Predigt von Bischof Fellay zur Priesterweihe am 2. Juli 2022 in Zaitzkofen
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Lieber Herr Pater Generaloberer, liebe Patres, liebe Weihekandidaten und Seminaristen, meine lieben Gläubigen,
wieder einmal darf dieser Ort Zeuge sein von der unendlichen Barmherzigkeit Gottes. Vom lieben Gott werden wir drei Diakone und drei Priester empfangen.
Was ist ein Diakon? Was ist ein Priester?
Aber was ist ein Diakon? Was ist ein Priester? Nur der Glaube erlaubt uns, ein bisschen zu erfassen, was das bedeutet, Diakon zu werden, Priester zu werden. Gemeinsam haben Diakone und Priester, dass sie, für den Diakon einen Teil, für den Priester mehr von diesem Merkmal des Priestertums empfangen, den Charakter.
In der Theologie, aber auch schon in der Philosophie lernen wir, dass dieser Charakter ein Akzidens ist. Man unterscheidet zwischen Substanz und Akzidens. Die Akzidentien sind Sachen, die in sich veränderlich sind. Die Substanz ist das, was „darunter liegt“. Und man sagt, der Charakter gehöre zu den Akzidentien, d. h. der Mensch, der ihn empfängt, bleibt Mensch; aber dazu wird gesagt, dass dieses Akzidens zur Qualität gehört.
Der Mensch wird verändert
Es gibt verschiedene Akzidentien, neun Arten, und die Qualität bringt es mit sich, dass sie die Substanz verändert; auf lateinisch modifiziert. Sie ist eine modificatio substantiae. Sie verändert die Substanz. Das bedeutet, dass, wer dieses Akzidens empfängt, nicht mehr derselbe ist. Wesentlich bleibt er Mensch, mit all seinen Qualitäten und seinen Mängeln. Die Weihe wird auf dieser Ebene nichts ändern. Und trotzdem wird dieses Merkmal auf ewig so tief der Seele eingeprägt, dass es nicht mehr weggenommen kann! Diakon auf ewig, Priester auf ewig.
Teilhabe am Priestertum Jesu
Aber was ist dieses Akzidens? Was macht dieser Charakter, dass er plötzlich aus einem Menschen einen Priester macht? Die Kirche lehrt uns, dass dieser Charakter, dieses Merkmal, das unsere Kandidaten empfangen werden, eine wahre Teilhabe am Priestertum Christi ist. Also sollen wir auf Jesus schauen.
Mittler zwischen Mensch und Gott
Was ist es, was Jesus zu einem Priester macht? Ein Priester ist ein Mediator, ein Mittler. Das bedeutet, er steht zwischen zweien und versucht, diese beiden zu vereinigen. Diese beiden, das ist einerseits Gott und andererseits der Mensch, die Menschen. Und die Tatsache, dass wir in Jesus die göttliche Natur und die menschliche Natur, vereinigt in der zweiten göttlichen Person, finden, macht den Priester aus, macht, dass Jesus der Hohepriester des Neuen Testamentes ist. Weil Er in Seiner Person das Göttliche und das Menschliche vereinigt, deshalb ist Er der Mediator.
Von Gott bestimmt, steht Er zwischen Mensch und Gott. Verstehen wir auch, dass sich niemand selbst zum Mittler ernennen kann? Ein Mittler muss bestimmt werden, man kann sich nicht selbst zum Mittler machen. Und so ist der Priester von Gott erwählt, unter den Menschen vom lieben Gott für diese Rolle bestimmt. Christus ist also Mediator, Mittler und so ist es auch der Priester. Gehen wir noch weiter.
Priester in Christus
Der Begriff „Priester“ bezieht sich direkt auf Jesus. Es ist noch viel mehr. Der hl. Thomas sagt uns, dass dieses Merkmal Teilhabe ist an dieser wundervollen, wunderbaren Vereinigung der beiden Naturen in der Person Christi, also eine Teilhabe an der hypostatischen Union. Jesus gibt sich wirklich selbst, Er gibt, was Ihn als Jesus ausmacht, Sein Priestertum. Und der Priester findet seinen Daseinssinn nur in Christus. Nur da kann er verstehen, wer er ist: Mittler.
