Die Verehrung des Blutes Christi
von Franz Spirago
Schon im Alten Testament wurde der hohe Wert und die versöhnende Kraft des Blutes Christi durch Vorbilder, insbesondere durch das Osterlamm angekündigt. Bevor die letzte Plage über das Land Ägypten kam und in einer Nacht der Würgengel alle Erstgeburt der Ägypter tötete, mussten die Juden ein Lamm schlachten und mit dessen Blute die Türpfosten bestreichen. An den mit diesem Blute bestrichenen Wohnungen ging der Würgengel vorüber, ohne zu schaden (Ex 12,13). „Wenn die Häuser Ägyptens, die mit dem Blute des Lammes besprengt waren, vom Zorne Gottes verschont blieben, um wie viel eher werden diesem Zorne entgehen, ja die Fülle der Gnaden erlangen, die das Blut Christi verehren" (Pius IX., 9.10.1849).
Die Verehrung, insbesondere die Aufopferung des kostbaren Blutes Christi trägt sehr zur Versöhnung Gottes bei.
Die Kraft des Blutes Christi zeigte sich schon dadurch, dass es die Erlösung der Menschen bewirkte. „Er hat uns geliebt und uns abgewaschen von unseren Sünden in seinem Blute" (Offb 1,5). „Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von allen Sünden" (1 Joh 1,7). Die Heiligen sind „rein gemacht im Blute des Lammes" (Offb 7,14). „Das Blut des ersten Gerechten (Abel) schrie zum Himmel um Rache, das Blut des Erlösers ruft aber um Erbarmen (hl. Gregor der Große).
Die hl. Magdalena von Pazzis (†1607) sagt: „Die Aufopferung des hl. Blutes Christi ist sehr kräftig, den erzürnten Gott zu versöhnen. Dadurch können wir viele Sünder bekehren und viele Seelen aus dem Fegefeuer befreien"; ferner: „Wenn jemand Gott dem Vater das Blut Christi aufopfert, so ist die Gabe so groß, dass Gott Vater nicht Schätze genug hat, um sie zu bezahlen".
In einer Verzückung wurden ihr einmal die Seelen gezeigt, die sie durch Aufopferung des Blutes Christi bekehrt oder aus dem Fegefeuer befreit hatte. Die ehrwürdige Priorin Klara Moes von Luxemburg (†1895) behauptet, dass jene Armen Seelen, für die sie sich kraft des Blutes Christi beim himmlischen Vater verwendet hatte, dann wenigstens eine Viertelstunde von den Schmerzen des Fegefeuers verschont blieben.
Durch Verehrung des kostbaren Blutes Christi kann man also die Strafen Gottes mildern. 1848 floh Pius IX. infolge einer Revolution nach Gaeta. Dort verordnete er, dass in der ganzen katholischen Kirche am ersten Sonntag im Juli das Fest des Blutes Christi gefeiert werde. Und sieh, am gleichen Tage, wo diese Verordnung kundgemacht wurde, ergaben sich die Revolutionäre.
Durch Verehrung des Blutes Christi kann man vieler Gnaden teilhaftig werden und leichter die Seligkeit erlangen. „Die Wunden Christi sind die Pforten des Himmels; aus „ihnen strömt nicht nur ein Blutstrom, sondern auch ein Gnadenstrom im Blute" (hl. Bonaventura). „Das Blut Christi ist der Schlüssel zum Paradies, denn im Leiden Christi wurde durch den Preis seines Blutes der lang verschlossene Himmel geöffnet" (hl. Hieronymus). Wie unser leibliches Leben vom Blute abhängig ist, so ist auch unser geistiges Leben, die Erreichung der ewigen Seligkeit, vom Blute abhängig" (hl. Thomas von Aquin).
Zur Verehrung des kostbaren Blutes Christi eignet sich namentlich der Monat Juli und jener Augenblick in der hl. Messe, wo bei der Wandlung der Kelch emporgehoben wird.
