Reaktionen auf die Bestimmungen zur Ausführung von „Traditionis custodes“
Ein Priester zelebriert seine private Messe an einem Seitenaltar - das wird es in der Zukunft nicht mehr geben!
Am 18. Dezember 2021 veröffentlichte die römische Gottesdienstkongregation die langerwarteten Ausführungsbestimmungen zum fünf Monate vorher erschienenen Motu proprio Traditionis custodes (16. Juli 2021). Verpackt wurde diese „Gebrauchsanweisung“ zum künftigen römischen Umgang mit der alten Messe in die literarische Form von „dubia“. Diese „Antworten auf Zweifelsfragen“ haben es in sich. Wegen der Nähe zum Weihnachtsfest sprachen traditionstreuer Katholiken im angelsächsischen Raum vom „Christmas massacre“ an der überlieferten Liturgie.
… weil er sein Gedächtnis verloren hat …
Elf Fragen von Bischöfen
Erzbischof Arthur Roche (71) der Präfekt der Gottedienstkongregation beantwortet in dem Dokument elf Fragen von Bischöfen, die das Vatikanische „Liturgieministerium“ erreicht haben wollen. Die Veröffentlichung wurde vom Papst am 18. November 2021 in einer Audienz gutgeheißen. Das Dokument verschärft einige Vorgaben von Traditionis custodes merklich.
Hatte der Papst in Traditionis custodes die alte Messe aus den Pfarrkirchen verbannt, muß eine bischöfliche gewährte Ausnahme von dieser Regel, z.B. beim Fehlen eines anderen geeigneten Gottesdienstortes, zusätzlich vom Heiligen Stuhl genehmigt werden. Diese Sondererlaubnis darf nur auf Zeit gelten und muß mit „äußerster Sorgfalt“ vom Bischof bedacht werden.
Die Zelebration der alten Messe darf – so der Vatikan – nicht in eine Zeit fallen, in der „andere pastorale Aktivitäten“ der Pfarrgemeinde stattfinden, noch darf jene in die Gottesdienstordnung aufgenommen werden.
Die Neue Messe – ein anderer Ritus
Erzbischof Roche wörtlich: „Mit diesen Bestimmungen wird nicht beabsichtigt, die Gläubigen, die in der vorhergehenden Zelebrationsform verwurzelt sind, auszugrenzen: Sie haben nur den Zweck, daran zu erinnern, dass es sich (in Anbetracht des gemeinsamen Gebrauchs der einzigen Ausdrucksform der lex orandi des Römischen Ritus) um ein Zugeständnis aus Sorge um ihr Wohl handelt und nicht um eine Gelegenheit, den vorherigen Ritus (sic!) zu fördern.“
Damit stellt der Vatikan fest, daß die alte Messe in der Tat ein anderer Ritus als der Novus Ordo sei. Dies unterstreicht die Abschaffung der Begriffe „ordentliche und außerordentliche Form“, die Benedikt XVI. 2007 einführte.
Alle Sakramente im alten Ritus verworfen
Das Dokument stellt weiter fest, daß das vorkonziliare Rituale Romanum und Pontificale Romanum abgeschafft (abrogiert) worden seien. Nur in Personalpfarreien der alten Messe dürfte mit Erlaubnis des Ortsbischofs ausnahmsweise das Rituale erlaubt werden, aber nicht in anderen Kapellen oder Gottesdienstorten. Das Pontificale darf jedoch nie Anwendung finden.
Damit sind die Taufen und Firmungen und die anderen Sakramente im alten Ritus verworfen, sondern auch die Sakramentalien, wie z.B. die Weihe des Weihwassers.
Von Erzbischof Roche wird als Begründung angegeben:
Bei der Umsetzung der Bestimmungen ist darauf zu achten, dass all jene, die in der früheren Zelebrationsform verwurzelt sind, zu einem vollen Verständnis des Wertes der Zelebration in der rituellen Form, die uns durch die Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils geschenkt wurde, geführt werden, und zwar durch eine angemessene Ausbildung, die es ermöglicht, zu entdecken, wie diese Zeugnis eines unveränderten Glaubens, Ausdruck einer erneuerten Ekklesiologie und primäre Quelle der Spiritualität des christlichen Lebens ist.
