Polen: Gott wird optional
Die „Polnische Vereinigung der Pfadfinder und Pfadfinderinnen“ (ZHP) ist ein Jugendverband mit 100.000 Mitgliedern. Sie ist damit die größte Pfadfinderorganisation der Welt. Nach ihrem Selbstverständnis steht sie allen jungen Menschen offen, „unabhängig von ihrer Herkunft, Nationalität, Rasse oder ihrem Glauben.“
Letzten Monat beschloss die ZHP, den Pfadfindern die Wahl zu lassen zwischen dem derzeitigen Pfadfinderversprechen, in dem sie schwören, „Gott und Polen zu dienen“, und einem neuen, alternativen Text, in dem Gott nicht erwähnt wird.
„Als Organisation wollen wir jungen Menschen die Möglichkeit geben, ihren eigenen Weg zu finden“, schrieb die ZHP in einer Erklärung. „Die Einführung einer Version, die das Wort Gott weglässt, wird den Beitritt von Menschen legitimieren, die noch nicht bereit sind, ihren Glauben zu definieren, aber noch auf der Suche danach sind.“
Die Entscheidung hat Entrüstung hervorgerufen. Jan Michał Dziedziczak, Staatsminister in der Kanzlei des polnischen Regierungschefs, warnte, dass „Versuche unternommen werden, eine atheistische Ideologie zu implementieren“.
„So etwas wie weltanschauliche Neutralität gibt es nicht“, sagte Dziedziczak. Unter dem Slogan der weltanschaulichen Neutralität werde versucht, eine atheistische Ideologie durchzusetzen, um eine Welt ohne Gott zu errichten. Er wies darauf hin, dass der Begründer der Pfadfinderbewegung, der britische Offizier Robert Baden-Powell (1857–1941), und die Begründer des Pfadfindertums in Polen, Olga Małkowska (1888–1979) und Andrzej Małkowski (1888–1919), „das Pfadfindertum als untrennbar mit der christlichen Erziehung verbunden“ betrachteten.
Auch der Seelsorge-Beirat der ZHP, der aus sieben katholischen Verbands-Kaplänen besteht, sieht voraus, dass eine schleichende „Atheisierung“ zu „ideologischen Konflikten“ im Verband führen werde. „Wir stehen der Änderung negativ gegenüber, weil wir glauben, dass sie in erster Linie dazu dient, die christlichen Werte zu beseitigen [...], die Identität der polnischen Pfadfinder zu untergraben und eine mehr als hundert Jahre alte Tradition der Pfadfinderei zu verletzen, die eindeutig auf Gott und christliche Werte ausgerichtet war“, so die Pfadfinder-Kapläne.
Nach Umfragen sehen sich heute weniger als 25 % der polnischen Jugendlichen als religiös praktizierend. In den frühen 1990er Jahren waren es noch fast 70 %.
Steht das Pfadfindertum in Polen vor einer Spaltung? Der an der Entscheidung des ZHP abzulesende Kulturkampf hat andere europäische Verbände schon lange erfasst.
Foto: queer.de