Die Verantwortung vor Gott und die Natur des Gehorsams

Ölweihmesse am Gründonnerstag
Die Verantwortung vor Gott und die Natur des Gehorsams gegenüber den römischen Autoritäten
Predigt von Weihbischof Bernard Fellay
Am Gründonnerstag feierte Bischof Bernard Fellay, Generaloberer der Priesterbruderschaft St. Pius X., in Anwesenheit zahlreicher Priester im Seminar St. Pius X. in Ecône die Chrisam-Messe. Während dieser Pontifikal-Liturgie am Morgen des Gründonnertages werden die heiligen Öle geweiht, die das ganze Jahr hindurch gebraucht werden: das Katechumenen-Öl für die Taufe und die Priesterweihe, das Kranken-Öl für die Letzte Ölung und das heilige Chrisam für Bischofsweihe, Taufe und Firmung. In seiner Predigt erinnerte Msgr. Bernard Fellay an die Verantwortung des Christen vor Gott und erläuterte die Natur des Gehorsams gegenüber den römischen Autoritäten.
Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Liebe Priester, liebe Seminaristen, liebe Gläubige,
wir haben heute morgen die große Freude, nach der Tradition der Kirche die heiligen Öle zu weihen, jene heiligen Öle, welche in vier der sieben Sakramente verwendet werden, einige für die Gültigkeit der Sakramente, andere für die Spendung der Sakramente. Diese Zeremonie ist sehr, sehr speziell, und selbst wenn wir uns ein wenig kurzfassen müssen, weil ja die Priester wieder ihren Dienst aufnehmen müssen, so wollen wir doch einigen Gedanken nachgehen.
Angetan mit schönen Gewändern
Der erste Gedanke ist der, dass dieses meines Wissens die einzige Stelle im Meßbuch ist, an der man in den Rubriken die Vorschrift findet, schöne Gewänder anzulegen. Die Kirche schreibt vor, dass der Bischof mit wertvollen Gewändern angetan sein soll. Das soll nicht heißen, dass dieses die einzige Gelegenheit dafür sei. Es zeigt die Sorge der Kirche, die beim hl. Pius X. so gut ausgedrückt wird: Das Gebet des christlichen Volkes soll in einem schönen Rahmen stattfinden. Es geht um die Verehrung Gottes. Da ist es derartig normal, da sollte es sich von selbst verstehen, dass man zur Ehre Gottes Ihm das Beste gibt und dass man dafür Sorge trägt, vor allem wir, die wir die Liturgie in ihrer ganzen Schönheit und ihrer ganzen Aussagekraft bewahren wollen. Die Liturgie ist die Verehrung Gottes, und so soll man auch für diese Schönheit Sorge tragen, in jeder Heiligen Messe, bei jeder liturgischen Handlung soll dafür gesorgt sein. Es geht nicht darum, einfach irgend etwas zu tun, es geht darum, Gott zu ehren, Ihn zu verehren, es geht um unsere Anbetung und unsere Liebe zum lieben Gott. Und wie immer, wenn man liebt, sorgt man sich um jede Einzelheit.
Die Kirche ist zutiefst hierarchisch
Ein zweiter Gedanke: Diese Zeremonie ist ein Ausdruck der tiefsten Natur der Kirche, und die ist zutiefst hierarchisch, weil der liebe Gott die Dinge so gewollt hat. Alles, alles, was wir haben, haben wir vom lieben Gott. Die Gnaden, das, was wir sind und was wir können, alles, alles kommt von Gott. Und die Art und Weise, wie diese Gaben ausgeteilt werden, vor allem die übernatürlichen Gaben, die findet in dieser Messe so gut ihren Ausdruck. Zu allererst die Ausspendung der Gnade. Alles geht aus der Heiligen Messe hervor.
