Palmsonntag

Quelle: Distrikt Deutschland

Mit dem Palmsonntag beginnt die heiligste Zeit des Kirchenjahres, die Karwoche.Die Priesterbruderschaft St. Pius X. möchte alle Gläubigen ermuntern, diese Woche ganz besonders in Vereinigung mit der heiligen Mutter Kirche zu erleben. Dazu bringen wir jeden Tag eine Erklärung der liturgischen Texte.

Der Palmsonntag

Der König führt die Seinen durch Kampf zum Sieg

1. T a g e s f e i e r : Der Sinn dieses Tages ist nicht bloß die Erinnerung an den Einzug Jesu in Jerusalem, sondern der: Wir wollen den Herrn feierlich in sein Leiden begleiten.

Dies können wir aber nur tun, wenn wir zuerst selbst zu Kämpfern und Märtyrern geweiht werden. Dies bedeutet die Feier des Palmsonntags. Wir werden sie nur dann richtig verstehen und mitbegehen, wenn wir uns lebhaft vorstellen, dass Christus in unserer Mitte ist, dass wir seine Jünger sind, die ihm den Triumphzug bereiten. Wir geleiten den Herrn vom Ölberg in die heilige Stadt zu seinem Leiden. Es ist also ein heiliges Schauspiel, bei dem wir alle nicht bloß Zuschauer, sondern Mitspieler sind. Sehen wir uns die Personen und die Orte an. Die Szene hat drei Schauplätze oder Akte: der erste ist der Ölberg (Palmweihe in der Versammlungskirche), der zweite der Weg vom Ölberg bis zum Tor der Stadt Jerusalem (Palmprozession), der dritte spielt in der heiligen Stadt selbst (Messe in der Stationskirche). Personen sind: Christus, ihn müssen wir uns gegenwärtig denken im Sinnbild des Kreuzes, das vorangetragen wird, oder des Priesters; in der alten Zeit wurde sogar eine Eselsfigur mit einer Christusstatue auf einem Wägelchen mitgeführt; man nannte dies den Palmesel, der jetzt noch sprichwörtlich gebraucht wird. Die Jüngerschar sind wir alle; besonders haben heute auch die Kinder eine wichtige Rolle, sie stellen die Judenkinder dar, welche dem Herrn Hosanna zugerufen haben. Nun wollen wir das heilige Schauspiel wirklich spielen.

1. Akt: P a l m w e i h e : Wir versammeln uns in einer kleineren Kirche, sie stellt heute den Ölberg dar; hier werden die Palm- und Ölzweige geweiht; und zwar bringen diese die Gläubigen nicht mit, sondern sie liegen in der Nähe des Altars auf einem Tisch beisammen. Die Palmweihe vollzieht sich jetzt ganz in Form einer Messe, die aber keine Wandlung und Kommunion hat.  An Stelle der Wandlung werden die Zweige geweiht und an Stelle der Kommunion werden die Zweige an die Anwesenden ausgeteilt. Die Feier beginnt. Den einziehenden Priester begrüßen wir als Christus mit dem Jüngergesang: „Hosanna dem Sohne Davids: Hochgelobt sei der da  k o m m t  im Namen des Herrn; o König von Israel, Hosanna in der Höhe.“ Das war der Eingang. Es folgt gleich das Kirchengebet: dieses blickt auf die großen Ereignisse der Woche, auf den Tod und die Auferstehung des Herrn und erbittet die Gnade auf Erden und die Glorie im Himmel. Es ist, als ob wir durch den feierlichen Einzug des Priesters zum Altar an unsern Himmelseinzug erinnert würden. Wir werden übrigens heute noch ein zweites Mal daran erinnert werden: bei der Palmprozession vor dem Tor der Kirche. Es folgt die Epistellesung. Diese führt uns in die Wüste, wo die aus Ägypten ziehenden Juden in einer Oase von zwölf Quellen und 70  P a l m b ä u m e n  lagern. Wir hören, wie sie gegen Moses murren, wie sie sich nach den Fleischtöpfen von Ägypten sehnen. Wir hören aber auch, wie Gott ihnen das Manna verheißt, das sie täglich in der Wüste speisen soll. „Morgen werdet ihr die Herrlichkeit Gottes schauen.“ (Mit diesem Wort deutet die Kirche das kommende Osterfest an.) Es folgt ein Zwischengesang: die sinnende Seele wandert von der Wüste mit den 70 Palmbäumen auf den Ölberg und sieht den Herrn in seiner Todesangst im Ölgarten; sieht, wie sich die Hohenpriester versammeln und den Tod des Herrn beschließen. Es folgt das Evangelium; dieses erzählt den feierlichen Einzug Christi in die Stadt Jerusalem unter dem Jubel des Volkes. Nun beginnt die feierliche Weihe der Zweige. In diesen Weihegebeten wird auch erklärt, was die Palm- und Ölzweige bedeuten sollen. Sie sind Sinnbilder des Martyriums Christi, aber auch der Christen. Der Herr geht jetzt freiwillig in den Tod, und wir folgen ihm, die Palmen in den Händen tragend, nach. Der Priester singt jetzt eine Präfation mit den üblichen Ausrufen; es ist eine alte Präfation auf die Märtyrer, „welche den großen Namen des Eingeborenen vor Königen und Machthabern dieser Welt bekennen“. Das Dreimalheilig (Sanctus) wird gesungen; nun folgen sechs Weihegebete, welche die Bedeutung der Zweige auslegen. Die Kirche erinnert an die Taube aus der Arche Noes, die den Ölzweig als Zeichen des Friedens brachte. Die Kirche bittet, die Zweige mögen den Gläubigen zum Segen gereichen: „In welches Haus sie gebracht werden, da mögen die Bewohner deinen Segen erlangen; deine Hand verscheuche alle feindliche Gewalt und beschütze die Deinen.“ „Die Palmzweige“, heißt es weiter, „verkünden den Sieg des Herrn über den Fürsten des Todes; die Ölzweige verheißen uns, dass die Gaben des Heiligen Geistes uns mitgeteilt werden.“ Ist nun die Weihe beendet, dann sollen sie von den Priestern dem Volke verteilt werden. Die Kirche setzt eine feierliche Überreichung voraus. Es ist unsere alljährliche Ritter- und Märtyrerweihe. Durch die Entgegennahme bekennen wir uns als Märtyrer und sind jetzt fähig, den König der Märtyrer Jesus Christus in sein Leiden zu begleiten. Während der Verteilung fühlen wir uns schon als „die Kinder der Juden“, welche dem Herrn mit Zweigen entgegengehen.

