Die Quarant’Ore - Sühnegebet an den Karnevalstagen. Das vierzigstündige Gebet

Der Katholik muß immer unterscheiden, was heilig und was unheilig ist, was sündhaft und was wahrhaft menschlich ist.
„Piusbrüder legen sich nun auch mit den Karnevalisten an.“ So titelte vor einigen Jahren ein diözesanes Kirchenmedium, um gegen den Protest der traditionstreuen Katholiken gegen „Faschingsmessen“ Stimmung zu machen.
Was sollte damit gesagt sein? Wer gegen solche liturgischen Missbräuche aufstehe, sei ein freudloser Zeitgenosse, der den Menschen harmlose Narreteien verbieten wolle.
„Seht“, so der konzilsbegeisterte und weltoffene Christ von heute, „ … wozu die Ablehnung der Liturgiereform und der Öffnung zur Welt führt!“ Und mancher von ihnen unkt, hinter der Maske des „Konservativen“ sei die jansenistische Häresie – eine Art „katholischer Calvinismus“ – zurückgekehrt.
Aber auch nicht wenige Traditionalisten – nicht nur in den Karnevalshochburgen – sind nicht glücklich mit solchen Schlagzeilen.
Müssen „wir“ immer negativ sein? So meinen sie. Und sie verweisen darauf, dass der Karneval doch eine katholische Erfindung sei. Gegen Lebensfreude und Heiterkeit sei überhaupt nichts einzuwenden, das sei ja gerade ein Merkmal des römischen Christentums. Und es mangelt nicht an Hinweisen auf den närrischen Pfarr-Karneval „vor dem Konzil“ und Verankerung der Kirche in volkstümlichen Bräuchen.
Und sogar das schöne Gedicht von Hilaire Belloc wird als Argument angeführt: Wherever the Catholic sun doth shine, there's always laughter and good red wine. At least I've always found it so. Benedicamus Domino!
Was antwortet der katholische Priester darauf? Wie sagte es ein Dogmatik-Lehrer in Zaitzkofen einmal so schön? Distinctio liberabit nos. „Die Unterscheidung wird uns befreien.“
Nein, die Kirche ist nicht gegen Freude und Feste. Im Philipperbrief (4,4f) heißt es – und der dritte Adventssonntag hat davon seinen Namen: „Freuet Euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freuet euch! Eure Güte werden allen Menschen bekannt.“
Was unterscheidet aber die christliche Wirklichkeitsbejahung von der heidnischen Selbstbespiegelung? Das lesen wir vier Verse weiter „Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht!“ (4,8)
Der Katholik muß immer unterscheiden, was heilig und was unheilig ist, was sündhaft und was wahrhaft menschlich ist. Es gibt kein katholisches Doppelleben.
Das Sittengesetz ist an den Karnevalstagen nicht suspendiert.
Das katholische Gewissen weiß zu unterscheiden. Und der Christ wird nicht aus „Feierlaune“ heraus die weise Mahnung der Kirche vergessen. Der hl. Pius X. gibt in seinem Katechismuswerk zwei Antworten auf die negativen Seiten der Karnevalszeit:
„Was sollen wir tun, um den Intentionen der Kirche in der Zeit des Karnevals zu entsprechen?
Um den Intentionen der Kirche in der Zeit des Karnevals zu entsprechen, sollen wir uns von gefährlichen Schauspielen und Belustigungen fernhalten und mit größerem Eifer dem Gebet und der Abtötung obliegen, indem wir das allerheiligste Sakrament öfter als sonst besuchen, besonders wenn es zur öffentlichen Anbetung ausgesetzt ist. Das sollen wir tun, um so viele Ausschweifungen zu sühnen, durch die Gott in dieser Zeit beleidigt wird.
Was muss man tun, wenn man notgedrungen bei einer gefährlichen Karnevalsunterhaltung zugegen sein muss?
Wer notgedrungen bei einer gefährlichen Karnevalsunterhaltung zugegen sein muss, soll zuerst um den Beistand der göttlichen Gnade bitten, um jede Sünde zu vermeiden, sich dann mit großer Bescheidenheit und Zurückhaltung hinbegeben und sich danach durch die Betrachtung irgendeines Grundsatzes des Evangeliums sammeln.“ (Kompendium der christlichen Lehre)
Pius X. erwähnt in der ersten Frage den frommen Brauch des vierzigstündigen Gebetes.
Die 40 Stunden kommen vom Wachen und Beten am heiligen Grab des Herrn – von der Grablege bis zur Auferstehung. In der Zeit der Gegenreformation wurden die Gläubigen durch Kapuziner und Jesuiten ermahnt, gemeinsam (und abwechselnd) eine solche heilige Zeit vor dem Altarssakrament zu verbringen, um vor allem um den Frieden (in der sogenannten „Türkengefahr“) zu flehen. Die Aussetzung des Höchsten Gutes wurde mit besonderer Feierlichkeit begangen und von der Kirche bald anerkannt und besonders als Sühneandacht während der Karnevalszeit empfohlen. Der milde Philipp Neri – sicher kein „Jansenist“ – hat diese Intention in der römischen Kirche besonders gefördert.
Papst Clemens XII. veröffentlichte 1731 ein eigenes Rubrikenbuch für die vierzigstündige Anbetung – die Quarant' Ore-Andacht –, die nach ihm benannte Instructio Clementina. Diese Anweisungen prägen bis heute die Gestalt der Sakramentsandachten im Jahreskreis (Segen mit Monstranz, das Tantum ergo, die Beweihräucherung beim Genitori Genitoque etc.)
Bei der feierlichen Aussetzung von Sonntag bis Karnevalsdienstag sind zwei Votivmessen vorgeschrieben, die „Vom Allerheiligsten Sakrament“ und die „Um Frieden“, dazu die Allerheiligenlitanei und eine Prozession.
Die Quarant’Ore waren ausgezeichnet durch besonders feierlichen Schmuck der Kirchen, eine großen Zahl von Kerzen am Altar, durch ständig besetzte Beichtstühle und durch erbauliche Predigten. Dazu brauchte und braucht es den Eifer einer Gemeinde, die vierzig Stunden – Tag und Nacht – vor dem Allerheiligsten fleht und die Gebete ununterbrochen zum Himmel sendet.
Das Halten der Quanrant’Ore in ihrer ganzen von den Päpsten gewollten Feierlichkeit ist eine große Gnade für eine katholische Gemeinde.
Gerade sie ist Ausdruck geistlicher Freude an der Religion des fleischgewordenen Erlösers und ist die freudige Antwort auf seine Liebe zu den Menschen.