Unser katholischer Glaube: Das Bekenntnis des Glaubens und das Leben aus dem Glauben
Der hl. Augustinus
„Mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, mit dem Mund aber geschieht das Bekenntnis zum Heil“, schreibt der hl. Paulus (Röm 10,10). Der innere Glaube muss also durch das äußere Bekenntnis offenbar gemacht werden, und zwar zunächst vor der Kirche, manchmal aber auch vor den Ungläubigen. So sagt auch der Heiland: „Wer immer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen“ (Mt 10,32 f.).
An einer anderen Stelle sagt er: „Wer sich vor diesem ehebrecherischen und sündhaften Geschlecht meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er mit den heiligen Engeln kommt in der Herrlichkeit seines Vaters“ (Mk 8,38).
Wir müssen zwar nicht immer und in allen Umständen zeigen, dass wir gläubige Christen sind, aber immer dann, wenn sonst Gott die schuldige Ehre entzogen oder der Nutzen des Nächsten behindert würde. Unsere Freunde, Bekannten und Nachbarn sollen an unserem Verhalten und unseren Reden erkennen, dass wir Gläubige sind. Glaubenslose oder gotteslästerliche Reden sollen wir in unserer Umgebung nicht widerspruchslos hinnehmen; mindestens muss man uns anmerken, dass wir nicht einverstanden sind. Der Gedanke, dass Christus sich unser schämen wird, wenn wir uns seiner schämen, soll uns dabei helfen, die Versuchungen zur Menschenfurcht zu überwinden.
Vor allem darf man den Glauben niemals verleugnen, sei es, dass man ausdrücklich sagt, man sei nicht katholisch, sei es, dass man am protestantischen Abendmahl oder am Freitagsgebet in einer Moschee oder an der Verehrung einer Götzenstatue teilnimmt und damit den Eindruck erweckt, man gehöre der entsprechenden Religion an.
In Verfolgungen oder wenn man wegen des Glaubens schwere Nachteile zu erwarten hat, darf man seinen Glauben allerdings verhüllen, indem man keine äußeren Zeichen des christlichen Glaubens gibt oder z. B. Kleidung trägt, die bei einem ungläubigen Volk üblich ist. Auf Fragen darf man eventuell ausweichende Antworten geben, diese dürfen aber nicht einer Glaubensverleugnung gleichkommen.
Bei Verfolgungen ist es an sich auch erlaubt zu fliehen, denn Christus hat gesagt: „Wenn man euch in der einen Stadt verfolgt, so flieht in eine andere“ (Mt 10,23). Die Hirten der Kirche, also die Bischöfe und Seelsorger, müssen allerdings auch unter Lebensgefahr bei ihrer Herde bleiben, wenn sie dieser nötig sind und sie ihr noch nützen können.
Der hl. Thomas Morus berief sich ausdrücklich auf Mt 10,23, als man ihm vorwarf, er habe sich aus Feigheit in dem gegen ihn geführten Prozess nicht eindeutig geäußert. Morus hatte tatsächlich der Parlamentsakte, die König Heinrich VIII. zum Oberhaupt der Kirche Englands erklärte, zwar nicht zugestimmt, ihr aber auch nicht ausdrücklich widersprochen. Erst als das Urteil gegen ihn gesprochen war, erklärte er klar und deutlich seinen Glauben an die höchste Autorität des Papstes und dass die englische Parlamentsakte „in unmittelbarem Widerspruch zu den Gesetzen Gottes und seiner heiligen Kirche“ stehe.
Thomas Morus begründete sein vorhergehendes Zögern folgendermaßen: Er habe kein so heiliges Leben geführt, dass er es hätte wagen dürfen, sich dem Tod darzubieten. Darum habe er sich nicht vorgedrängt, sondern zurückgezogen, „damit Gott mich nicht um meiner Anmaßung willen fallen lasse“.[1] Es sei nicht die Aufgabe des Christen, tollkühn nach dem Martyrium zu streben und sich damit in die Gefahr zu begeben, Christus zu verleugnen. Morus fürchtete also in seiner Demut, er werde in den Qualen des Kerkers nicht durchhalten und seinen Glauben schließlich aus Schwachheit verleugnen. Erst als er verurteilt war, nahm er dies als Zeichen, dass Gott ihn offenbar zum Martyrium erwählt habe, und redete offen.
In der Tat lesen wir zwar in der Geschichte der antiken Christenverfolgungen öfters von Heiligen, die sich freiwillig den Verfolgern stellten, aber es gab tatsächlich auch viele Christen, die in den Martern nicht durchhielten. Darum muss man auch angesichts der antichristlichen Welt die Demut und die Klugheit üben.
Das Leben aus dem Glauben
„Der Gerechte lebt aus dem Glauben“, lehrt der hl. Paulus im Römer- und Galaterbrief.[2] Es genügt nicht, den Glauben bloß zu haben – man muss auch aus ihm leben.
Vor Jahren las ich von einem Professor in China, der einen katholischen Studenten fragte, ob er wirklich glaube, dass Jesus Christus im Sakrament der Eucharistie gegenwärtig ist. Der Student fühlte sich zu einem Glaubensbekenntnis aufgerufen und bejahte die Frage. Darauf fragte der Professor den Studenten, wann er denn das letzte Mal zur Kommunion gegangen sei. Beschämt musste der Student zugeben, dass dies schon mehrere Monate her war, worauf der Professor ihm vorhielt: Wenn er selbst glauben könnte, dass sein Gott in einer Hostie gegenwärtig sei, würde er Tag und Nacht davor auf den Knien liegen und das größte Verlangen haben, sich dadurch mit Gott zu vereinigen. – Das ist ein Beispiel dafür, dass man den Glauben besitzen kann, ohne ernstlich aus ihm zu leben.
