Messe aller Zeiten und neuer Ritus
1976 befand sich Mgr. Lefebvre in einem Gewissenskonflikt. Man wollte ihm im Namen des Gehorsams den neuen Ritus aufzwingen. In der Predigt zu den Weihen stellte er den Gläubigen seine Gründe zur Ablehnung und die Notwendigkeit, den „Ritus aller Zeiten“ zu bewahren, dar.
Haben wir Unrecht, indem wir darauf bestehen, den Ritus aller Zeiten zu bewahren? Sicher, wir haben gebetet, uns beraten, nachgedacht, betrachtet, um zu wissen, ob wirklich wir es sind, die im Unrecht sind, oder ob wir vielleicht tatsächlich nicht ausreichend Gründe hätten, uns nicht dem neuen Ritus unterzuordnen.
Ja, genau, die Standhaftigkeit jener, die uns nach Rom geschickt haben, um uns zu bitten, den Ritus zu ändern, bringt uns zum Nachdenken. Doch wir sind überzeugt, dass genau dieser Ritus der neuen Messe einen neuen Glauben ausdrückt, einen Glauben, der nicht der unsrige ist. Einen Glauben, der nicht katholisch ist. Diese neue Messe ist ein Symbol, ein Ausdruck, sie ist ein Abbild eines neuen Glaubens, eines modernistischen Glaubens.
Denn wenn die heilige Kirche über Jahrhunderte diesen kostbaren Schatz bewahren wollte, den sie uns geschenkt hat, den Ritus der Heiligen Messe, der vom heiligen Papst Pius V. kanonisiert wurde, dann ist das kein Zufall. Sondern dann ist es deswegen, weil sich in dieser Messe unser ganzer Glaube befindet, der ganze katholische Glaube, der Glaube an die Heilige Dreifaltigkeit, der Glaube an die Heiligkeit unseres Herrn Jesus Christus, der Glaube an die Erlösung unseres Herrn Jesus Christus, der Glaube an das viele Blut unseres Herrn Jesus Christus, das zur Vergebung unserer Sünden geflossen ist, der Glaube an die übernatürliche Gnade, die uns durch das Heilige Messopfer zukommt, die uns durch das Kreuz zukommt, die uns durch alle Sakramente zukommt.
Genau das glauben wir, wenn wir das heilige Opfer mit der Messe aller Zeiten feiern. Das ist eine Glaubenseinweisung und zugleich eine Quelle unseres Glaubens, unerlässlich für uns in dieser Zeit, in der unser Glauben von allen Seiten angegriffen wird. Wir brauchen diese wahrhaftige Messe, diese Messe aller Zeiten, dieses Sakrament unseres Herrn Jesus Christus, um unsere Seelen mit dem Heiligen Geist und mit der Kraft unseres Herrn Jesus Christus zu nähren.
Nun aber ist es ganz klar, dass der neue Ritus unterschwellig, wenn ich so sagen darf, eine andere Konzeption der katholischen Religion voraussetzt, eine andere Religion. Nicht mehr der Priester opfert das heilige Sakrament der Messe auf, sondern die Gemeinschaft. Das nun aber ist Programm. Ab sofort wird auch die Gemeinschaft die Autorität in der Kirche ersetzen. Die Bischofsgemeinschaft ersetzt die Macht der Bischöfe. Der Gemeinderat ersetzt die Macht des Bischofs in der Diözese. Ab sofort bestimmt die Mehrheit in der heiligen Kirche, und genau das wird in der neuen Messe ausgedrückt, denn die Gemeinschaft ersetzt den Priester, und zwar so weit, dass nun viele Priester die Heilige Messe nicht mehr feiern möchten, wenn es keine Gemeinschaft gibt.
Ganz sanft wird das protestantische Konzept in die Messe der heiligen Kirche eingeführt. Und das passt zu der Mentalität des modernen Menschen, des modernistischen Menschen, das passt genau, denn es ist das demokratische Ideal, welches die grundlegende Auffassung des modernen Menschen ist. Das heißt, die Macht ist in den Gremien, die Autorität bei den Menschen, in der Masse und nicht bei Gott. Und das ist sehr schlimm. Denn wir glauben an den allmächtigen Gott; wir glauben, dass Gott die ganze Autorität innehat; wir glauben, dass die gesamte Autorität von Gott kommt.