Gezwungen zu konzelebrieren
Die Priester werden jetzt nicht nur gezwungen, die „Gültigkeit und die Legitimität der Konzelebration“ anzuerkennen, sondern auch aktiv in ihr teilzunehmen.
Das Dokument wiederholt die Drohung aus dem Begleitschreiben von Traditionis custodes:
Während das Zweite Vatikanische Konzil die äußeren Bande der Eingliederung in die Kirche – das Glaubensbekenntnis, die Sakramente, die Gemeinschaft – bekräftigte, sagte es mit dem heiligen Augustinus, dass es Bedingung des Heiles sei, nicht nur ‚dem Leibe‘, sondern auch ‚dem Herzen‘ nach im Schoße der Kirche zu verbleiben (vgl. Lumen Gentium, Nr. 14).
Es fährt fort:
Bevor der Bischof jedoch die Erlaubnis zur Verwendung des Missale Romanum von 1962 widerruft, bietet er dem Priester die nötige Zeit für einen aufrichtigen Austausch über die tieferen Beweggründe an, die ihn dazu veranlassen, den Wert der Konzelebration nicht anzuerkennen, insbesondere in der Messe, der der Bischof vorsteht, und ihn einzuladen, in der beredten Geste der Konzelebration jene kirchliche Gemeinschaft zu leben, die eine notwendige Voraussetzung dafür ist, am Tisch des eucharistischen Opfers teilnehmen zu können.
Das Dokument erinnert im vierten „dubium“ daran, daß die Lesungen der Heiligen Messe direkt in der Landessprache erfolgen müßen und zwar in der aktuell approbierten Übersetzung der Bischofskonferenz. Es wird aber die Veröffentlichung volkssprachlicher Lektionare, die den Lesezyklus des vorherigen Ritus wiedergeben, ausdrücklich verboten.
Das Lektionar des Novus Ordo (mit seinem Dreijahreszyklus) wird wörtlich als eine der „wertvollsten Früchte der Liturgiereform“ bezeichnet.
Einschränkung der Zelebrationsmöglichkeiten
In der fünften Frage behält sich der Heilige Stuhl ausdrücklich die Erlaubnis für die Zelebration der alten Messe vor. Vorher darf der Ortsbischof keinem Priester seine – ebenfalls notwendige – zusätzliche Erlaubnis erteilen. Diese gilt aber nur innerhalb der Bistumsgrenzen und darf auch nur auf Zeit und mit einer regelmäßigen Überprüfung der Gesinnung der Zelebranten erteilt werden.
Allen neugeweihten Priestern muß – so Rom weiter – in der Ausbildung der „Reichtum der vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewünschten Liturgiereform“ nahegebracht werden.
Eine Vertretung eines verhinderten Priesters mit Erlaubnis zur alten Messe darf im Notfall nicht von einem anderen Priester vertreten werden, der diese Erlaubnis nicht hat.
Auch Diakone müssen für die Mitwirkung als Leviten die Erlaubnis ihres Ordinarius haben.
Ausdrücklich verboten wird einem Priester die doppelte Zelebration von altem und neuem Ritus am gleichen Tage. Da die Gläubigen des alten Ritus am Novus Ordo teilnehmen könnten, sei kein gerechter Grund oder pastorale Notwendigkeit vorhanden, die „Bination“ zu gestatten.
Die Internetseite der deutschen Bischofskonferenz „katholisch.de“ kommentierte am 20.12.2021:
Jede der Antworten auf Fragen, die aus dem Kreis der Bischöfe an die Kongregation herangetragen wurden, wählt die strengstmögliche Auslegung der jeweiligen Norm, teilweise werden die Regeln noch über den Wortlaut hinaus verschärft – insbesondere da, wo es um die Befugnisse des Diözesanbischofs geht. Raum für eine versöhnliche Interpretation, dass der Papst ja eigentlich doch in Kontinuität zu seinem Vorgänger und dessen liturgischen Programm steht und nur einige Wildwüchse eindämmen will, kann man nun kaum mehr vertreten.