Gleichwie im Juni das Herz Jesu verehrt wird, weil in diesem Monate die wichtigsten Offenbarungen über das Herz Jesu der hl. Margareta Maria Alacoque zuteil geworden sind, so gilt der Juli der Verehrung des Blutes Christi, weil am ersten Sonntag im Juli der Festtag des kostbaren Blutes in der Kirche gefeiert wird. Bei der Wandlung (Aufhebung des Kelches) würde sich das Ablassgebet eignen: „Ewiger Vater, ich opfere dir auf das kostbare Blut Jesu Christi zur Genugtuung für meine Sünden und für die Anliegen der hl. Kirche." (Abl. 100 Tage jedes Mal. Pius VII. 22.9. 1817.)
Zur Verehrung des kostbaren Blutes Christi bestehen: eine kirchliche Genossenschaft, eine Bruderschaft und mehrere Wallfahrtskirchen.
Ein besonderer Verehrer des Blutes Christi war der hl. Paulus; er preist es an vielen Stellen seiner Briefe (Kol 1,19ff; Röm 5,9; Eph 1,6-8; Hebr 10,19; 13,12). Er ist gleichsam der Urheber der Andacht zum kostbaren Blut.
Eine besondere Förderin dieser Andacht war die große Dominikanerin, die hl. Katharina von Siena (†1380); in ihren Briefen an Päpste, Bischöfe, Priester, Fürsten usw. weist sie stets auf den hohen Wert und die großen Wirkungen des Blutes Christi hin.
Der selige Kaspar del Bufalo (†1837), Priester zu Rom, sprach: „Tausend Zungen möchte ich haben, um jedes Herz mit Liebe zum kostbaren Blute Jesu Christi zu erfüllen." Dieser Selige hat auf Wunsch des Papstes in der Umgebung von Rom Missionen abgehalten und hiebei Weltpriester als Mitarbeiter aufgenommen, die er „Missionare vom kostbaren Blute" (Sanguinisten) nannte. 1815 gründete er mit päpstlicher Gutheißung die Kongregation der Missionäre v. kostbaren Blut, die namentlich in Italien, Spanien und Nord-Amerika segensreich wirkte. Später legte er den Grund zur Genossenschaft der Schwestern vom kostbaren Blut, deren Hauptzweck die beständige Anbetung des Blutes Christi ist, um dadurch der Kirche und dem Priesterstande reichliche Gnaden von Gott zu erflehen.
Ein großer Verehrer des kostbaren Blutes war auch Franz Albertini, Kanonikus in Rom, der 1819 als Bischof von Terracina starb. 1808 gründete er eine Bruderschaft v. kostbaren Blut, die von Pius VII. 1815 zur Erzbruderschaft erhoben und mit vielen Ablässen beschenkt wurde. Die Mitglieder opfern dem himmlischen Vater das kostbaren Blut auf zur Bekehrung der Sünder, zum Troste der Armen Seelen im Fegefeuer, für die Anliegen der Kirche und zur Sühne für ihre eigenen Sünden. Albertini hat auch einen kleinen Rosenkranz zum kostbaren Blut verfasst mit Rücksicht auf die sieben Blutvergießungen Christi: bei der Beschneidung, Todesangst auf dem Ölberge, Geißelung, Dornenkrönung, Kreuztragung, Kreuzigung und Öffnung der Seite.
Es gibt Wallfahrtskirchen, wo sich Reliquien des Blutes Christi befinden, z.B. die Klosterkirche zu Weingarten (bei Ravensburg) in Württemberg, wo sich seit 1090 eine Reliquie des Blutes Christi vom Kalvarienberge befindet; diese brachte Kaiser Heinrich III. (1039-1056) von Mantua nach Deutschland.
Papst Innozenz XII. erklärte 1693 auf Grund der eingeschickten Urkunden die Reliquie für echt. Zu den Wallfahrtskirchen des kostbaren Blutes gehören auch jene Kirchen, wo sich Hostien befinden, aus denen bei der hl. Messe Blut geflossen ist und die unversehrt geblieben sind, z. B. zu Brigne aux Bois (Brinoboa) bei Sedan in Frankreich.
„Nichts ist so imstande, unser Herz mit glühender Liebe für die heilige Person unseres Herrn zu erfüllen, als die Betrachtung unserer Erlösung durch sein kostbares Blut" (Kardinal Vaughan).