Verlassene Altäre im Petersdom

Quelle: Distrikt Deutschland

Eine besorgniserregende Anweisung des Staatssekretariates

Seit dem 22. März 2021 ist im Petersdom de facto ein Verbot von Einzelzelebrationen in Kraft getreten. Stattdessen werden künftig nur Konzelebrationen im Novus Ordo an drei ausgewählten „Volksaltären“ möglich sein.

In einer Anweisung des Staatssekretariates vom 12. März, die im Petersdom ausgehängt wurde, wurden der Sakristei folgende Anweisungen erteilt:

1. Individuelle Zelebrationen sollen unterbleiben.

2. Priester und Gläubige, die täglich für die hl. Messe in die Basilika kommen, sollen die Möglichkeit haben, an folgenden [Novus Ordo] [Konz-]Zelebrationen teilzunehmen: um 7 Uhr in der Chorkapelle; um 7:30 Uhr am Kathedra-Altar; um 8 Uhr in der Chorkapelle; um 9 Uhr am Kathedra-Altar. Die Zeiten der anderen Messen bleiben unverändert. Aus Anlass des Gedenkens eines Heiligen, dessen Reste in der Basilika aufbewahrt werden, kann eine der Messen am entsprechenden Altar zelebriert werden. An den Sonn- und Feiertagen ist die Beibehaltung der genannten Uhrzeiten zu prüfen.

3. Die Konzelebrationen sind liturgisch mit Hilfe von Lektoren und Kantoren zu animieren.

4. Pilgergruppen, die von einem Bischof oder einem Priester begleitet werden, ist die Möglichkeit, die Heilige Messe in den Vatikanischen Grotten zu zelebrieren, sicherzustellen;

5. Was den außerordentlichen Ritus betrifft, können die autorisierten [!] Priester um 7 Uhr, 7:30 Uhr, 8 Uhr und 9 Uhr in der Cappella Clementina in den Vatikanischen Grotten zelebrieren.

Das skandalöse Dokument trägt weder Protokollnummer noch Unterschrift, nur einen Stempel des Staatssekretariats samt der Paraphe des Substituten Erzbischof Edgar Peña Parra (geb. 1960). Seit 2018 ist er Substitut, d. h. „Nummer 2“ in der Verwaltung der Kirche und so etwas wie ein vatikanischer „Innenminister“.

Das Dokument unterstellt, dass die Zelebrationen in der Basilika St. Peter gegenwärtig in einer Atmosphäre geschähen, der es an Sammlung und liturgischer Angemessenheit („di raccoglimento e di decoro“) mangele.

Fünf Kardinäle

Bei Redaktionsschluss des Mitteilungsblattes hatten gegen diese Maßnahme nur fünf Kardinäle protestiert:

Gerhard Kardinal Müller, der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation, hält das Dokument des Vatikanischen Staatssekretariats für „ungültig“.

„Niemand muss sich daran halten“, sagt Müller wörtlich in einem Interview mit dem Sender EWTN. Das Staatssekretariat habe „weder die disziplinäre noch die theologische Kompetenz zur Regelung der Liturgie im Petersdom“.

Raymond Kardinal Burke schrieb in einer Stellungnahme: „Sowohl die Form als auch der Inhalt des Dokuments berechtigen zu der tiefsten Sorge der Gläubigen und vor allem der Priester. Diese Sorge richtet sich nicht nur auf die päpstliche Basilika St. Peter, sondern auch auf die Weltkirche, da die päpstliche Basilika St. Peter in besonderer Weise die geistliche Heimat aller Katholiken ist und als solche ein Vorbild für die liturgische Disziplin der Teilkirchen sein sollte.“ Der Kardinal verweist auf die Lehre des Konzils von Trient über die Einzelzelebration. Es sei ferner zu beachten, dass ein Priester die hl. Messe niemals allein darbringt, auch wenn sonst niemand physisch anwesend sei, denn die Engel und die Heiligen assistieren bei jedem heiligen Messopfer (Can. 903 des Kirchenrechts von 1983). Darüber hinaus beschränke das Dokument die Darbringung der überlieferten Messe auf vier festgelegte Zeiten. „Soll also angenommen werden, dass jeden Tag nur vier Priester die hl. Messe nach dem Usus Antiquior in der päpstlichen Basilika St. Peter feiern dürfen?“