Es ist keine bloße Zeremonie, wenn dir die Kirche heute die Palme in die Hand gibt, ebenso wie sie am Lichtmesstage die Kerze überreichte: damals übernahmst du damit das Versprechen, Lichtermensch zu sein; heute versprichst du, Märtyrer und Bekenner zu sein. Bist du dir bewusst, was das heißt: Märtyrer sein? Märtyrer heißt Zeuge für Christus sein, Zeuge im Werk und Leben, Zeuge im Wort und Bekenntnis, auch, wenn es sein muss, mit Verlust deiner Güter, ja, deines Blutes und Lebens. Wenn du die geweihte Palme in dein Zimmer hängst, so erinnert sie dich das ganze Jahr an deine Märtyrerweihe.

Und noch eines: Welcher Unterschied ist zwischen der Leidensgeschichte des Herrn und der Feier der Karwoche? Damals litt der Herr allein, jetzt aber will er auch seine Glieder, das sind wir Christen, durchs Kreuz zur Auferstehung führen. Die Palme in unserer Hand sagt: wir gehen mit Christus und Christus in uns in das Leiden zur Auferstehung.

2. Akt:  P a l m p r o z e s s i o n. Nur als Ritter Christi, nur als Märtyrer bist du wert und würdig, den Herrn und König der Märtyrer in seinen Heldenkampf zu geleiten. So ist auch der zweite Akt eine bedeutsame Handlung: Wir führen den Sieger über Tod und Hölle in den Kampf, das ist die Bedeutung der Prozession. Wir sollten an ihr mit tiefster Ergriffenheit teilnehmen. Stellen wir uns vor, wir lebten zur Zeit der Märtyrer; einer der Unsern würde um des Glaubens willen zum Tode verurteilt, die Gemeinde begleitet ihn auf seinem letzten Gang; mit welcher Ehrfurcht würden wir dahinschreiten!

Es beginnt die Prozession, voran das Kreuz, die schönen Gesänge erinnern uns beständig, dass wir als Jünger des Herrn, „den Sieger über den Tod“, begleiten in die Stadt.

