Die Sorge für die Hinterbliebenen

Quelle: Distrikt Österreich

Der Tod eines Menschen ist für die Hinterbliebenen ein einschneidendes Ereignis. Der Verlust einer Person trifft sie tief. Trauer, Schmerz, Angst belasten und belagern die Seele. Das Umfeld steht dem Leid sprachlos gegenüber und weiß nicht, wie den Angehörigen begegnen, wie ihnen helfen.

Je besser wir verstehen, was in diesen schwierigen Stunden in den Trauernden vor sich geht und was uns bewegt, wird es leichter sein, der Situation gerecht zu werden.

Der Tod ist Strafe. Gnadenlos trifft er den Menschen

Der Tod ist eine Realität, an die niemand sich gewöhnen wird, ist er doch die letzte und unerbittlichste Konsequenz der Erbsünde. Wo er in ein Menschenleben eintritt, stellt er alles Wirken und Wollen in Frage. Gnadenlos beweist er seine Macht und offenbart gleichzeitig unsere Gebrechlichkeit.

Beim Tod der Eltern wird deutlich, dass wir gemäß dem Lauf der Natur die Nächsten sein werden, die sterben müssen. Stirbt ein Bruder oder eine Schwester, stellt sich unmittelbar die Frage, warum er/sie und nicht ich? Wo der Tod einen Menschen durch einen Unfall oder eine Krankheit aus dem Leben reißt, offenbart sich die „Allmacht“ und die Willkür des Todes.

Am offenen Grabe eines geliebten Menschen ist der Tod kein leeres Wort und nicht mehr Theorie. Ganz reell steht er vor uns und tritt allen Trauernden nah. Die Angehörigen stehen in der ersten Reihe. Das Umfeld bleibt auf größerem oder kleinerem Abstand. Was sollen wir den Hinterbliebenen sagen, welche Antworten geben?

Verlust eines Teils meiner selbst

Aufgrund seiner sozialen Natur kann kein Mensch ohne seinen Nächsten leben: ohne Eltern, Familie, Freunde, Kollegen... Sie haben das Leben geschenkt, Geist und Charakter geprägt, Freude bereitet, den Alltag bereichert. Von ihnen habe ich gelernt, sie waren für mich da und ich für sie. Miteinander haben wir gestritten, gelacht und geweint. Gemeinsam haben wir eine Vergangenheit. Sie sind Teil meines Lebens. Oft halten wir die bedeutenden Augenblicke in unseren Fotoalben fest.

Der Tod reißt einen Menschen aus diesem Gefüge. Als Hinterbliebener erlebe ich den Tod eines teuren Menschen darum nicht nur als das Hinscheiden eines anderen, sondern auch immer als meinen eigenen (Teil)Tod. Mit dem Verstorbenen stirbt ein Teil meiner selbst. Der Schmerz über den Menschen, den ich verloren habe und mit dem ich zusammengewachsen war, ist echt, der Schmerz, der entsteht, ist einer Amputation vergleichbar. Der geliebte Mensch ist tot und begraben: Ich lebe weiter: Und lange spüre ich den Teil meines Lebens, der mir genommen wurde.

Existenzangst und materielle Not

Meistens stellen wir nach dem Tod eines Menschen Fragen wie: Wie werden die Lücken gefüllt? Wie geht es weiter ohne den Ernährer, die treusorgende Mutter, den vorbildlichen Kollegen, den zuverlässigen Freund? Wo ein junger Vater eine Frau mit zwei kleinen Kindern zurücklässt, ist die Berechtigung solcher Fragen offensichtlich. Aber nicht weniger groß ist die Not für den Ehemann, der nach über 50 Jahren glücklicher Ehe plötzlich alleine zurückbleibt, sich selbst seinen Frühstückstisch richtet und seine Gedanken ins Leere spricht.

Die materielle Not der Hinterbliebenen zu lindern, ist die leichteste Art zu helfen. Wer mit Einfühlungsvermögen kleine oder größere Aufgaben übernimmt und so die Trauernden um eine Sorge erleichtert, schenkt Trost.

Aber es stellt sich die Frage, ob eine geliebte Person ersetzbar ist? Alle Hinterbliebenen werden die Frage mit "nein" beantworten. Und vielleicht ist es auch darum, dass es ihnen schwerfällt, Hilfe anzunehmen. Sie wollen ihren geliebten Menschen als unersetzbar und einzigartig im Gedächtnis bewahren.