Wie der Hebräerbrief lehrt, ist der Glaube „die Überzeugung von dem, was man nicht sieht“ (11,1), und gerade weil der Glaube sich auf Unsichtbares erstreckt, besteht die Gefahr, dass unsere Glaubensüberzeugung zu theoretisch bleibt und wenig in die Praxis umgesetzt wird. Darum leben viele Katholiken im Alltag trotz ihres Glaubens nicht viel anders als die Ungläubigen. Es bedarf eben immer einer gewissen Anstrengung, um sich auf die Ebene des Glaubens zu erheben.
Wenn ein Katholik beim Betreten einer Kirche vor dem Allerheiligsten das Knie beugt und sich in der Bank niederkniet, bekennt er damit seinen Glauben an die Gegenwart Christi in der Eucharistie. Aber wenn er dann gar nicht versucht, zu dem im Sakrament verborgenen Heiland zu beten, sondern sich freiwillig irgendwelchen Zerstreuungen hingibt, lebt er nicht genügend aus seinem Glauben. So können wir auch von der Wichtigkeit des Gebets überzeugt sein und uns im Alltag doch stets durch Nichtigkeiten vom Gebet abhalten lassen; wir können glauben, dass Gott unsere Sünden strafen wird, und doch nie ernstlich anfangen, gegen unsere Fehler zu kämpfen. Der Mensch kann leider mit solchen Widersprüchen leben.
Die Schwäche des Glaubens zeigt sich besonders in den Prüfungen. Obwohl Christus uns Leiden und Verfolgungen vorausgesagt hat und obwohl er uns auffordert, täglich unser Kreuz auf uns zu nehmen, sind schon viele Christen in den Prüfungen an Gott irre geworden oder haben sogar den Glauben aufgegeben.
Aus dem Glauben zu leben, bedeutet also nichts anderes, als das eigene Leben von dem bestimmen zu lassen, was man glaubt, das ganz ernst zu nehmen, wovon man sowieso schon überzeugt ist, und zwar auch dann, wenn man keine Lust dazu hat, wenn es Nachteile bringt oder wenn Gott unsere Bemühungen nicht sofort belohnt.
Die Hl. Schrift gibt uns in Abraham ein schönes Beispiel für dieses Leben aus dem Glauben. Abraham verlässt seine Heimat, um auf das Geheiß Gottes in ein fremdes Land zu ziehen, das er zum Erbe empfangen sollte. Er selbst aber herrschte nie in Kanaan, sondern die Verheißung ging erst 400 Jahre später in seinen Nachkommen in Erfüllung. Gott verhieß ihm auch eine große Nachkommenschaft, so zahlreich wie der Sand im Meer und die Sterne am Himmel. Aber seine Frau ist unfruchtbar und jahrzehntelang bekommen sie kein Kind. Erst im Greisenalter, da alle menschliche Hoffnung erloschen ist, empfängt Sara doch noch einen Sohn, nämlich den Isaak. Als dieser dann etwas herangewachsen ist, erhält Abraham den Befehl, ausgerechnet diesen einen Sohn, auf dem die ganze Verheißung ruht, zu opfern – und er weigert sich nicht.[3] Durch diesen heroischen Glauben hat Abraham verdient, „Vater aller Gläubigen“ genannt zu werden (vgl. Röm 4,11; 3,7–9).
Auch Moses ist ein Beispiel des Glaubens. Von ihm sagt der Hebräerbrief, er habe sich an „den Unsichtbaren gehalten, als sähe er ihn“ (11,27). So ist das Leben in der Gegenwart Gottes eine Frucht des Glaubens. Der Glaube sagt uns, dass Gott immer bei uns ist, dass er uns liebt und für uns sorgt. Der Glaube lehrt uns, dass der dreifaltige Gott in der Seele eines Menschen im Gnadenstand sogar wie in einem Tempel wohnt. Auch wenn wir Gott weder sehen noch fühlen, soll der Glaube uns dazu führen, uns möglichst oft diese Gegenwart des göttlichen Gastes bewusst zu machen, mit ihm zu sprechen und ihn zu lieben.
Das höchste Vorbild des Glaubens ist die Muttergottes, von der Elisabeth sagte: „Selig bist du, weil du geglaubt hast“ (Lk 1,45). Jesus Christus hatte als Mensch bereits in seinem irdischen Leben die unmittelbare Schau der Gottheit, Maria aber lebte wie wir aus dem Glauben. Darum sollen wir sie bitten, uns zu helfen, immer tiefer im Glauben an die Gegenwart Gottes in uns zu leben.
Anmerkungen
[1] Zitate nach: R. W. Chambers, Thomas More. Ein Staatsmann Heinrichs des Achten. München-Kempten: Kösel 1935, S. 422 ff.
[2] Röm 1,17; Gal 3,11.
[3] Vgl. Hebr 11,8–19. Das ganze 11. Kapitel des Hebräerbriefs ist den Vorbildern des Glaubens gewidmet.