Regelungsdichte total
Die Frankfurter Allgemeine formulierte folgende Kritik (20.12.21):
Das Begründungsniveau ist dürftig, die Regelungsdichte total. So viel lässt sich über die jüngste Verlautbarung aus der vatikanischen Schreibwerkstatt sagen. Es geht um die am Samstag publizierten Ausführungsbestimmungen zu dem päpstlichen Schreiben „Traditionis custodes“ (Wächter der Tradition), das im Sommer die überkommene, jahrhundertelang maßgebliche Liturgie zwar restriktiv reguliert hatte, aber doch den Bischöfen der Weltkirche einen gewissen Ermessensspielraum bot, je nach den Umständen von Ort und Zeit. Damit ist nun Schluss.
Unter dem Titel „Responsa ad dubia“ (Antworten auf Zweifel) sollen vorderhand Verständnisfragen geklärt werden. Tatsächlich aber lebt sich hier der römische Zentralismus aus, die Stigmatisierung der alten lateinischen Messe wird verschärft und jedes Mauseloch geschlossen, das „Traditionis custodes“ offen gelassen hatte. Das neue Schreiben degradiert die Bischöfe zu Antragstellern bei den päpstlichen Funktionären der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung.
Der Kommentator Christian Geyer der FAZ weiter:
Die alte Liturgie gehört ausgemustert aus der laufenden Kirchengeschichte, ohne Pardon, jede lebendige Tradierung ihrer Formulare und Feierlichkeiten in die Zukunft hinein soll unterbunden werden. Und zwar, darin liegt das Banausenhafte des Vorgangs, ganz unabhängig davon, welcher kulturelle Reichtum in diesen liturgischen Formen steckt, ob man ihnen persönlich nun gewogen ist oder nicht. Die Restgemeinde der alten Messe soll vor aller Augen ghettoisiert werden, auch wenn es gönnerhaft heißt, es sei nicht beabsichtigt, ´die Gläubigen, die in der vorherigen Zelebrationsform verwurzelt sind, auszugrenzen`.
Vesöhnungswerk von Papst Benedikt zerstört
Regina Einig gab in der Tagespost (20.12.21) folgende Einschätzung ab:
Bemerkenswert ist, dass der bereits in Traditionis custodes geäußerte Vorwurf der Spaltung wiederholt wird, in dem sich die Anhänger der alten Messe nicht als solche wiederfinden. Er mag in Einzelfällen begründet sein – doch solche Einzelfälle gibt es, wie die Segnungsfeiern Homosexueller zeigen, auch unter den Anhängern des Messbuchs Pauls VI.. Man darf gespannt sein, ob einzelne Ortsbischöfe den geradezu beispiellosen Vertrauensverlust in die Leitungskompetenz der Hirten wenigstens teilweise wieder auffangen können. Die heftigen Reaktionen in den sozialen Netzwerken lassen keinen Zweifel daran, dass das Versöhnungswerk von Papst Benedikt XVI. nun zerstört ist.
Wirksamkeit von Traditionis Custodes zweifelhaft
Die Catholic News Agency kommentierte am 18. Dezember 2021:
Nun soll diese traditionelle Messe, die besonders viele junge Familien anzieht und wachsende Gemeinschaften verzeichnet, nur noch unter strengen Auflagen außerhalb Pfarrkirchen gefeiert werden, bekräftigte heute die Mitteilung von Erzbischof Arthur Roche. Weiter schreibt dieser im heute veröffentlichten Responsum, man wolle mit diesen Verboten und Maßnahmen nicht ausgrenzen und ruft dazu auf, Streit zu vermeiden. Es gehe darum, "das Geschenk der kirchlichen Gemeinschaft zu bewahren", behauptet der Erzbischof. Das bezweifeln nicht nur Anhänger der alten Messe … Hunderttausende Katholiken in aller Welt besuchen regelmäßig die TLM. Sie sind zwar nur eine kleine Minderheit, aber im Schnitt weitaus jünger und zeichnen sich durch kinderreiche, fromme Familien und dementsprechend auch einer großen Zahl an Berufungen aus. … Die Zahl der Gläubigen wie Priester wächst, die sich zur "alten Messe" hingezogen fühlen. Ob der Papst mit seinem Vorgehen diese Entwicklung verhindern kann, oder eher beschleunigt: Das ist nur einer der Punkte, die nun vehement debattiert werden.
Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig
Die in Stuttgart ansässige Laienvereinigung „Pro missa tridentina“ veröffentlichte eine besorgte Stellungnahme:
Auch wenn im Motu proprio Traditionis custodes behauptet wird, der Novus Ordo sei der „einzige Ausdruck der lex orandi des Römischen Ritus“ – und auch wenn Erzbischof Roche dies in seinem Dokument 5(!)-mal mit fast identischen Worten wie einen Refrain wiederholt, wird die Aussage dadurch nicht zutreffender. Man denke nur an Divine Worship der zur katholischen Kirche konvertierten Anglikaner (Anglican Use), deren Meßbuch eine „seelsorgliche Variante des römischen Ritus“ ist.
Das Motu proprio spricht von der rituellen Form, die uns durch die Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils geschenkt wurde und die Zeugnis eines unveränderten Glaubens sei sowie Ausdruck einer erneuerten Ekklesiologie. Gemäß dem Grundsatz „Lex orandi – lex credendi“ gibt es keinen berechtigen Grund, dem Usus antiquior seine Übereinstimmung mit dem „unveränderten Glauben“ und dem dazugehörigen „Gesetz des Betens“ abzusprechen, nachdem er viele Jahrhunderte lang Glauben und Beten der katholischen Kirche getragen hat.
Wie „unveränderter Glaube“ und „erneuerte Ekklesiologie“ zusammenpassen, bleibt ein Geheimnis der Autoren. Ebenso, wie der Novus Ordo einerseits eine glaubenstreue Weiterentwicklung des Usus antiquior sein soll – andererseits aber der überlieferte römische Ritus im Widerspruch zur modernen Theologie und deren „Gesetz des Betens“ stehen soll. Das Ganze läßt sich auch nicht stringent auf das Vaticanum II zurückführen, das als „Pastoralkonzil“ keine Veränderung des Glaubensguts vornehmen wollte – diese kam erst durch den angeblichen „Geist des Konzils“.
Papst Benedikt XVI drückte in seinem Begleitschreiben an die Bischöfe zum Motu propio Summorum Pontificum (2007) aus, wovon alle traditionellen Katholiken überzeugt sind: „Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein. Es tut uns allen gut, die Reichtümer zu wahren, die im Glauben und Beten der Kirche gewachsen sind und ihnen ihren rechten Ort zu geben." »
Eine bösartige Lüge
Die einflußreiche britisch-US-amerikanische Internetseite „Rorate-caeli“ kommentierte direkt nach Erscheinen des Dokuments:
Inmitten der gigantischen Krise, die die Kirche im Westen heimsucht, einschließlich des Einbruchs der Gottesdienstbesucherzahlen in der Pandemie, ist es sehr aufschlussreich, dass diese Gewalt die Priorität des Vatikans ist. … Benedikt XVI. hatte den liturgischen Frieden in die Kirche gebracht. Ein Ende der liturgischen Kriege. Der jetzige Papst hat beschlossen, sie wieder zu entfachen. Dafür gibt es keinen logischen Grund. Es gibt nur den unterschwelligen Wunsch nach Spaltung und Gewalt.
Und einen Tag später:
‘Friede, Friede" sagen sie, wenn es keinen Frieden gibt ‚(Jer. 8:11). Und dieser unverantwortliche, ideologische und unrechtmäßige Angriff auf den traditionellen römischen Ritus und die ihm verbundenen Gläubigen kann weder Frieden noch Einheit bringen. Wenn es zu diesem Zeitpunkt noch nicht offensichtlich war, dann sollte es jetzt wirklich für alle klar sein: Dieser Versuch, den usus antiquior zu vernichten, zeigt, dass alles, was diese Amtsführung zu sein behauptet - ‚barmherzig‘, ‚begleitend‘, ‚zuhörend‘, ‚synodal", ‚zärtlich‘, ‚dezentralisierend‘ - eine bösartige Lüge ist.