Darum dürfen wir nie versuchen, den Verstorbenen zu ersetzen, oder versuchen, seinen Platz einzunehmen. Zum Einen vermag das niemand, und zum Anderen würden die Hinterbliebenen in ihrem Schmerz das niemals zulassen! Unser Beistand erlaubt den Trauernden, an ihren geliebten Menschen zu denken und sich langsam von ihm zu verabschieden.

Seelennot und Schuldgefühle

Oft wird der Tod eines Menschen zum Anlass für die Angehörigen, ihr Verhältnis zum Verstorbenen zu überdenken. Nicht nur die Situationen, in denen offensichtlich Abneigung, Hass oder Streit die Beziehung regiert haben, werden Schuldgefühle hervorrufen. Manches Mal sind es spezifische Momente, die sehr weit zurückliegen, für die Hinterbliebene sich anklagen: ein böses Wort, eine Lüge, eine Untreue... Oder sie erkennen erst am Grab, wie selbstverständlich sie alle Bemühungen des Toten angenommen haben, ohne zu danken und ohne sie zu schätzen. Jetzt ist es zu spät, die Person um Verzeihung zu bitten, oder gar den Fehler wieder gutzumachen. Sie klagen sich an und wünschen, einen Moment zu erhalten, um die Vergangenheit zu korrigieren.

Trost, Trauer – Mitgefühl

Die Tage und Wochen unmittelbar nach dem Verlust einer geliebten Person sind meistens gefüllt mit hektischer Aktivität. Vieles gilt es zu regeln und neu zu ordnen: Begräbnis, Requiem, Besuch der Familie und Freunde, Testament, Auflösung von Verträgen, Umräumen der Wohnung usw. Es mag sein, dass der ein oder andere sich in die Betriebsamkeit rettet, nur um nicht von dem Schmerz über den Tod überwältigt zu werden. Diese Geschäftigkeit schützt und mindert zeitweise ihr Leid.

Es wird geraume Zeit dauern, bevor der Alltag in das Leben der Hinterbliebenen einkehrt, einige Wochen, einige Monate. Aber dann beginnt die vielleicht schwierigste Zeit. Nach dem Trubel, die dem Hinscheiden folgt, und der allgemeinen Aufmerksamkeit, die sie von ihrer Umgebung erfahren haben, wird es still um die Trauernden. Jetzt erst - in der Stille und Einsamkeit – nehmen sie wahr, wie groß die Lücke ist, die der Verstorbene in ihrem Leben hinterlassen hat. Dieser Verlust muss verarbeitet werden. Alles muss wieder neu seinen Platz finden.

Dass die Trauer der Zeit bedarf, kam traditionell in der Trauerkleidung zum Ausdruck. An der Kleidung, die meistens wenigstens ein Jahr lang getragen wurde, vermochte jeder zu sehen, dass dieser Mann, diese Frau beschäftigt war mit dem Verarbeiten eines persönlichen Verlustes. Das Umfeld nahm Rücksicht auf sie.

Diese Rücksicht zeigt sich zuallererst darin, dass wir die Trauernden in dieser Situation nicht alleine lassen. Sie zeigt sich aber auch in Geduld, in langem Zuhören, in dem Versuch, den Schmerz zu verstehen und mitzuempfinden. Vieles wird, oft unter Tränen, immer wieder wiederholt werden. Das darf uns nicht verwundern. Die Trauernden erwarten Verständnis und wollen ernst genommen werden. Sie warten nicht auf Lösungen und Erklärungen, schon gar nicht auf schulmeisterliche Belehrung oder billige Standardantworten. Nichts ist verletzender für die Angehörigen als banale Floskeln, nicht ernst gemeinte Kondolenzbezeigungen oder unehrliches Lob über den Verstorbenen.

Die Trauerzeit ist eine ernste Zeit und die Trauerenden sind immer in der Gefahr, in ihrem Schmerz unterzugehen. In einem gesunden Rahmen ist darum auch Ablenkung notwendig. Aber hier ist wichtig, dass die Aufmunterung nie zur Flucht wird oder in die Oberflächlichkeit abrutscht.