, wie sie unglaublich erhaben und zugleich liebenswert ist. Er wird die vielen geschichtlichen Tatsachen bewundern und dadurch sein unbedeutendes Ego vergessen. Dann wird die Motivation für ihn stark genug sein, der verführerischen Welt der Sünde zu entsagen und den schmalen Weg der Erlösung zu beschreiten.

Bei diesen wundervollen Ereignissen und Erscheinungen erkennen wir auch, dass sie überirdische Schönheit ausströmen und das Herz mit Frieden und Freude erfüllen. Es gibt viele Zeugen, die bestätigen, dass die Kugel, die Blumenblätter und die Wolke lieblich waren und in den Herzen Frieden und Freude hervorbrachten. Der Pilger wird diesem Frieden und dieser Schönheit spürbar begegnen, wenn er den Ort besucht, wo der Engel das erste und dritte Mal erschien (Loca de Cabeco), und auch den Ort der Erscheinung vom 19. August (Valinhos). Unsere Liebe Frau ist „die Schönheit selbst“ und sie möchte den hellen Glanz ihres reinsten Herzens jedem vermitteln, der sich ihr nähert. Welch ein Heilmittel für eine Welt, die Müll und Schmutz kultiviert, für welche Unreinheit und Perversität eine Notwendigkeit werden und wo Kinder von Hässlichkeit, Monstern und brutalen Bildern umgeben werden.

Die Wochen bis zum 13. Oktober waren in Fatima sehr bewegt. Unzählige Besucher bestürmten die Kinder: fromme Pilger und Neugierige, aber auch wütende Gegner. Jeder wollte sie sehen und befragen. Oft wurde mit Drohungen und Versprechen versucht, ihnen das berühmte Geheimnis zu entlocken. Lucia hatte besonders unter diesen Bedrängnissen zu leiden und wurde von ihrer eigenen Familie beschuldigt, der Grund für ihren Ruin und ihr Unglück zu sein. Oft wurde ihr vorgestellt, dass die Fanatiker sie sicher töten würden, wenn das versprochene Wunder nicht geschehen sollte. In dieser Zeit des Wartens bewiesen die Kinder ein außerordentliches Vertrauen auf ihre himmlische Mutter. Nicht einmal das Gerücht eines Bombenanschlags oder andere Einschüchterungen konnten Furcht in ihren Herzen auslösen.

Trotz der unruhigen Atmosphäre waren die Kinder nur von einem Gedanken erfüllt, den Francisco so wunderschön ausdrückte: „Sind es noch viele Tage bis zum 13.? Ich ersehne diesen Tag so sehr, um unseren Herrn wieder zu sehen. Doch hört! Wird er immer noch so traurig sein? Es tut mir so leid, ihn traurig zu sehen, dass ich ihm alle Opfer anbiete, die ich mir nur irgendwie ausdenken kann. Manchmal laufe ich nicht einmal vor all diesen Leuten weg, nur damit ich ein Opfer bringen kann.“

Lassen auch wir uns durch die Betrachtung dieser wunderbaren Zeichen zu einem größeren Eifer und zu vertrauender Liebe zu Unserer Lieben Frau bewegen, damit wir sie noch inständiger im Rosenkranz verehren und ihr in mutigem Opfergeist helfen, die Seelen unserer Mitmenschen zu retten.

 

Anmerkung

[1] Auszug aus dem Buch „Fatima, Leitstern für die letzten Zeiten“ von Pater Karl Stehlin, von P. H. Mörgeli mit Erlaubnis des Autors bearbeitet.