Heute wird die Palmprozession leider in unseren Kirchen nur angedeutet, früher im Mittelalter war sie eine herrliche Kundgebung, eine Huldigung an Jesus, den König des Gottesreiches: man zog zur Stadt hinaus, die Palmzweige, Zeichen des Sieges, in den Händen. Jesus wurde symbolisch mitgeführt, sei es im Evangelium, Kreuz oder einer Figur auf einem Esel. Welch ein tiefer Sinn: die Christen ziehen mit Christus, es ist eine Prozession von Siegern und Helden! Auch heute sollte man diese Prozession  zum Leben erwecken und zu einem Glaubensbekenntnis machen; bittet euren Pfarrer darum! Besonders lasset auch die Kinder mitgehen und mitsingen; sooft das Hosanna gesungen wird, sollen alle freudig ihre Palmzweige erheben.

Der Zug kommt zum Tor der Pfarrkirche; die Sänger treten ein, dann aber wird das Tor verschlossen. Die Priester und die ganze Gemeinde sammeln sich um das verschlossene Tor. Jetzt stimmt der Sängerchor einen Lobgesang auf Christus den König an, wobei das Volk eine Kehrstrophe immer wiederholt. Es ist dies ein herrlicher Hymnus von Bischof Theodulf von Orleans, der gerade in der Gefangenschaft war (um 800), eine Huldigung an Christus den König. Ist der Gesang zu Ende, dann klopft der Subdiakon mit dem Kreuzesschaft dreimal an die Türe, die hierauf geöffnet wird, worauf der Einzug in die Kirche erfolgt. Durch diese Zeremonie erweitert sich das Sinnbild der Prozession: die ganze Menschheit zieht zum ewigen Ziel, zum Himmel; doch seit der Erbsünde ist das Tor des Paradieses verschlossen; da kommt Jesus auf die Erde, er besteigt das Kreuz, und bei seinem Tode klopft er mit dem Kreuz an die Himmelstür, die Pforten öffnen sich, und nun beginnt der Einzug in den Himmel, der erst am Jüngsten Tage endet. So wird aus der Erdenprozession die Himmelsprozession.

Beachten wir doch die ergreifende Königshuldigung vor dem Tor. Das Portal der Kirche erinnert die römischen Christen an die alten Triumphbögen, die den Siegern gebaut wurden. Heute soll es ein solcher für den Sieger Christus sein. Es könnte heute mit Palmen geschmückt werden. Wie sollte doch diese Huldigung wieder Gemeingut des Volkes werden! Vor dem großen Kirchplatz sollte die ganze Pfarrgemeinde versammelt sein, und alle, Kinder und Volk, mit Palmen in den Händen sollten singen: „Herrlichkeit, Lob und Preis sei dir, Fürst Christus, Erlöser, dem die kindliche Schar frommes Hosanna geweiht.“

3. Akt: D i e  M e s s f e i e r: Die Stationskirche, St. Johann im Lateran, stellt die Stadt Jerusalem dar, und so ziehen denn Christus und wir, die Jüngerschar, in die heilige Stadt ein: „Als der Herr  e i n z o g  in die heilige Stadt, verkündeten die Kinder der Hebräer die Auferstehung des Lebens.“ (Antiphon beim Eintritt in die Kirche) Doch wozu ist Christus eingezogen? Etwa, um sich als König krönen zu lassen? Nein, um zu leiden. Und so schlägt denn die Stimmung der Liturgie plötzlich um, die folgende Messe versetzt uns mitten in die Passion; alle Teile der Messe sind tieftraurig, die Kirche malt das Schmerzensbild des leidenden Heilandes, die Gesänge sind Klagerufe aus dem Munde Christi, der in seiner ganzen Verlassenheit zum Vater emporschreit.  Drei Männer sprechen den Prolog zum Kreuzesdrama: der König und Prophet  D a v i d  (Einzug, Tractus, Opfermahl), der Völkerlehrer und Kreuzespediger  P a u l u s  (Ep.) und der Evangelist und Apostel  M a t t h ä u s  (Passion).

