THINK BIG: Was das Apostolat in den USA von Europa unterscheidet
Der Distríktsitz in den USA
Land der unbegrenzten Entfernungen: Die USA trennt von der Alten Welt nicht nur der Atlantische Ozean, sondern fast eine ganze Welt. Zumindest, wenn man manche Einstellungen der dortigen Gläubigen und die Anforderungen an die priesterliche Arbeit betrachtet.
Erst vor wenigen Wochen sind im Sarto-Verlag die Lebenserinnerungen von Pater Franz Schmidberger erschienen. Er berichtet darin ausführlich zum Aufbau der Piusbruderschaft in den USA, von den zahlreichen Herausforderungen, Rückschlägen, aber vor allem Erfolgen. 1972 wurde dort die erste Niederlassung eröffnet. Mittlerweile existieren dort 20 Priorate, 103 Kapellen und ganze 26 Schulen. Dabei zählen die USA nur rund viermal so viele Bürger wie Deutschland. Die Einstellung zu Glaube und Religion ist jedoch eine völlig andere. Während Deutschland und mit ihm der gesamte westeuropäische Kontinent weitgehend säkularisiert ist, gehört es für Amerikaner zum guten Ton, religiös zu sein. Allein das „God bless America“ spricht dafür. Aber auch Worte des Präsidenten zum Beginn der Fastenzeit und zu ihrem Sinn sind keine Seltenheit.
Tradition wird hochgeschätzt
Für Gläubige in den USA ist es kein Problem, sich zum überlieferten katholischen Glauben zu bekennen. Das liegt vor allem daran, dass die katholische Tradition selbst in Kreisen des allgemeinen Klerus einen hohen Stellenwert einnimmt. So findet jährlich die „Sacred Liturgy Conference“ statt, an der zahlreiche Bischöfe und Geistliche teilnehmen und auf der über eine Woche hinweg die Probleme der neuen und die Segnungen der alten Messe besprochen werden. Überhaupt ist es keine Seltenheit, dass Bischöfe Pontifikalämter im ehrwürdigen römischen Ritus zelebrieren. Tatsächlich stellt auch eine neue Studie fest, dass es unter den amerikanischen Geistlichen in den letzten Jahrzehnten eine „konservative Wende“ gab. Statt der liberalen Werte der 60er und 70er Jahre zählen nun wieder katholische Inhalte, der Blick auf den aktuellen Zustand der Kirche ist demzufolge eher pessimistisch. Dieser Trend hat auch an anderer Stelle Auswirkungen: Während hierzulande viele Bischöfe aus einer leerstehenden Kirche lieber ein Einkaufszentrum machen würden, als sie der Priesterbruderschaft St. Pius X. zu verkaufen, gilt in den USA ein ganz pragmatischer Zugang. Richtig ist, was funktioniert. Und die traditionellen Gemeinden funktionieren. Unter den Gläubigen, die sich der Bruderschaft in den Staaten verbunden fühlen, sind 50 Prozent unter 20 Jahre, 30 unter 12 Jahre alt – das genaue Gegenteil einer durchschnittlichen Pfarrgemeinde. Und deshalb geben nicht wenige Bischöfe in den USA gerne Kirchen an die Piusbruderschaft. Immerhin: In den USA finden an mehr Orten traditionelle Messen statt als in allen anderen Ländern der Welt zusammengenommen. Und das trotz der unglaublichen Distanzen. Manchen Bischöfen ist es daher wichtig, dass nicht zwei traditionelle Gemeinschaften an einem Ort sind, um so eine breite Streuung zu erreichen und sicherzustellen, dass möglichst viele Menschen die Messe aller Zeiten besuchen können. Übrigens gibt es in den USA sogar Bischöfe, die in ihren Seminaren vorschreiben, die lateinische Messe zumindest zu erlernen. Das war zumindest bis zum jüngsten Motu proprio so.
Die Tugend der Amerikaner
Gerade für das Apostolat bedeuten die großen Entfernungen enorme Herausforderungen. Immerhin haben die USA eine Fläche, die ganze 27,5-mal größer ist als Deutschland. Das Land umfasst fünf Zeitzonen, sodass man vor jedem Telefonat erstmal überlegen muss, wie viel Uhr es beim Angerufenen gerade ist. Manche Patres müssen am Wochenende 14 Stunden im Auto sitzen, um ihre Gemeinden zu betreuen. Die Entfernung zwischen Kansas City, dem amerikanischen Distriktsitz, und Alaska ist genauso groß wie die zwischen Frankfurt nach Alaska, was die Dimensionen etwas verdeutlichen hilft.
Die weit verstreuten Messzentren zu betreuen, bedeutet einen hohen Aufwand – sowohl zeitlich als auch finanziell. Da es in den USA keine Kirchensteuer gibt, müssen die Gläubigen alles selbst stemmen. Aber hier zeigt sich eine besondere Tugend der Amerikaner: Großherzigkeit. Zum Bau und Unterhalt von Kirchen und Messzentren sind sie bereit, viel Zeit und Geld zu investieren. Das ist nicht zuletzt eine wichtige Grundlage für ein funktionierendes Apostolat in den USA. Und eine weitere Eigenschaft vieler Amerikaner ist von Vorteil: Sie sind viel mobiler, weniger an einen Ort gebunden als die Europäer. Es ist daher keine Seltenheit, dass Familien an einen Ort ziehen, an dem eine gute Schule oder die Gemeinde in der Nähe ist. So konnte St. Marys seit Ende der 70er Jahre zur größten Gemeinde der Piusbruderschaft in den USA und weltweit werden. Zwölf Priester betreuen dort fast 4.000 Gläubige. Neben der Kirche befindet sich das Priorat, eine Schule sowie ein College. Aber die Erfolgsgeschichte des amerikanischen Apostolats ist noch nicht zu Ende: Gerade wird dort eine neue Kirche erreichtet, die zukünftig 1.500 Gläubigen Raum bieten soll. Die USA haben eben nicht nur eine große Fläche, sondern auch viele Früchte der Tradition getragen – und werden es weiter tun.
In den USA ist auch das größte Seminar der Priesterbruderschaft St. Pius X. zu finden. Im US-Bundesstaat Virginia, in Dillwyn, ist jüngst ein Neubau fertiggestellt worden, der darauf hinweist, dass die Tradition lebt. 36 Neueintritte im Jahr 2021 erhöhten die Hausgemeinschaft auf 129.
Neue Kirche in Phoenix