Ungarns Staatsoberhaupt: Zeremonien heute und damals
Das ungarische Parlament
Am 14. Mai 2022 hat die neugewählte ungarische Staatspräsidentin Katalin Novak den Amtseid abgelegt. Die dreifache Mutter ist die erste Frau an der Spitze des mitteleuropäischen Gemeinwesens. Die ehemalige Familienministerin wurde am 10. März im ungarischen Parlament – dem Aufbewahrungsort der „heiligen Stephanskrone“ – mit 137 von 188 Stimmen gewählt.
Die – wie Ministerpräsident Orbán – bekennende Calvinistin sagte bei der Einführung im Rahmen einer „ökumenischen Zeremonie“:
Als Staatspräsidentin werde ich das ungarische Volk so stärken, wie es aus meiner persönlichen Überzeugung herrührt: in einer auf dem Christentum basierenden Werteordnung, in der die Weitergabe des Lebens, die Erziehung der Kinder in Liebe, der Schutz des menschlichen Lebens und der Familie gefördert werden.
Der Präsident der Synode der Reformierten Kirche in Ungarn, betonte in seiner Ansprache, es sei „das erste Mal“, dass „Katholiken, Reformierte und Evangelikale gemeinsam, begleitet vom Sabbatgebet“ eines Rabbiners, den Segen Gottes für die erste Bürgerin des Landes erbäten.
Die Stephanskrone im ungarischen Parlament
Das Staatswappen Ungarns führt bis heute die heilige Stephanskrone. Diese erinnert an den ersten „apostolischen König“ Ungarns, den hl. Stephan (ungar. Szent István), der im Jahre 1000 mit der von Papst Sylvester II. übersandten Krone gekrönt wurde. Der letzte gekrönte König Ungarns war der mittlerweile seliggesprochene Kaiser Karl von Österreich (1887 – 1922), der vor hundert Jahren im Exil auf Madeira starb.
Die katholische Zeremonie der Amtseinführung des Staatsoberhauptes 1916:
In der Budapester Matthiaskirche setzten am 30. Dezember 1916 Fürstprimas Johann Csernoch und Ministerpräsident Stephan Graf Tisza gemeinsam Karl von Österreich die Krone aufs Haupt. Er wurde gesalbt und mit dem Schwert des heiligen Stephan gegürtet. Karl IV. – so die ungarische Zählung – versprach
vor Gott und seinen Engeln, hinfort zu sorgen für Gesetz, Gerechtigkeit und Frieden zum Wohle der Kirche Gottes und des mir anvertrauten Volkes.
Kaiserin Zita (1892 – 1989) wurde, mit der Stephanskrone an der Schulter berührt – als Zeichen dafür, dass sie an der Last der Krone mitzutragen hatte.
Vor der Dreifaltigkeitssäule, unter freiem Himmel, die Stephanskrone auf dem Haupt und das Gesicht nach Osten gewandt, legte Karl den Eid auf die Verfassung ab. Ein Krönungshügel war aus Erde von allen ungarischen Komitaten errichtet worden. Auf dessen Spitze vollzog der Kaiser und gekrönte König, auf dem Pferd sitzend, vier Schwertstreiche in alle Himmelsrichtungen aus. Sie deuteten die Verteidigung der ungarischen Erde an.
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