Aus diesem Wesen folgen dann Tätigkeiten und wir könnten zwei Arten der Tätigkeiten unterscheiden: Aktive und passive. Meine lieben Freunde, mit der heutigen Weihe werden Sie vor den Thron der allerheiligsten Dreifaltigkeit katapultiert. Sie werden auf dieser Leiter sein, der Jakobsleiter, von der unser Heiland zu Nathanael spricht, die von der Erde bis zum Himmel reicht, auf der die Engel auf- und niedersteigen. Von nun an ist dies Ihre Wohnung. Sie dürfen nicht von dieser Leiter weichen, Sie sind nicht mehr auf Erden, obwohl noch mit den Füßen, Sie sind nun zwischen Himmel und Erde, aber viel mehr beim Himmel als bei der Erde, denn der Priester ist dazu bestimmt in iis quae sunt ad deum, für die Interessen Gottes.
Also Sie stehen vor der Dreifaltigkeit als Mittler, wie damals Abraham, der über das Los von Sodom und Gomorrha verhandelte. Gibt es einen großen Unterschied zwischen der heutigen Welt und Sodom und Gomorrha? Wer aber verhandelt für das Heil dieser Seelen, die in der Welt sind, wenn nicht der Priester? Und das geschieht im Opfer.
Für die heilige Messe
Wenn der Bischof die Tätigkeiten des Priesters beschreibt, beginnt er mit diesem offere, opfern, und unser verehrter Gründer, Monseigneur Lefebvre, pflegte zu sagen und immer zu wiederholen, der Priester sei für die heilige Messe, für das Messopfer bestimmt. Sein ganzer Sinn besteht in der Messe. Ohne Priester gibt es keine Messe. Auch das hängt wesentlich zusammen.
Dieses Opfer ist nichts anderes als das Opfer Christi. Die Kirche lehrt uns, es ist dies ein Dogma: Die heilige Messe ist ein wahres, eigentliches, Eigen-Opfer Christi. Ein Opfer, das aber identisch ist mit dem Opfer Christi am Altar des Kreuzes. Es ist ein und dasselbe Opfer, nicht ein anderes, keine Kopie, nicht nur ein Gedächtnis. Das eigentliche Kreuzesopfer: Das ist die Messe.
Und dank des Priesters wird das Opfer Christi am Altar des Kreuzes vergegenwärtigt, man könnte versuchen zu sagen wiederholt, aber es nicht ein neues. Es ist nicht ein zweites, es ist das eine Opfer selbst. Mit allen Eigenschaften des Kreuzesopfers. Wie kann das sein? Da rühren wir irgendwie an die Unendlichkeit.
Instrument Gottes
Dieses Merkmal macht aus dem Priester ein Werkzeug. Ein Werkzeug in den Händen des Hohenpriesters. Ein Werkzeug, dem die Freiheit nicht geraubt ist. Wie bei jedem Werkzeug behält der menschliche Priester die eigene Tätigkeit. Aber irgendwie wird diese Tätigkeit enteignet. Man hat beide Seiten.
Jesus will den Priester gebrauchen, um Seine priesterliche Tätigkeit zu vervielfältigen. In dem Sinne hängt Er vom Priester ab, Er hängt von seinen Worten, Er hängt von der Entscheidung des Priesters darüber ab, wo es geschehen, wann es geschehen wird. Will der Priester keine Worte aussprechen, sei es bei der heiligen Messe, sei es bei der heiligen Beichte, dann geschieht überhaupt nichts, nichts!
Die göttliche Tätigkeit, Seine Barmherzigkeit, diese will der liebe Gott Seinem Priester überlassen, von ihm abhängen lassen. Aber dann: Wenn der Priester die Formel des Sakramentes auszusprechen beginnt, wenn er die Handlung beginnt, dann wird er sozusagen seiner Tätigkeit beraubt, sie gehört nicht einmal dem Priester mehr, sie gehört ganz, total dem Heiland. Sagt der Priester „Ich spreche dich los“, dann ist es wohl der Priester, der es sagt, die Worte aber gehören Gott und Gott benutzt diese Worte, um das zu verwirklichen, was nur Gott kann: Verzeihen. „Das ist mein Leib“, sagt der Priester. Er sagt „mein“ und er sagt es und weiß ganz genau, und das will er auch, dass dieses „mein“ nicht ihm gehört. Er sagt „Das ist mein Leib“ und er sagt dies in aller Wahrheit und er weiß, dass dies nicht sein Leib sein wird. Er sagt aber nicht: „Dies ist der Leib Christi“, was er will, er gebraucht es nicht, denn diese Worte, die er ausspricht, gehören ihm nicht mehr. Sie gehören dem Heiland.
