Predigt von Sr. E. Bischof de Galarreta zur Priesterweihe in Zaitzkofen am 20. Juni

Quelle: Distrikt Deutschland

Liebe Mitbrüder, liebe Weihekandidaten, liebe Gläubige, 

der hl. Apostel Paulus hat ein Wort gesagt, das sehr tief, sehr fruchtbar ist und das auch sehr gut das Wesen und die Natur des katholischen Priestertums zum Ausdruck bringt: Der Priester ist der Diener Christi und folglich der Verwalter, der Ausspender der Geheimnisse Gottes.

Er ist der Diener Christi, denn er setzt das Priestertum unseres Herrn Jesus Christus fort, er handelt in persona Christi, als zweiter Christus, als alter Christus. Er ist Diener Christi im Dienste des Sakramentes des Leibes und Blutes unseres Herrn Jesus Christus, d. h. er ist Diener des hl. Messopfers und der hl. Eucharistie. Er steht im Dienst des im heiligsten Sakrament gegenwärtigen Christus, aber er ist auch Diener Christi, des ganzen Christus, des totus Christus – ein Ausdruck des hl. Augustinus –, des integralen Christus, denn er steht im Dienst des Hauptes, Christi selbst, und seines Leibes, Seines mystischen Leibes, der Glieder der Kirche. Christus ist der ewige Hohepriester, weil er Mittler ist, der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen. Wie der hl. Paulus sagt, ein Gott, ein Mittler, der Mensch Jesus Christus. Unser Herr ist Mittler, weil er Haupt ist. Haupt in einem weiteren Sinn der ganzen Menschheit, aber dann eben besonders Haupt seines mystischen Leibes, der Kirche. Er ist Haupt wegen der Gnade des Hauptes, der gratia capitalis.  

Diese Dinge möchte ich mit Ihnen nun betrachten.  Die Gnade des Hauptes, unseres Erlösers, besteht in der Fülle der habituellen Gnade, in der Vollkommenheit seiner heiligmachenden Gnade, insofern sie hingeordnet ist auf das Heil, um das Heil zu wirken, die Heiligung aller Menschen. Darum hat er in allem den Vorrang. Zunächst einmal ist er der Erste, der Höchste, der Vollkommenste, Hervorragendste und Edelste in der Ordnung der Gnade. Darum ist er Vorbild aller Seelen, aller Menschen, Vorbild auch der hl. Kirche. Er ist das vollkommene Vorbild. Und der Bischof weist auf das Wort des hl. Paulus im Römerbrief hin: Jene, die Gott vorauserkannt hat, hat er auch auserwählt, dem Bild seines eingeborenen Sohnes gleichförmig zu werden. So ist er als Erster und Vollkommenster auch gleichzeitig das Ziel der Schöpfung, das Ziel der Kirche und aller Menschen. Wiederum sagt der hl. Paulus: Alles ist euch, ihr aber seid Christus, und Christus ist Gottes. Alles ist auf Ihn hingeordnet. Der Priester als Diener Christi muss mit allen Kräften arbeiten, um dieses Ziel zu fördern, um die Menschen Christus gleichförmig zu machen durch die Adoptivkindschaft. Ebenso muss auch die Kirche dem Haupt gleichförmig werden, die Kirche als sein Leib. So muss der Priester mit allen Kräften arbeiten, um alles zu erneuern instaurare omnia – recapitulare omnia –, alles unter einem Haupte zu vereinigen, unter ein Haupt zu setzen. So arbeitet der Priester mit allen Kräften für das Reich Christi und für die Glorie und Ehre Gottes, auch für die Erlösung, denn das Erlösungswerk ist auf die Ehre Gottes hingeordnet. Sogar die Sünde ist, richtig verstanden, auf die Ehre Gottes hingeordnet, und insoweit lässt Gott sie zu. So lebt und arbeitet der Priester mit allen Kräften für diesen Vorrang Christi und für Sein Reich. 