Kirchenrechtliche Auswege
Der US-amerikanische Priester und Publizist John Zuhlsdorf („Father Z.“) empfahl dem traditionsteuen Klerus seine Zuflucht gegen den Vatikan bei den Ortsbischöfen zu suchen. Er erinnerte in einem Beitrag an den Canon 87 des neuen Kirchenrechts von 1983:
Hier der Text des Canon 87
§ 1.: „Der Diözesanbischof kann die Gläubigen, sooft dies nach seinem Urteil zu deren geistlichem Wohl beiträgt, von Disziplinargesetzen dispensieren, sowohl von allgemeinen als auch von partikularen, die von der höchsten Autorität der Kirche für sein Gebiet oder für seine Untergebenen erlassen worden sind, nicht aber von das Prozeß. oder Strafrecht betreffenden Gesetzen noch von solchen, deren Dispens dem Apostolischen Stuhl oder einer anderen Autorität besonders vorbehalten ist.“
Und § 2.: „Wenn der Rekurs an den Heiligen Stuhl schwierig ist und zugleich in einer Verzögerung die Gefahr schweren Schadens liegt, kann jeder Ordinarius von eben diesen Gesetzen dispensieren, auch wenn die Dispens dem Heiligen Stuhl vorbehalten ist, sofern es sich um eine Dispens handelt, die dieser unter denselben Umständen zu gewähren pflegt, unbeschadet der Vorschrift des can. 291.“
John Zuhlsdorf wörtlich zu diesem Kanon:
Im neuen Dokument gibt es nichts, was Canon 87 blockieren könnte. Es gibt nichts, was dem Apostolischen Stuhl oder einer anderen Autorität vorbehalten wird. Das Einzige, was dem nahe kommt, ist, wenn die Kongregation in einem responsum sagt, dass ein Bischof die Kongregation um eine Dispens für Pfarrkirchen bitten kann. Jedoch bedeutet das nicht, dass der Bischof die Dispens nicht selbst erteilen kann! Sicher, ein Bischof kann darum bitten, aber er muss es nicht.
Kein Platz für die alte Messe
Der Publizist Hans Jakob Bürger, ein intimer Kenner der vorkonziliaren monastischen Liturgien, veröffentlichte folgende nachdenklichen Gedanken auf seiner Webseite:
Müssen Katholiken, die zur Alten Messe gehen zusammen mit ihren Priestern in die Keller und Katakomben hinabsteigen? Sie werden sicherlich nicht, wie geschehen im Anschluss des 2. Vatikanischen Konzil, sich noch einmal im treuen Gehorsam gegenüber Papst und Bischöfen jene Liturgie verbieten lassen, unter der unzählige Gläubige geheiligt wurden.
Eine Warnung ergeht an die ehemaligen „Ecclesia Dei-Gemeinschaften“, die sich womöglich in Sicherheit wähnen, da sie nicht ausdrücklich in den Ausführungsbestimmungen von Erzbischof Roche erwähnt worden sind. Täuschen sie sich aber nicht. Wenn die Diözesanbischöfe die römischen Vorgaben umsetzen haben auch die traditionellen Gemeinschaften keinen Platz und keine Kirche mehr für die Zelebration der überlieferten heiligen Messe.»
Schisma provozieren
Die Internetseite kathnews.de kommentierte (19.12.2021):
Sehr offensichtlich ist es die Strategie Roms, sich bei den der überlieferten Liturgie verbundenen Kreisen auf strikt vorkonziliare Gehorsamsmechanismen zu berufen. Vor fünfzig Jahren haben gerade diese Mechanismen tatsächlich maßgeblich die weitgehend reibungslose Durchsetzung und Annahme der radikalen Liturgiereform Pauls VI. überhaupt ermöglicht. Man will die traditionsgebundenen Gläubigen und Gruppen hinausdrängen; zum Schisma provozieren.
Mit diesem Etikett dürfen sie sich nicht stigmatisieren lassen, doch wem es um mehr als Nostalgie geht, der muss sich wohl von der Illusion lösen, ihm werde zur Bewahrung einer traditionellen Theologie und Glaubenspraxis sozusagen auch noch großzügig die Infrastruktur der Kirche zur Verfügung gestellt, obwohl er in den Augen der Kirchenleitung längst höchstens noch ein anachronistischer Störenfried ist.