Alle Gnaden, die wir empfangen, hat uns der Herr am Kreuz durch sein Opfer verdient. Und die Messe, die Heilige Messe, welche nicht nur die Erneuerung, sondern die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers ist, sie ist genau dasselbe Opfer unseres Herrn am Kreuz. Nun, diese Heilige Messe ist das Werkzeug, welches Gott benutzt, um seine Gnade auf der ganzen Erde zu verbreiten. So stehen alle Sakramente in Verbindung mit der Heiligen Messe, und jene Materie, die zur Spendung vieler Sakramente dienen wird, das sind die heiligen Öle, und diese heiligen Öle werden in der heiligen Messe geweiht, während der Messe. Alle diese Sakramente sind Kanäle der Gnade, dieser Gnade, welche uns verdient worden ist, deren Quelle eben die Messe ist, nun, diese Kanäle, das sind die Sakramente, die uns die Gnaden bringen, die uns auf dem Altar verdient wurden. Das sieht man sehr schön an den heiligen Ölen. Nur der Bischof hat die Vollmacht, diese heiligen Öle zu weihen. Und in jeder Diözese findet jedes Jahr eine Messe statt, in welcher diese heiligen Öle geweiht werden, die dann von diesem Ort aus in der ganzen Diözese verteilt werden. Bei uns geht es um viel mehr als eine Diözese, das heilige Öl geht in die ganze Welt. Die hier geweihten heiligen Öle werden bei Taufen, Firmungen, Priesterweihen, Letzten Ölungen in ganz Europa, Afrika, Asien gebraucht.
Man sieht, wie alles von oben, von der Spitze ausgeht, wie die Kirche hierarchisch ist. So ist es auch mit der Vollmacht. Der Bischof delegiert an seine Priester die Vollmacht, ihren Dienst auszuüben. Der Priester ist lediglich ein Helfer, ein Mitarbeiter, welcher seine Vollmacht vom Bischof empfängt. Und ganz klar und eindeutig ist das Haupt in der Kirche der Papst. Deshalb sagen wir, dass sie monarchisch ist. Diese Hierarchie kann man ganz deutlich sehen. Gott wollte, dass seine Gnade so dem gläubigen Volk vermittelt werde.
Nach der heiligen Hostie kommen gleich die heiligen Öle
Ein weiterer Gedanke: wenn man sieht, wie die Priester das heilige Chrisam begrüßen. Sie machen drei Kniebeugen und singen dabei jedesmal „Ave sanctum Chrisma“. Das verlangt die Kirche als Verehrung von denen, welche dann das Recht haben, die heiligen Öle zu berühren. Nur der Diakon und der Priester haben diese Erlaubnis. Wie bei der heiligen Hostie. Unter all den wertvollen Gaben der Kirche, da gibt es keinen Zweifel, kommen die heiligen Öle gleich nach der heiligen Hostie. Der Diakon, der Subdiakon haben das Recht, die Utensilien zu berühren, die heilige Patene, den Kelch, das Ziborium, das Korporale, alle die materiellen Teile, die mit dem Herrn in Berührung gekommen sind. Der Subdiakon hat aber nicht das Recht, die heiligen Öle zu berühren. Die heiligen Öle können in einer Art Tabernakel aufbewahrt werden, in der Sakristei oder in einer Mauer der Kirche, einem Tabernakel, der wie der Tabernakel ausgekleidet ist, mit Seide. Alles das zeigt eine ganz außerordentliche Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit, und man könnte fragen, warum ... schließlich ist es Öl.
In den Orationen sagt der Bischof, dass der Heilige Geist in diesen heiligen Ölen wohnt. Er wohnt darin. Sicherlich kann man hier den Vergleich mit der heiligen Hostie nicht ziehen, das ist etwas völlig Verschiedenes. Die heilige Hostie ist Jesus; man weiß sehr wohl, dass bei der konsekrierten Hostie die Substanz des Brotes gewandelt wurde, transsubstantiiert in die Substanz des Leibes des Herrn. Wer die Hostie sieht, sieht Jesus. Das gilt eben nicht für die heiligen Öle. Dass der Heilige Geist in ihnen wohnt, das ist so zu verstehen, dass er in gewisser Weise durch diese Öle, durch diese Materie hindurchgehen wird, um die Gnade wirken zu lassen. So ist das also etwas sehr Wertvolles. Und die Priester müssen Sorgfalt walten lassen, die heiligen Öle sorgfältig und nicht irgendwie bewahren und behandeln. Man sagt sehr richtig, dass die Dinge, an die man sich gewöhnt hat, keinen großen Wert mehr haben, eben ganz gewöhnlich werden. Die Verehrung Gottes darf aber nie etwas Gewöhnliches werden. Im Dienst Gottes gibt es nichts Geringes. Gott ist so groß, im Te Deum sagen wir, er ist von unendlicher Majestät. Diese Majestät kann man nicht ermessen, so groß ist sie. Und die Verehrung Gottes besteht also darin, diese Majestät zu ehren, zu verehren. Es gibt nichts Geringes, nichts Armseliges oder Schäbiges, selbst wenn man aus menschlicher Sicht diesen Eindruck haben könnte. Man muss diese Sichtweise des Glaubens haben und damit auch diesen Sinn für Ordnung, Sauberkeit, Schönheit alles dessen, was mit der Gottesverehrung zu tun hat.