Durch seine Gnade des Hauptes in der Ordnung der Übernatur hat Christus auch einen Vorrang der übernatürlichen Macht. Und zwar handelt es sich hier um eine Macht, die äußerlich ist, um einen äußerlichen Vorrang bezüglich des mystischen Leibes, und eine Macht, die er innerlich direkt ausübt auf die Glieder des mystischen Leibes. Was diesen Vorrang der Regierung in der Kirche anbelangt, können wir durch diesen Punkt das katholische Priestertum besser erkennen, und zwar insofern diese Macht eben delegiert ist an die Hierarchie der Kirche. Christus übt diese Regierung über den mystischen Leib und über alle Menschen aus, weil er König ist, und er übt sie aus, weil er die Seelen lehrt und heiligt. Daraus ergibt sich das dreifache Amt, das an die Priester delegiert ist, an die priesterliche Hierarchie. Dieser Einfluss des Hauptes auf den Leib ist hingeordnet auf den innerlichen Einfluss, den Christus auf jedes der Glieder ausübt. Das Haupt teilt das Leben mit, und dieses Leben besteht nach dem hl. Thomas von Aquin in einem Zweifachen: in der Sensibilität und in der Bewegung. Das ist ein Bild, das hier angewandt wird, und auf Christus und die Kirche bezogen bedeutet es: Christus teilt das Leben der Gnade den Seelen mit, zunächst eine geistige Sensibilität, die Erkenntnis der Wahrheit, den sensus fidei, den Glauben. Christus, das Haupt, teilt dann zweitens die geistliche Bewegung mit: Damit ist die übernatürliche Liebe gemeint. Der Priester, der nun die äußere Regierungsgewalt empfängt, wirkt gleichzeitig mit an diesen inneren Wirkungen Christi, die der Heiland geheimnisvoll in der Seele wirkt. Mit anderen Worten: Alles Wirken des Priesters ist eine Mitwirkung an der Heiligung der Seelen. Wir sind Mitarbeiter Christi. 

Es ist für den Priester und für das katholische Priestertum ganz wesentlich, mitzuarbeiten an diesem Leben der Gnade, am Wirken Christi in den Seelen, dass sie eben die Wahrheit besser erkennen und in der Liebe wachsen. Diese doppelte Gnade der Erkenntnis und der Liebe ist zuerst in den Aposteln bekräftigt und befestigt worden. Sie sind das Fundament der Kirche und die Säulen der Wahrheit, und darum haben sie von Christus zwei Privilegien bekommen, die wir nicht haben, die wir erwerben müssen auf einem gewöhnlichen Weg: Diese zwei Privilegien bestehen erstens im Charisma der Wahrheit – darum ist auch die Offenbarung abgeschlossen, weil die Apostel den ganzen Glauben hatten, weil sie unfehlbar waren, jeder der Apostel – und zweitens in der Befestigung in der Gnade. Die Apostel waren vollständig bestärkt in der Liebe, sie haben das Charisma der Heiligkeit. Bei der Ausgießung des Heiligen Geistes am Pfingstfest sehen wir diese Wirkung, die Kraft des wahren Glaubens, der Wahrheit und dann eben der Liebe. Was also unser Heiland zuerst festigen wollte in den Aposteln, war genau dies: die Festigkeit des Glaubens und die Vollkommenheit der Liebe. In diesen beiden Dingen besteht die moralische Einheit der Kirche. Denn worin besteht die Einheit der Kirche? Es gibt ein einziges Haupt: Christus, der von sich sagt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Die Kirche hat eine einzige Seele: den Heiligen Geist. Er ist der Geist der Wahrheit und der Geist der Liebe und folglich der Geist der Heiligkeit. Was also die moralische Einheit des mystischen Leibes herstellt, die Einheit zwischen den Gliedern und dem Haupt und der Glieder untereinander, sind genau diese beiden Aspekte. Der hl. Thomas von Aquin nennt das unio in credento et amando. Es ist dies eine objektive Ordnung. Es gibt ein einziges Objekt des Glaubens und der Liebe, nämlich das ewige Leben. „Das ist das ewige Leben“, so spricht der göttliche Heiland im Hohenpriesterlichen Gebet, „dass sie dich, den allein wahren Gott erkennen, und den du gesandt hast, Jesus Christus.“ Sie sehen also: Das Fundament der Einheit ist zuerst objektiv und nicht subjektiv, und dann, insofern die Gläubigen diesem Objekt anhangen, ist eine subjektive Note damit gegeben, ein subjektiver Aspekt. Darin besteht also die Einheit nach dem hl. Thomas von Aquin. Diese Erklärung des hl. Thomas wirft ein Licht auf die heutige Kirchenkrise. Erzbischof Lefebvre wies darauf hin, dass, je mehr das Ende der Zeiten nahe, die Menschen umso mehr des Glaubens verlustig gehen würden und der große Abfall kommen werde; und je mehr die Bosheit überhandnehme, desto mehr werde die Liebe erkalten. Das berührt und betrifft nicht nur die Menschheit, sondern hat eben auch einen Einfluss auf den Leib der Kirche. Darum ist es wirklich der Priester – und zwar im traditionellen Sinn –, der das einzige Heilmittel ist für diese Krise, die wir heute durchleben. Indem eben der Glaube gefestigt und die Liebe in den Herzen entzündet wird. Wir brauchen also nichts zu erfinden, sondern müssen jeden Tag selber in Christus hineinwachsen, der die Wahrheit ist und das Leben, die Vollkommenheit der Liebe. Und der Priester hat dann zu arbeiten auch in den Herzen der Gläubigen, an den Gliedern, dass sie in diesem Wachstum Fortschritte machen. Wachstum in der Erkenntnis, in der Glaubenskraft und eben in der Vollendung der Liebe. Insofern ist der Priester Mitarbeiter unseres Heilandes und seines geheimnisvollen Gnadenwirkens. 