a) D a v i d:  Der königliche Sänger stimmt den berühmten messianischen  P s a l m 21 an. Nach einstimmiger Überzeugung der Väter, der Kirche, ja auch der Synagoge ist dieser Gesang direkt messianisch, d. h. handelt auch im Wortsinn vom Leiden Christi. Wir fassen ihn als eine Vision Davids auf, in der er die Kreuzigungsszene sieht. Der Psalm ist uns umso teurer, als der Herr wenigstens einen Vers, vielleicht sogar den ganzen Psalm, am Kreuze gebetet hat. Der Gesang stellt den Höhepunkt des Leidens dar: die Verlassenheit des Herrn am Kreuze. Wir werden beim Beten des Psalmes im Geiste auf Golgotha stehen und das traurige Bild auf uns wirken lassen. Gewiss werden wir nicht jedes Wort und Bild auf eine bestimmte Szene der Passion anwenden können; der Sänger will vielmehr mit dem Pinsel der Sprache die furchtbare Verlassenheit des Gekreuzigten malen, er ringt nach Worten und Bildern, um an die Wirklichkeit heranzukommen. Im ersten Teil finden wir ein Schwanken der Stimmung: einerseits ein Gewurzeltsein in Gott, eine Hingabe, ein Vertrauen, Gehorsam gegen den Vater, andererseits höchste Gottverlassenheit und Hilflosigkeit. Im zweiten Teil ziehen wechselnde Passionsbilder an unserem Auge vorüber. Die Feinde werden gern in reißende Tiergestalten gekleidet. Daneben hören wir auch einige wörtliche Weissagungen: „Sie haben meine Hände und Füße durchbohrt, sie teilten unter sich die Kleider.“ „Trocken wie eine Scherbe ist meine Zunge.“ Das Ende des Psalmes bringt einen vollen Umschwung der Stimmung: Der Kelch ist geleert bis zur Neige, jetzt strahlt noch in der Finsternis die Auferstehungsglorie. Christus lässt noch ein Danklied für die Erlösung der Welt erschallen.

b) P a u l u s: Das zweite Zeugnis gibt der große Prediger des Kreuzes, Paulus; in seinem Briefe an die Lieblingsgemeinde Philippi zeichnet er in großen Strichen das Bild des Gekreuzigten; die Stelle ist vielleicht die herrlichste Charakteristik Jesu, die je gegeben wurde. Der Hauptvers „Christus ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze; darum hat ihn Gott erhöht …“ wird in den drei letzten Kartagen den Kehrvers und die kurze Zusammenfassung des Leidens bilden.

c) M a t t h ä u s: Der dritte Sprecher ist der Evangelist Matthäus in seiner Leidensgeschichte. Gerade Matthäus zeichnet uns den Herrn in seiner ganzen Menschlichkeit, in seiner Verlassenheit, so wie ihn der Prophet vorausgesehen hat.

In den meisten Kirchen wird die Leidensgeschichte feierlich von drei Priestern gesungen, von denen der eine den Evangelisten, der zweite Christus und der dritte die übrigen einzelnen Personen darstellt, während der Chor die Rolle des Volkes übernimmt. Dabei sollen die Sänger und das Volk die Palmzweige in den Händen halten, ein Bekenntnis der Treue zu Christus, dem leidenden König. In jenen Kirchen, wo kein feierlicher lateinischer Gesang der Passion stattfindet, sollte die Leidensgeschichte von einigen Männern mit verteilten Rollen in deutscher Sprache gelesen werden.

Doch auch das Ostermotiv fehlt der Messe nicht ganz; in der Epistel erhebt sich unser Blick über den Karfreitag hinaus zur Osterherrlichkeit Christi. Im Offertorium und in der Communio wird Opferbrot und Wein mit dem Leiden des Herrn sinnreich in Verbindung gebracht. Während die Gemeinde Brot und Wein zum Opfertisch bringt, singt die Schola als Wiederholungsvers: „Sie gaben mir zur Speise Galle und in meinem Durste tränkten sie mich mit Essig.“ Und wenn die Gemeinde beim Opfermahl die heilige Eucharistie empfängt, da singt die Kirche stets wiederholend: „Vater, wenn es nicht sein kann, dass dieser Kelch vorübergeht, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille." (Wir sehen wieder, wie die Gesänge erst in Verbindung mit den entsprechenden Prozessionen verstanden werden.) Am Ölberg hat die Liturgie heute begonnen, am Ölberg endigt sie. (Comm.)

Wenn wir noch einmal die ganze Palmsonntagsfeier überschauen, so führt sie uns in drei Stufen empor: wir bereiten dem Sieger und König Christus einen Triumph; wir lassen ihn aber nicht allein in den Kampf ziehen, wir werden selbst zu Kämpfern geweiht, und wir gehen endlich mit ihm in den Tod in der Messe. Doch nicht das Sterben ist das Ende. Die Kirche zeigt uns noch ein erhabeneres Ziel: so wie wir treu zu ihm gestanden im Leben und im Kampfe, wie wir „seinen erhabenen Namen vor Könige getragen“ (Präf.), so werden wir einziehen ins Himmelreich, um mit ihm zu herrschen in Ewigkeit. Auch dies ist Sinnbild der Palmprozession.

 

Im Kreuz ist Heil!

Aus: Das Jahr des Heils; Klosterneuburger Liturgiekalender von Pius Parsch, 10.Aufl., 2. Bd. Osterteil