Walter Kardinal Brandmüller machte aus seiner Wut keinen Hehl: „Warum, wozu also ist dieses Schreiben dennoch ausgefertigt worden? Es ist bereits die Vermutung geäußert worden, es handle sich hierbei um einen „ballon d’essay“, mit dem die auf beabsichtigte Neuerungen zu erwartenden Reaktionen erkundet werden sollten. Sollte dies zutreffen, wäre allerdings die sehr ernste Frage zu stellen, ob dies die Art und Weise sein könne, wie in der Kirche Jesu Christi die Gewalt der Schlüssel ausgeübt werden sollte.“

Der jüngst emeritierte Präfekt der Liturgiekongregation, Robert Kardinal Sarah, bat in einem Brief den Papst „demütig um Rücknahme“ dieser Anweisung. Der aus Guinea stammende Purpurträger betonte, dass „die wesentliche, wenn nicht sogar die einzige Rolle eines Altars darin besteht, dass das Messopfer auf ihm dargeboten werde“. Die Anwesenheit der Reliquien der Heiligen unter den Altären habe einen „biblischen, theologischen, liturgischen und spirituellen Wert von solch einer Größe, dass es noch nicht einmal nötig ist, sie zu erwähnen“. Unter den neuen Normen würden die Altäre im Petersdom mit Ausnahme eines Tages im Jahr jedoch „nur als Gräber der Heiligen, wenn nicht sogar nur als Kunstwerke dienen“, so Kardinal Sarah. „Diese Altäre müssen stattdessen leben, und ihr Leben besteht in der täglichen Feier der heiligen Messe.“

Joseph Kardinal Zen, der fast 90-jährige emeritierte Erzbischof von Hongkong, schrieb ein einem „Offenen Brief“: „Schmerz und Empörung dringen in mein Herz, als ich bestimmte unglaubliche Nachrichten hörte: Die Privatmessen im Petersdom wurden verboten!? ... Wenn es nicht die Einschränkungen gäbe, die durch Corona auferlegt wurden, würde ich den ersten Flug nehmen, um nach Rom zu kommen, und vor der Tür von Santa Marta [Appartement des Papstes] auf die Knie gehen, bis der Heilige Vater dieses Edikt zurückziehen lässt.“

Insgesamt gibt es im Petersdom 45 Altäre und 11 Kapellen. Der traditionstreue Katholik wird anmerken, dass das Verbot des von Novus-Ordo-Messen in der Logik der liturgischen Revolution liegt. In der Privatzelebration der Neuen Messe erblickt der Progressist die Schatten der ihm gehassten alten römische Messe.

Vorbedingung

Aber erinnern wir uns: Waren es nicht jene „konservativen“ Monsignori, die morgens im Petersdom zelebrieren konnten, als die alte Messe verboten, unterdrückt und verfolgt wurde, die der Priesterbruderschaft St. Pius X. „Starrsinn“ und „Unbeweglichkeit“ vorwarfen? Jetzt können viele von diesen Persönlichkeiten nur noch auf ihrem Zimmer zelebrieren.

Im Petersdom wurde umgesetzt, was in den anderen großen Kirchen und Basiliken Roms schon seit mehr als 50 Jahren Usus ist: verwaiste Altäre.

Neu unter dem Pontifikat Benedikt XVI. war es, dass der Petersdom ein Ort war, wo viele junge Priester wieder die alte lateinische Messe zelebrierten. Manch einer raunte noch vor einigen Jahren, die Zahl der alten Messen im Petersdom übersteige bald die der „neuen“ Liturgien. Dieser Frühling scheint (vorerst) vorbei.

Was die Priesterbruderschaft St. Pius X. besorgt, ist die Ghettoisierung der alten Messe und die Verbannung in die unterirdische Kapelle „ad caput Petri“ (Cappella Clementina) mit insgesamt acht (!) Sitzplätzen. Seit dem Jahr 2000 hatte Bischof Bernard Fellay dem Heiligen Stuhl für weitere Gespräche, die zu einer Anerkennung der Priesterbruderschaft St. Pius X. als Personalprälatur führen könnten, zwei Vorbedingungen gestellt: die Aufhebung der Sanktionen gegen die Priesterbruderschaft von 1976 und die Gewährung der tridentinischen Messe für alle Priester. Das Dokument im Petersdom spricht der letzten Bedingung Hohn. Das Generalhaus schaut mit großer Sorge auf diese Entwicklung.