Sie werden das Licht der Welt sein
Das Fest der Darstellung des Herrn im Tempel ist das Fest, an dem gewöhnlich die jungen Seminaristen die Soutane und die Tonsur erhalten. Erzbischof Lefebvre richtet sich hier an die jungen Geistlichen und unterstreicht die Wichtigkeit und den Grund, dass auch sie das Licht der Welt sein sollen.
… Stellen wir uns einmal ein wenig die Szenerie vor, in der die Jungfrau Maria mit dem Jesuskind in den Armen und dem heiligen Joseph an ihrer Seite den Tempel betritt. Sie trug denjenigen in ihren Armen, der in Seinen Tempel kam. Im Tempel wurden bis zu diesem Moment die Gesetzestafeln, die etwas nicht Lebendiges waren und doch zweifellos das Gesetz Gottes darstellten, unter Verschluss gehalten. Doch nun kommt Derjenige, der das Lebendige Gesetz war, in diesen Tempel, der von jeher für Ihn erbaut war: Unser Herr Jesus Christus, das Wort Gottes. Er kommt also in diesen Tempel, der für Ihn bereitet war.
Stellen Sie sich die Jungfrau Maria vor, strahlend, das Jesuskind, das Licht der Welt, den, der das Heil der Welt ist, wie sie den Tempel von Jerusalem betritt und von dem Greis Simeon empfangen wird, der sagt, dass der liebe Gott ihn nun zu sich rufen kann.
Er hat Den gesehen, der angekündigt war und der das alleinige Heil aller Nationen ist: ante faciem omnium populorum: aller Völker. Kein Volk ist vom Heil Unseres Herrn Jesus Christus ausgenommen. Er ist wahrhaftig das Licht der Welt. Er ist das Heil aller Völker.
So nennt der alte Simeon dieses Kind, das die Stufen des Tempels emporsteigt und das er auch auf seinen Armen tragen darf: „Quem, accipiens Siméon in ulnas suas, prædicavit populis, Dominum eum esse vitæ et mortis, et Salvatorem mundi – Als Simeon Ihn in seine Arme nimmt, verkündet er den Völkern, daß es der Meister über Leben und Tod ist, der Retter der Welt“ (Antiphon).
Es scheint mir, meine lieben Freunde, dass dies besonders für Sie, die Sie heute die Gnaden der Tonsur und der ersten niederen Weihen empfangen werden, ein ganz wundervolles Bild ist. Auch Sie werden die Stufen des Tempels emporsteigen; auch Sie werden Unseren Herrn Jesus Christus auf den Armen tragen ; auch Sie sind dazu bestimmt, Denjenigen zu tragen, der das Licht der Welt ist.
Mögen Sie wie die Jungfrau Maria eines Tages Unseren Herrn Jesus Christus auf Ihren Händen tragen, auf Ihren Armen, wie es die Jungfrau Maria im Tempel getan hat, mit derselben Hingabe, mit demselben Glauben, derselben Liebe, mit demselben Verlangen, das Licht der Welt zu geben und zu tragen. Und genau das werden die Gebete zur Weihe, die Gebete für die niederen Weihen Ihnen sagen.
Ab sofort, indem Sie die Soutane und das Chorhemd tragen, indem Sie Ostiar und Lektor sind, müssen Sie das Licht der Welt sein. Sie müssen das Licht nicht nur tragen, nein, Sie müssen es selber sein. Sie müssen also selber ganz das Licht sein, Licht und Liebe, Licht und Wärme und Eifer für das Heil der Welt, für das Königtum Unseres Herrn Jesus Christus. Genau das müssen Sie sein. Das bedeuten Ihre Weihen und das, was sie mehr und mehr auf eine immer klarere Weise bedeuten werden, auf eine immer ausdrucksvollere Art, nach und nach, in der Zeit, die Sie bis zur Priesterweihe voranschreiten.
Sie werden dieser Realität entgegengehen, dieser lebendigen Realität unseres Herrn Jesus Christus, die Sie in die Welt tragen werden. Sie werden von Natur aus Missionar sein, denn Sie tragen Ihn, der das Licht unseres Verstandes, die Wärme unserer Herzen und unseres Willens ist.
Dieses Licht muss allem voran in Ihrem Verstand wohnen, durch die Wissenschaften, die Sie hier im Seminar erlernen werden. Oh, vielleicht werden Ihnen die Jahre im Seminar etwas lang sein. Vielleicht würden Sie sie gerne verkürzen und schneller zu Ihren Weihen gelangen. Aber bedenken Sie, dass sie Ihnen zutiefst nützlich sein werden.
Sie müssen die Heilige Schrift betrachten; Sie müssen diese Wahrheiten betrachten, die uns durch die Offenbarung gelehrt werden. „Lumen ad revelationem gentium – Licht zur Erleuchtung der Nationen“ ( Lk 2,32). Sie müssen diese Offenbarung, die für die Nationen gemacht wurde, kennen. Sie müssen das vertiefen, was Jesus uns gebracht hat, die Wahrheiten, die Er uns gelehrt hat. Und sechs Jahre sind nicht zu lang, um sich darauf vorzubereiten, Unseren Herrn Jesus Christus zu predigen.
Sie müssen nicht nur die Wissenschaften erlernen, auch den Glauben müssen Sie erlernen, einen tiefen Glauben an Unseren Herrn Jesus Christus, Unseren Herrn Jesus Christus, das alleinige Heil der Welt, wie es der alte Simeon verkündet hat. Es gibt keinen anderen.
Sie müssen auch Ihre Herzen erwärmen für die Liebe Unseres Herrn Jesus Christus. Und diese Liebe erlangt man durch dauernde Mühen und ständiges Gebet zu Unserem Herrn Jesus Christus. Wir können nicht hoffen, all diese Gnaden, die uns in die Liebe Gottes verwandeln, ohne Gebet und Litaneien zu erlangen, und ohne Unseren Herrn Jesus Christus darum zu bitten.
Oh, Sie tun das alles, ich weiß es genau. Sie kommen gern in diese Kapelle zum Beten, zu Unserem Herrn, um Ihn um Seine Gnaden zu bitten, die Gnaden der Liebe und die Gnade aller Tugenden, die Ausdruck der Liebe sind.
Denn Sie werden das Licht der Welt sein. Nicht nur durch Ihr Wort, auch durch Ihr Beispiel. Und genau das sagen die Gebete der Weihe: Ab sofort müssen Sie durch Ihr Beispiel das Licht der Welt sein.
Und daher müssen Sie die Tugenden Unseres Herrn Jesus Christus ausstrahlen. Sie müssen sie der Welt gegenüber hochhalten. Und dieser Weg kann sehr anstrengend und mühselig sein.
Erinnern Sie sich an den Brief des heiligen Paulus an die Korinther, der die Liebe Gottes lobpreist (I Kor 13,1–13). Oh, diese Beschreibung müssen Sie auswendig lernen. Die Liebe, die geduldig ist; die Liebe, die alles erträgt; die Liebe, die glaubt; die Liebe, die sich erfreut, wenn man die Wahrheit verkündet.
Wir müssen diese Liebe in unseren Herzen haben, um wahrhaftig die Liebe, die unser Herr Jesus Christus in die Welt getragen hat, zu verkörpern.
Erzbischof Marcel Lefebvre bei Einkleidungszeremonie am 2. Februar 1976