Letzte Generation von Christen in Jerusalem?
Seit über 20 Jahren besuchen Bischöfe aus verschiedenen europäischen Ländern in einer sogenannten „Koordinationsgruppe“ regelmäßig das Heilige Land, um sich selbst ein Bild über die Situation der Katholiken in Israel und den Palästinensergebieten zu machen.
Gegründet wurde diese Initiative von der Bischofskonferenz von England und Wales. Die Teilnehmer kommen aber aus wechselnden Bischofskonferenzen. In diesem Jahr nahmen sechs Oberhirten an der Reise teil, die vom 21. bis 26. Mai dauerte:
- Erzbischof William Nolan von Glasgow (Schottland)
- Peter Bürcher, emertierter Bischof von Reykjavík (Island)
- Bischof Alan McGuckian SJ von Raphoe (Irland)
- Denclan Lang, Bischof von Clifton (England)
- Udo Bentz, Weihbischof von Mainz (Deutschland)
- Nicholas Hudson, Weihbischof von Westminster (England)
Die Bischöfe warnten davor, dass die Präsenz der christlichen Bevölkerung in Jerusalem durch Armut bedroht sei.
Die Bischöfe schrieben in ihrem Abschlussbericht: „Wir haben gesehen, wie viele Menschen jeglicher Herkunft in Armut leben, die durch die Pandemie noch verschlimmert wurde. Das Ausbleiben der Pilger in den letzten zwei Jahren hat die Lebensgrundlagen zerstört, auch in der christlichen Gemeinde Jerusalems, so dass einige Familien Mühe haben, sich eine Wohnung, Lebensmittel oder andere lebensnotwendige Dinge zu leisten. Trotz dieser Herausforderungen gibt es auch Zeichen der Hoffnung. Wir besuchten christliche Organisationen, die Verantwortung für das Wohlergehen ihrer Gemeinde und der Gesellschaft im Allgemeinen übernehmen. Sie arbeiten unermüdlich daran, die Not zu lindern und das Leben zu verbessern. Wir trafen junge Menschen, die sich trotz der täglichen Verletzung ihrer grundlegenden Menschenrechte weigern, die letzte Generation von Christen in der Stadt zu sein.“
Laut einem statistischen Bericht des Jerusalem Institute for Policy Research für das Jahr 2019 hatte die Stadt Ende 2019 eine Bevölkerung von 936.000 Einwohnern im östlichen und westlichen Teil, darunter 563.000 Juden und 358.000 Araber. Von den 358.000 Arabern in der Stadt waren 12.900 Christen (ca. 60 Prozent Katholiken), der Rest Muslime. Außerdem gab es in der Stadt 3.300 nicht-arabische Christen und etwa 11.100 Einwohner ohne Religionszugehörigkeit. Vor hundert Jahren machten die Christen noch etwa 25 Prozent der Bevölkerung Jerusalems aus. Aktuell suchen viele junge Katholiken eine bessere wirtschaftliche Zukunft im Ausland, vor allem in den USA.
Die Bischöfe luden die Katholiken zur Pilgerfahrt nach Jerusalem ein und mahnten, bei dem Besuch der Heiligen Stätten auch die wirtschaftlichen Nöte der Christen im Auge zu behalten:
Wenn die Pilger wieder zurückkehren, rufen wir sie dazu auf, die Christen in Jerusalem und im gesamten Heiligen Land zu unterstützen. Es ist wichtig, dass alle Pilger die Lebenswirklichkeit der christlichen Gemeinschaft hier verstehen und sich mit ihr auseinandersetzen. Eine echte Pilgerreise ins Heilige Land sollte eine Reise des Glaubens, der Begegnung und der Solidarität sein.