Omnis potestas a Deo: Die ganze Autorität kommt von Gott. Wir glauben nicht, dass die Autorität vom Volke kommt; dass die Autorität von der Basis kommt. Nun ist das aber die Mentalität des modernen Menschen. Und die neue Messe ist nichts weniger als der Ausdruck dieser Idee, dass sich die Autorität an der Basis befindet und nicht mehr bei Gott. Diese Messe ist keine hierarchische Messe mehr; es ist eine demokratische Messe. Und das ist sehr schlimm. Sie ist der Ausdruck einer ganz neuen Ideologie. Man gewährt der Ideologie des modernen Menschen Einzug in unsere allerheiligsten Riten. Und das ist es, was unsere Kirche derzeit korrumpiert. Durch diese Idee, der Basis Macht in der Heiligen Messe zuzuschreiben, zerstört man das Priestertum.
Man zerstört das Priestertum und somit den Priester. Wenn der Priester keine persönliche Macht mehr hat, die Macht, die ihm durch seine Weihe gegeben ist, wie sie in Kürze diese zukünftigen Priester erhalten werden – sie werden ein Wesensmerkmal erhalten, ein Wesensmerkmal, das sie über das Volk Gottes stellen wird. Sie werden nie wieder sagen können, jetzt nach der Zeremonie, die sie erhalten haben werden, werden sie nie wieder sagen können: Wir sind Menschen wie die anderen.
Sie werden Gottesmänner sein; sie werden Männer sein – möchte ich fast sagen –, die an der Heiligkeit unseres Herrn Jesus Christus durch ihr priesterliches Wesensmerkmal teilhaben. Denn unser Herr Jesus Christus ist Priester in Ewigkeit, Priester nach der Ordnung des Melchisedech, denn er ist Jesus Christus, weil die Heiligkeit des Wortes Gottes in diese Menschheit eingehaucht wurde, die Er getragen hat …
Sie werden auch die Verbindung zwischen Gott und dem Volk Gottes sein. Sie werden nicht nur die Repräsentanten des Gottesvolks sein; sie werden nicht nur die Beauftragten des Gottesvolks sein; sie werden nicht nur die Vorsteher der Gemeinschaft sein. Sie werden Priester für die Ewigkeit sein, gezeichnet mit dem Wesensmerkmal für alle Ewigkeit, und niemand hat das Recht, dieses nicht zu respektieren; auch wenn andere das Wesensmerkmal nicht respektieren, tragen sie es dennoch in sich. Sie tragen es für immer in sich.
Das ist es, was wir glauben; das ist unser Glauben und das ist es, was das heilige Sakrament der Messe ausmacht. Der Priester ist derjenige, der das heilige Sakrament der Messe opfert. Und die Gläubigen nehmen an diesem Opfer teil, von ganzem Herzen, mit ganzer Seele.
Aber es sind nicht sie selbst, die das heilige Sakrament der Messe opfern. Der Beweis dafür ist, dass der Priester das heilige Sakrament der Messe auf dieselbe Art opfert, ob er allein ist oder umgeben von tausenden von Menschen. Sein Opfer hat einen unendlichen Wert; das durch einen Priester geopferte Sakrament Unseres Herrn Jesus Christus hat einen unendlichen Wert. Das ist es, was wir glauben.
Und daher denken wir, dass wir diesen neuen Ritus nicht akzeptieren können, der das Werk einer anderen Ideologie ist, einer neuen Ideologie…
Bitten wir den heiligen Petrus und den heiligen Paulus, uns diesen auf Fels gebauten Glauben zu bewahren. Oh ja, wir glauben an Petrus, wir haben den Glauben in den Nachfolger Christi. Aber wie es schon Papst Pius IX. in seiner dogmatischen Konstitution sagte: Der Papst hat den Heiligen Geist empfangen, nicht um neue Wahrheiten zu erfinden, sondern um den Glauben aller Zeiten zu erhalten. So die Definition des Papstes während des Vatikanischen Konzils I, unter Papst Pius IX. Und deswegen sind wir überzeugt, dass, wenn wir diese Traditionen weiterführen, wir unsere Liebe, unsere Folgsamkeit, unseren Gehorsam gegenüber dem Nachfolger Petri zeigen.
(Predigt in Ecône während der Priesterweihen am 29. Juni 1976)