Sexagesima – die Vornehmheit Gottes und die Verantwortung des Menschen

Das Gleichnis vom Sämann und seinem Samen betrachtet das Geheimnis der Gnade aus der Perspektive des Menschen. Es belehrt den Menschen über das geheimnisvolle Wachstum des Gottesreiches.
Die Gottesreichsparabel vom Hausvater, der Arbeiter für seinen Weinberg anstellt, erklärt, wie die Gnade von Gott her kommt. Er ruft und Er verteilt Seine Gnade gemäß Seiner Güte und nicht nach menschlicher Berechnung. Der Nachdruck liegt auf der Gnade, auf der unverständlichen Güte des Hausvaters gegen die zuletzt Ankommenden.
Das Gleichnis vom Sämann und seinem Samen betrachtet das Geheimnis der Gnade aus der Perspektive des Menschen. Es belehrt den Menschen über das geheimnisvolle Wachstum des Gottesreiches. Die Juden erwarteten einen Messiaskönig. Sie wünschten sich eine machtvolle, politische Figur. Das Geheimnis des Gottesreiches besteht aber darin, dass Jesus niedrig und arm kommt. In diesem Gleichnis liegt der Nachdruck auf der Zustimmung und Mitwirkung des Menschen.
Das Wunder des Samens
Ein Samenkorn ist klein, trocken und scheint tot wie ein Sandkorn. Es kann Monate und Jahre liegen und doch enthält es alle Kräfte des Lebens. Alle Fähigkeiten, alle Beschaffenheiten des werdenden Lebewesens sind in ihm grundgelegt. Aber sie kommen nur dann zur Entfaltung, wenn das Korn im feuchten Boden liegt. Dann lebt der Same auf, keimt, entfaltet seine Blüte und trägt seine Frucht; in seinen Generationen überdauert er Jahrtausende. Das ist ein treffendes Bild vom Gottesreich. Äußerlich trägt das Korn die Schmach Christi, innerlich ist es voll Leben, Freude, Schönheit, Liebe, Frieden und Zuversicht. Die ganze Herrlichkeit des Gottesreiches ist im Innern.
Der Same ist das Wort
Christus sagt: „Der Same ist das Wort Gottes!“ Was meint Er unter dem "Wort Gottes"? Wo und wie redet Gott? Das Wort Gottes ist Ausdruck der Gedanken und des Willens Gottes. Gott spricht zu uns in verschiedener Weise; durch die Natur, durch das geoffenbarte Wort, durch Seine Priester, durch die Eltern und Lehrer, durch die verschiedensten Ereignisse im Leben. Gott wird nicht müde, sich an den Menschen zu richten. Es vergeht keine Stunde, in der Er nicht feinfühlig Seine Hinweise und Anregungen schickt.
Der hl. Chrysostomus durchleuchtet die Beweggründe des Sämanns im Gleichnis: „Aber, fragst du, welchen Sinn soll das haben, in Dornen zu säen, auf Felsen und auf einen Weg? Bei wirklichem Samen und einem wirklichen Weg hätte es allerdings keinen Sinn. Wo es sich aber um Seelen und deren Unterweisung handelt, da verdient dies gar großes Lob. Würde ein Landmann mit seinem Samen so umgehen, so möchte man ihn mit Recht tadeln; denn ein Felsen wird ja doch nicht zum Erdreich werden und die Straße muss Straße bleiben, so gut wie die Dornen, Dornen. Auf geistigem Gebiete dagegen ist es nicht so. Da kann ein Felsen umgewandelt und zu fruchtbarem Erdreich gemacht werden und ein Weg kann dem Gebrauch entzogen und nicht mehr jedem Vorübergehenden zugänglich sein und dafür zum fetten Ackerland werden, und die Dornen können beseitigt werden, damit der Same ruhig darauf gedeihe.“
Die Vornehmheit Gottes
Herrlich zeigt sich in unserem Gleichnis wiederum die Güte und Langmut Gottes für die Menschen. Es offenbart die Vornehmheit Gottes. Er zwingt niemanden. Er respektiert den freien Willen, durch den der Mensch Gott ähnlich ist. Er hält jedem die Tür zur Umkehr offen. Er bedient sich nicht einmal der Mittel der Reklame und der Propaganda, die die Menschen für das Gelingen ihrer Geschäfte anwenden. Selbstlos streut Er den unscheinbaren Samen, von dessen Lebenskraft der Mensch nichts sieht und überlässt es dem Menschen, diesen Samen aufzunehmen.
Die Verantwortung des Menschen
Der hl. Chrysostomus fährt fort: „So sprach der Herr, um zu zeigen, dass er Sein Wort in reichlichem Maß an alle gerichtet habe. Wie der Sämann keinen Unterschied macht unter dem Saatgut, sondern unterschiedslos den Samen ausstreut, so macht auch Jesus keinen Unterschied zwischen Reich und Arm, Gebildeten und Ungebildeten, Lauen und Eifrigen, Mannhaften und Feigen. Er sprach zu allen und tat soviel, als an ihm lag, obgleich Er voraussah, wie es kommen werde ... Wie kommt es nun, sage mir, dass der größere Teil des Samens zugrunde ging? Die Schuld liegt nicht am Sämann, sondern am Erdreich, das den Samen aufnimmt, das heißt an der Seele, die nicht acht gibt.“
Gottes Güte kennt keine Grenzen außer der des menschlichen Willens! Es gibt viele Menschen, die die Einladung Gottes missachten. Und nur wenige nehmen die Einladung bereitwillig auf und werden gute Christen. „Wenn aber dieser Wandel nicht bei allen eintritt, so liegt die Schuld daran nicht bei dem, der aussät, sondern bei denen, die sich nicht umwandeln lassen wollen. Der Herr hat ja getan, was an Ihm lag. Wenn aber die anderen nichts von Ihm und seiner Sache wissen wollten, so ist nicht Er dafür verantwortlich, der ihnen ja so große Liebe erzeigt hat.“ (Hl. Chrysostomus)
Dank an Gott und behutsame Zuversicht
Wir sind glücklich, dass der Same Gottes auf den fruchtbaren Boden unseres Herzens gefallen ist; wir brauchen eigentlich den unfruchtbaren Boden nicht zu beachten. Aber setzen wir uns nicht auf das hohe Ross. Die Worte des Gleichnisses gelten auch uns. Wir geben unseren Glauben nicht auf. Dennoch müssen wir uns immer wieder anklagen. Wir überhören die Stimme Gottes! Wir erliegen unseren Gewohnheiten! Wir lassen uns von den Sorgen des Alltags niederdrücken! Wir geben unseren Leidenschaften nach und entfernen uns in der Ungeduld, im Zorn, in der Unmäßigkeit und in der Unreinheit von Gott.
In der Fastenzeit sollen diese Hindernisse beseitigt werden, damit die Gnade voll in uns wirken kann.