Alte Büche aufgehoben – oder doch nicht?
Der britische Konvertit und Priester John Hunwicke (vom britischen Ordinariat ehemaliger Anglikaner) schrieb auf seinem vielgelesenen Internet-Blog:
Die Responsa behaupten, dass die alten liturgischen Bücher abgeschafft wurden. Da Benedikt XVI. 2007 aber gesagt hat, dass sie nicht aufgehoben wurden, müssen Roche und seine Mitverschwörer uns erklären, wann und von wem die „Aufhebung“ vorgenommen wurde, seit Benedikt XVI. diese Erklärung 2007 abgegeben hat. Oder er sollte diese kontrafaktische Behauptung zurücknehmen. Es reicht nicht aus, immer wieder dieselbe Unwahrheit zu verbreiten, ohne eine Begründung zu liefern. Erzbischof Roche behauptet nun, die reformierte Liturgie sei "die primäre Quelle der Spiritualität für das christliche Leben". Sie scheint sogar „eine Bedingung für die Erlösung“ zu sein. Du liebe Zeit! Schlechte Nachrichten für die Mitglieder der orientalisch-katholischen Kirchen sui iuris. Schlechte Nachrichten für die Dominikaner. Schlechte Nachrichten für die Ordinariate ehemaliger Anglikaner. Roches Rat an die Seminaristen lautet: „Es ist ... absolut unerlässlich, dass Priester, die nach der Veröffentlichung des Motu Proprio geweiht werden, diesen Wunsch des Heiligen Vaters teilen". "Unbedingt notwendig"? Haben diese Leute keinen Sinn für die Bedeutung von Worten? Wurde jemals zuvor in Bezug auf einen früheren Papst behauptet, dass es für jeden Christen unerlässlich sei, alle seine Wünsche zu teilen?»
Andere britische Priester, die gerade den 50 Jahrestag des Agatha-Christie-Indultes gefeiert haben, flüchten sich in die Ironie.
Pfarrer Raymond Blake, ein ebenfalls bekannter englischer traditionstreuer Pfarrer, twitterte:
Jetzt, da Erzbischof Roche sogar den Hinweis auf die traditionelle Messe in den Pfarrnachrichten verboten hat, hat ein Freund begonnen, sie als „Jugendmesse“ anzukündigen, weil, wie er sagt, die Jugendlichen sie am meisten wollen.
Der englische Pfarrer Gregory Elder, ebenfalls ein Konvertit, twitterte mit einer Prise britischem Humor:
Der Papst hat angeordnet, dass die tridentinische Messe künftig nicht mehr angekündigt werden darf. In meiner Pfarrei werden wir also die lateinische Messe um 14.30 Uhr nicht mehr ankündigen. Künftig wird es heißen: „Irgendwann nach 14.29 Uhr, aber nicht später als 14.31 Uhr, findet ein kulturelles Treffen für Immigranten aus dem Römischen Reich statt.
Der US-amerikanische Publizist und Historiker Charles Colombe, ein kritischer Beobachter kirchlicher Entwicklungen, schrieb in einem Kommentar:
Ich denke an all die wunderschönen Altäre auf der ganzen Welt, die gebaut wurden, um als würdige Stätten für die traditionelle lateinische Messe zu dienen; ich denke an all die älteren Herren, die so viele von ihnen zerstört haben und die diese Messe nun ganz verbannen wollen. Ich sage es auf die netteste Art: Macht euch davon!
Zynisches Vorgehen
Die Tagespost (20.12.2021) ließ den deutschen Pfarrer von Herzogenrath (bei Aachen), Dr. Guido Rodheudt, zu Wort kommen. Als jemand, der zu 90 Prozent im Novus Ordo zelebriere, und der sich seit 14 Jahren als Pfarrer erfolgreich bemühe, die erneuerte Liturgie durch ihre Feier im Licht der in der „alten Messe“ sichtbaren Tradition seelsorglich fruchtbar zu machen, empfinde er das päpstliche Vorgehen als „zutiefst zynisch und als schwer übergriffig“. Aus seiner Sicht schade die Entwicklung den Seelen vieler Gläubigen, deren kirchliche Heimat – die sie nicht selten durch die Begegnung mit der „alten Messe“ überhaupt erst gefunden haben – ihnen nun „auf eine brutale Weise“ genommen sei.