In der heutigen Kirche ist der Sinn für Gott, der Sinn für die Größe Gottes, für die Wahrheit Gottes, unseres Herrn, verlorengegangen
Ehrfurcht
Wir kommen zu unserem letzten Punkt. Wenn man sieht, was in der Kirche heute geschieht, dann hat man wirklich den Eindruck, dass der Sinn für Gott, der Sinn für die Größe Gottes, für die Wahrheit Gottes, unseres Herrn, verlorengegangen ist. Und es ist diese neue Liturgie, welche diesen Sinn verlieren läßt. Wie konnten sie nur, wie konnten sie es nur wagen, eine solche armselige, so leere und flache Messe zu machen? So kann man Gott nicht ehren. Und entsprechend, und das gilt ganz allgemein, sieht man, wie die Menschen sich benehmen. Man will ihnen nichts Böses, sie können nichts dafür, es ist so. Aber schauen Sie nur, wie sie sich benehmen, wenn sie in eine Kirche kommen! Schauen Sie, was sie tun, sie wissen nicht einmal mehr, dass dieses das Haus Gottes ist. Man hat ihnen immer wieder eingeredet, es sei das Volk Gottes, welches zähle. Und nicht mehr der liebe Gott. Und so hat man so vieles, so vieles verloren.
Und durch die Gnade Gottes haben wir alle diese Schätze, die man die Tradition nennt. Das sind die gesamten Schätze der Kirche, und aus diesen Schätzen fließt die Gnade, welche heilig macht, die in den Himmel führt, welche die Welt und die Sünde verlassen läßt. Das ist ein großes Ganzes. Und welche Pflicht haben wir, eine wahrhaft heilige Pflicht, dieses Gut zu bewahren. Nicht nur für uns, sondern für die kommenden Generationen. Für die Kirche. Diese Schätze sind die Schätze der Kirche, sie sind nicht unsere Schätze. Uns gehören sie, weil wir Teil der Kirche sind.
Die Gefahr besteht darin, unter Berufung auf diesen Notstand zu viel oder zu wenig zu tun.
Richtige Haltung
Und da ist auch die Gefahr, eine der Gefahren in dieser Situation, dass wir Autoritäten, Prälaten bemerken, die anfangen, egal was zu tun und zu sagen, und uns um sie, nun ja, einfach nicht mehr scheren. Das ist eine große Gefahr. Man befindet sich dann in einer Situation, in der unter Berufung auf den Notstand, das, was wir den Notstand nennen und was wirklich real ist, tragisch ist in der Kirche, nun, unter Berufung auf diesen Notstand besteht die Gefahr, dass man zu viel oder zu wenig tut. Sich seine Freiheit nimmt. Es gibt Grundsätze, die man fälschlicherweise anwendet. Zum Beispiel: Alles das ist völlig durcheinander, also gilt „lex dubia, lex nulla“. Oder auch „in dubio libertas“. Das ist eine Gefahr.
Die Gefahr, zu wollen oder vorzugeben, dass wir frei seien, zu tun, was wir wollen, weil ja alles völlig schiefläuft. Diese Haltung ist gefährlich, sie ist falsch, sie ist nicht christlich. Es stimmt, dass es Fälle gibt, sogar zahlreiche Fälle – die Lage hat sich so entwickelt, dass wir verpflichtet sind, die Anwendung vieler neuer, moderner Gesetze zu verweigern, weil man sieht, dass sie den Seelen schaden. Wir befinden uns in einer Situation – und Theologen haben es vorhergesehen, haben es analysiert –, in der die Anwendung eines Gesetzes Schaden verursacht. Das kann geschehen. Wir sind nur Menschen, das kann geschehen. Menschen kennen nicht alle Umstände, und wenn sie also Gesetze machen, dann wissen sie, dass es Ausnahmen geben kann, in denen das Gesetz nicht etwa nicht mehr existiert, nein, das nicht, aber es ist dann außer Kraft gesetzt.