Das bewirkt das Merkmal: Der Priester wird zum Werkzeug. Wie es ein sehr schönes Gebet über den Priester sagt: Möge der Priester sich daran erinnern, was er am Altar sagt: Das ist mein Leib. Das ist der Kelch meines Blutes. Ich bin wie das Brot, wie das Blut, eine geweihte Substanz, die aufgehört hat, sich selbst zu sein. Weiter kann man in der Enteignung nicht gehen.
Priester und Opfer
Und auch das gehört zum Priester, denn zum Hohenpriester gehört es, dass er bei der Opferhandlung nicht nur der Priester ist, sondern auch die geschlachtete Opfergabe. So Jesus, so Sein Priester. Sacerdos et victima, Priester und Opfergabe. Und das gehört auch wesentlich zum Merkmal, zum Charakter. Deshalb sagt auch der Heiland: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst.“ Es gibt eine Selbstverleugnung, es gibt ein Verschwinden. Geht der Priester zu den Gläubigen, dann wollen die Gläubigen nicht einen Menschen sehen, sie wollen Jesus sehen, Jesus hören, die Wirkung von Jesus empfangen, nicht die eines Menschen.
Das kann irreführend sein. Das verpflichtet den Priester zu einem ständigen Verschwinden in den Händen des Hohenpriesters. Gott ist Gott und bleibt Gott. Ein Gott, der Seine Priester benutzen will, wie gesagt, von ihnen abhängen will für die Verwirklichung des Werkes der Erlösung. Wie hoch ist der Priester, unfassbar! Höher als die Engel.
Der hl. Franz von Sales erzählt diese Geschichte von einem Jungen, der die Gnade hatte, seinen Schutzengel zu sehen, und der Schutzengel führte ihn. Aber an dem Tag seiner Priesterweihe, als er aus der Kirche hinausging, gab es plötzlich einen Halt. Man hat zuerst nicht verstanden, was da los war. Diesen neuen Priester hat man dann gefragt, was geschehen war. Sein Schutzengel, der bis zu diesem Punkt ihn führte, also vorausging, wollte in diesem Augenblick nicht mehr vorne sein, er wollte dem Priester diesen Platz geben. Wie hoch ist der Priester!
Der hl. Pfarrer von Ars sagt, wenn wir verstehen würden, was der Priester ist, wir würden sterben. Wir würden sterben aus Liebe. So groß ist die Liebe Gottes zu Seinem Diener.
Wir feiern heute das Fest Mariä Heimsuchung und da haben wir auch eine Lehre für den Priester, auch für den Diakon. Schauen wir einmal. Die erste Tätigkeit des menschgewordenen Wortes Gottes, die uns beschrieben wird, von der wir wissen, ist, was in diesem Augenblick der Heimsuchung geschah. Was bedeutet es? Es bedeutet, dass diese erste Heiligung des Hohenpriesters durch Maria geschehen war. Durch Maria und sogar in Maria. Maria musste das Kindlein zu der Cousine Elisabeth bringen, so dass Johannes der Täufer im Schoß seiner Mutter geheiligt werde.
Also Jesus wollte die Mutter, wollte diese Wirksamkeit, dieses Gehen über die Berge zur Cousine, um Johannes den Täufer zu heiligen. Er hätte es selber machen können. Er hätte es von Nazareth aus machen können. Nein, Er wollte es durch Maria, durch diese Liebestat Seiner Mutter tun, durch diese Begrüßung. Was für eine Lehre für den Priester! Wenn der Heiland diesen Weg nehmen wollte, ist es wirklich angebracht, dass der Priester auch diesem Weg folgt: In Maria, durch Maria, der Mutter des Priesters.
Gehen wir also zu ihr, wollen wir ihr Ihre Diakonats- und Priesterweihe anvertrauen. Sie möge diesen Schatz jeden Tag schützen, bewahren, befruchten, dass mehr und mehr die Tätigkeit des Heilands durch sie wirke zum Heil der Seelen, zur größeren Ehre Gottes. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.