Skeptisch bewertet Pfarrer Guido Rodheudt das Argument der römischen Gottesdienstkongregation, die Einheit der Kirche fördern zu wollen. Unter der Vorgabe, die Einheit der Kirche zu fördern und zu bewahren, werde diese Einheit durch die Trennung von ihrem vornehmsten und im Kult gegebenen Ort inkarnierter und dennoch zeitüberhobener Wahrheit zerstört. Traditionis custodes bezeichnete Rodheudt zudem als „rigides Machtwort“, das mitnichten die Einheit fördern werde. „Man kann die Wahrheit nicht musealisieren“, so der Pfarrer. Stattdessen wünsche er sich, dass „die Gläubigen, die sich genau davon ansprechen lassen, nicht verzagen, sondern ihrem Gewissen folgen“.
Urteil der Geschichte
Der italienische Historiker Roberto de Mattei gab folgende Einschätzung auf seiner in Italien vielgelesenen Internetseite:
Der Historiker von morgen wird das Pontifikat Pauls VI. wahrscheinlich als katastrophaler beurteilen als das von Franziskus, denn Papa Montini war der Architekt einer leider erfolgreichen Kirchenpolitik, während die ideologischen Operationen von Papst Franziskus bisher gescheitert sind oder zum Scheitern verurteilt sind, weil ihnen die strategische Vision ihrer Vorgänger fehlt.
Die liturgische Revolution Pauls VI. ist die wahre Bombe, die in der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gezündet wurde, und die Traditionalisten würden in denselben Fehler wie Franziskus verfallen, wenn sie ihren Kampf personalisieren würden, ohne zu den Wurzeln eines Konflikts zurückzukehren, der nicht von Menschen, sondern von Prinzipien ausgeht. Der Feind von Paul VI. war in der Tat die Messe und nicht die Traditionalisten, während der Feind von Papst Franziskus nicht die Messe, sondern die Traditionalisten sind, denen er die "Unumkehrbarkeit" der Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils aufzwingen möchte, und zwar mit einem Akt, der ebenso zutiefst spaltend wie nutzlos und ungerecht ist.
Das Ergebnis wird wahrscheinlich nicht sein, die Traditionalisten zu isolieren, sondern ihren Widerstand zu schüren, mit der Unterstützung jener konservativen Bischöfe, die zwar die Anhänglichkeit an die traditionelle Liturgie nicht teilen, aber entsetzt sind über die Beleidigung, die Franziskus dem noch lebenden Benedikt XVI. erteilt hat.
Der Berliner Publizist Michael Charlier schrieb auf seinem Blog „Summorum-pontificum“:
Die Bischöfe, deren Stellung als Verantwortliche für die Liturgie in ihren Diözesen doch angeblich gestärkt werden soll, werden hier also gleich doppelt an die Kandare genommen: Einmal durch den einschneidenden Inhalt der Vorgaben, dann durch die Unterordnung unter die Bischofskonferenzen. Wieweit die Bischöfe sich dem fügen werden, bleibt abzuwarten, und wie sich die Priester verhalten werden, die entweder als Diözesanpriester oder als Priester von altrituellen Gemeinschaften die überlieferte Liturgie und Sakramentenspendung praktizieren, steht noch einmal auf einem anderen Blatt.
Auf nicht wenigen Internetseiten traditionstreuen Internetseiten wurde eine Warnung von Papst Franziskus in seiner Ansprache an die Kurie zu Weihnachten 2021 zitiert:
Der Stolze … wiederholt, wird starr – Starrheit ist eine Perversion, eine aktuelle Perversion – und verschließt sich in seiner Wiederholung, er fühlt sich sicher in dem, was er kennt, und fürchtet das Neue, weil er es nicht kontrollieren kann, er fühlt sich durch es destabilisiert... weil er sein Gedächtnis verloren hat … Der Klerikalismus, der sich als perverse Versuchung täglich durch unsere Mitte schlängelt, lässt uns immer an einen Gott denken, der nur zu den einen spricht, während die anderen nur zuhören und ausführen müssen.