Was ist also nun die richtige Haltung in dieser Lage? Nun, es ist die Haltung, welche uns der hl. Thomas vorgibt: Wenn man ein Gesetz nicht anwenden kann, weil es Schaden anrichten würde, dann muss man sich fragen, welches die Absicht des Gesetzgebers war, als er dieses Gesetz gemacht hat. Was hat er gewollt? Und durch diesen Blick auf die Absicht des Gesetzgebers findet man auch die Antwort auf die gegenwärtige Situation. Und so, auch wenn man materiell den Eindruck hat, im Zustand des Ungehorsams zu sein, hält man formal den Grundsatz des Gehorsams aufrecht, weil man eben nicht tut, was man will, sondern man sucht, was der Gesetzgeber will, er, der das Gesetz gemacht hat. Man sucht eben die Absicht, das Warum dieses Gesetzes, und man weiß, dass die letzte Absicht, jene, die über allem steht, das Heil der Seelen ist. Warum gibt es Gesetze in der Kirche? Und selbst alle Gesetze in der Kirche sind nur um einer einzigen Sache willen, nämlich um der Rettung willen, der Rettung der Seelen. Und dieses ist ganz sicher das große Prinzip, selbst im neuen Kirchenrecht wird dieser Grundsatz ausgesprochen. Aber man muss aufmerksam sein, denn es stimmt, dass diese Situation, die andauert und andauert und immer weitergeht, dazu führen kann, schlechte Gewohnheiten anzunehmen. Man muss sich also immer wieder prüfen, man muss darauf achten, sich immer wieder in diesen Zustand der Abhängigkeit vom lieben Gott zu bringen und, wenn möglich, auch von den Autoritäten.
„Bewahre das Glaubensgut“
Soll das bedeuten, dass man um jeden Preis Lösungen mit Rom finden muss und so weiter? Natürlich nicht um jeden Preis, denn die erste Bedingung ist ja, Gott zu dienen, ist ja das Heil der Seelen. Wenn man sieht, dass heute so viele, so viele Dinge getan werden, die dem Heil schaden, nun, dann muss man natürlich nein sagen, und deshalb sind wir verpflichtet, uns den Autoritäten mit äußerster Vorsicht zu nähern, und wir haben es jetzt noch in Rom gesagt, wir haben gesagt: Hören Sie, wenn Sie die Absicht haben, uns zu ändern, uns dazu zu bringen, diese modernen Dinge anzunehmen, dann können wir jetzt aufhören, dann geht es nicht weiter, denn wir werden sie nicht annehmen. Wir werden sie nicht annehmen, wir wollen nicht. Nichts soll gemindert werden, nichts an der Verherrlichung, die Gott gebührt, nichts an unserem Heil, nichts am Glauben, nichts an der Gnade.
In der augenblicklichen Situation können wir uns diesen Autoritäten natürlich nicht mit vollem Vertrauen annähern. Das ist nicht möglich. Deshalb sagen wir, es muss Vertrauen geschaffen werden, und das muss durch Taten geschehen. Zeigen Sie, dass Sie die Tradition der Kirche wollen, zeigen Sie, dass Sie sie lieben. Leider bekommen wir fast täglich gegenteilige Signale. Fast täglich.
In diesem Sinne machen wir gelassen weiter und warten, bis der liebe Gott die Umstände ändern möge. Wir werden sehen, wie lange wir noch warten müssen. Das liegt ja alles in Gottes Hand. Was uns betrifft, so wissen wir, dass wir einen Schatz in den Händen halten, und wir haben kein Recht, diesen Schatz zu vergeuden, wir haben nicht das Recht, ihn verlorengehen zu lassen. Das ist eine unserer wichtigsten Aufgaben, so kann man sagen, dieses Depositum zu bewahren, selbst der hl. Paulus sagt das in der Heiligen Schrift – das muss man sich klarmachen –: „depositum custodi“, „bewahre das Glaubensgut“. Dieses Glaubensgut hat der liebe Gott der Kirche übergeben. Niemand hat das Recht, es zu verschwenden. Die Kirche vor allem hat dieses Recht nicht, sie muss es bewahren, und wir müssen es bewahren, weil es in unseren Händen ist.
Bitten wir also heute um diesen Eifer, diesen Eifer für das Haus Gottes, diesen Eifer für die Ehre Gottes und das Heil der Seelen. Bitten wir um diesen tiefen Glauben, zusammen mit jener brennenden Liebe, die wirklich begehrt, möglichst alle Seelen zu gewinnen, alle Seelen, die Gott möglich sind, damit sie gerettet werden. Zur Ehre Gottes.
Amen.