Liebe Weihekandidaten, liebe Mitbrüder, Ihre Treue zum Priestertum geht also durch diese Einheit, diese Einheit in unserem Herrn Jesus Christus. Der Heiland selbst vergleicht sich mit dem Weinstock, wir sind die Reben. „Ohne mich könnt ihr nichts tun“ – mit Nachdruck weist er darauf hin, dass wir ganz eins mit ihm sein müssen, wie die Rebe mit dem Weinstock. Und wenn wir mit ihm eins sind, werden wir Frucht bringen, viel Frucht und bleibende Frucht. Gestern haben wir das heiligste Herz Jesu gefeiert, in ihm ist die Fülle der Gnade. Die Fülle der Gottheit wohnt wesenhaft in ihm, heißt es in der Litanei. Dieses Herz ist also voll Gnade, voll Wahrheit und voll Liebe, und aus seiner Fülle empfangen wir Gnade um Gnade, eben genau diese Gnaden der Wahrheit und der Vollkommenheit der Liebe.

Noch ein Wort zu der besonderen Verbindung zwischen Christus und seiner heiligsten Mutter. Zur Entfaltung seiner Macht hat er uns die Muttergottes gegeben, die allerseligste Jungfrau Maria. Denn durch ihre ganz innige Nähe zu ihrem göttlichen Sohn, zur heiligsten Dreifaltigkeit tritt sie auf als Mittlerin, und ihr ist die Fülle der Gnade gegeben, nicht nur zu ihrer eigenen Heiligung, sondern vor allem auch zur Heiligung ihrer Kinder, der Glieder des mystischen Leibes. Man kann hier nicht von der Fülle der Gnaden in der Muttergottes wie von der Gnade des Hauptes sprechen, aber ihre Mittlertätigkeit hat dennoch eine ähnliche Wirkung. Die spanischen Theologen haben dafür einen Ausdruck gefunden: Es ist ihre mütterliche Gnade. Eine mütterliche Gnade, die hingeordnet ist auf die Heiligung ihrer Kinder, um ihnen das Leben der Gnade, der Macht, der Wahrheit und der Liebe zu vermitteln. Dies tut sie natürlich ganz speziell gegenüber den Priestern. Und diese mütterliche Gnade eint sie mit Christus.

Liebe Mitbrüder, Sie sind Mitarbeiter Christi, und das bedeutet sozusagen gleichzeitig auch, dass Sie Diener Mariens sind. Wir wollen uns hinwenden zum Gnadenthron Christi. Der hl. Paulus spricht ein Wort, das die Kirche auf die Muttergottes anwendet: Adeamus cum fiducia ad thronum gratiae ... Lasst uns voll Vertrauen zum Throne der Gnade gehen, damit wir Gnadenhilfe zur rechten Zeit finden. Wie gesagt, diese Worte, die der hl. Paulus vom Hohepriester spricht, wendet die Kirche auf die Muttergottes an. So wollen wir unsere Zuflucht nehmen zu den heiligsten Herzen Jesu und Mariä und sie innig anflehen, dass wir heilige Priester werden, nicht einfach nur Priester, sondern heilige Priester sollen wir werden. Genau hier liegt das Heilmittel für die furchtbare Krise der heutigen Zeit, damit die Ehre Gottes verbreitet und die Glorie der Kirche gefördert werde. Amen.