Die Lehre der Kirche über Jesus Christus: 11. Das Priestertum Christi und sein Werk

Quelle: Distrikt Deutschland

Priesterweihe in Priesterseminar Herz-Jesu in Zaitzkofen

Die Menschwerdung Gottes steht im Dienst der Erlösung, und diese wurde vollzogen, indem Jesus Christus als Hohepriester am Kreuz ein vollkommenes Opfer zu unserer Erlösung darbrachte.

Priester nach der Ordnung des Melchisedech

Schon im Alten Testament wurde das Priestertum des Messias im Psalm 109 angekündigt: „Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedech.“ Das Priestertum Christi wird damit als ein neues Priestertum angekündigt, das nicht aus der Ordnung Aarons ist. Das alttestamentliche Priestertum wurde durch Abstammung weitergegeben: Priester konnte nur sein, wer aus dem Stamm Levi und näherhin aus der Familie Aarons war. Jesus aber war aus dem Stamm Juda, aus dem die Könige kamen, nicht aber die Priester.

Im Neuen Testament beschäftigt sich besonders der Hebräerbrief mit dem Priestertum Christi und dessen Erhabenheit über das levitische Priestertum. Da das alte Priestertum die Menschen nicht zur Vollendung führen konnte, heißt es hier, wurde in Jesus ein neuer Priester gegeben, der „für immer die zu retten vermag, die durch ihn vor Gott hintreten“ (7,25). Er hat „ein unvergängliches Priestertum“ (7,24). Im Grunde gibt es im Neuen Testament nur einen einzigen Priester, denn diejenigen, die in der Kirche das Sakrament der Priesterweihe empfangen, erhalten nur einen Anteil am Priestertum Christi. Sie haben also kein eigenständiges Priestertum, sondern sind nur Werkzeuge in der Hand des ewigen Hohepriesters.

Das Priestertum Christi zeichnet sich auch dadurch aus, dass er nicht irgendwelche Gaben, sondern „sich selbst zum Opfer dargebracht hat“ (7,27). Er ist „nicht mit dem Blut von Böcken und Rindern, sondern mit seinem eigenen Blut ein für alle Mal in das Allerheiligste hineingegangen und hat eine ewige Erlösung erworben“ (9,12).

Sein Priestertum wird nach Melchisedech benannt, weil das Messopfer, das er eingesetzt hat, um das Kreuzesopfer zu vergegenwärtigen und dessen Früchte den Menschen zuzuwenden, unter den Gestalten von Brot und Wein vollzogen wird und damit dem Opfer des Melchisedech in der äußeren Gestalt ähnelt.

Christus ist als Mensch Priester, denn „jeder Hohepriester wird aus den Menschen genommen“ (5,1). Da seine Menschheit aber diejenige der zweiten göttlichen Person ist, ist er wie kein anderer geeignet, zwischen Gott und den Menschen zu vermitteln, denn er gehört zu beiden Seiten, zwischen denen er vermittelt. Darum heißt es: „Es ist ein Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus“ (1 Tim 2,5). Die Aufgabe des Priesters ist es nun aber gerade, Gott die Gaben und Opfer darzubringen und den Menschen die göttlichen Gnaden und Segnungen zu spenden. Jesus Christus ist darum als Gottmensch auch Priester. Deshalb benötigte er keine Priesterweihe, sondern war vom ersten Augenblick seiner Empfängnis an ewiger Hohepriester.

Das Erlösungswerk

Wie hat uns Christus nun aber erlöst? Inwiefern war sein Tod unsere Erlösung? – Die Hl. Schrift zeigt verschiedene Aspekte des Leidens Christi. So sagt schon der Prophet Isaias über den Messias, dass dieser „wegen unserer Sünden verwundet, wegen unserer Frevel zerschlagen wurde. Zu unserem Heil lag Strafe auf ihm – durch seine Striemen wurden wir geheilt“ (53,5). Johannes der Täufer führt Christus dann als das sühnende, sündentilgende Lamm ein: „Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt“ (Joh 1,29). Der hl. Paulus sagt, dass Gott „den, der die Sünde nicht kannte, für uns zur Sünde gemacht“ hat (2 Kor 5,21). Christus wurde also mit den Sünden der ganzen Welt beladen, um für sie Buße zu tun.

Oft wird die Erlösung auch als Loskauf von Sünde und Teufel geschildert: Christus selbst sagt, der Menschensohn sei gekommen, um „sein Leben hinzugeben als Lösepreis für viele“ (Mt 20,28). Er hat „sich zum Lösepreis für alle dahingegeben“ (1 Tim 2,5). Wir sind „nicht mit vergänglichen Werten, mit Gold und Silber, losgekauft, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“ (1 Petr 1,18 f.). In der Apokalypse heißt es schließlich, dass Christus „uns geliebt und uns durch sein Blut von unseren Sünden erlöst hat“ (1,5).

Diese Gedanken werden von den Kirchenvätern ebenfalls vorgetragen. Einige von ihnen sind allerdings bei dem Versuch, das Erlösungswerk näher zu erläutern, nicht ganz glückliche Wege gegangen. Hier ist vor allem Origenes zu nennen, der meinte, Christus habe, um uns von der Herrschaft des Teufels zu befreien, diesem sein Blut als Lösepreis bezahlt. Dabei sei der Teufel aber überlistet und betrogen worden, denn er habe die Seele Christi nicht festhalten können und sei so des Kaufpreises wieder verlustig gegangen. Diese Idee wurde schon bald als unwürdig verworfen, denn Christus hat weder sein Blut noch seine Seele dem Teufel bezahlt.

Manche Väter haben aber einen ähnlichen Gedanken in folgender Weise zum Ausdruck gebracht: Der Teufel habe sein Eigentumsrecht an der sündigen Menschheit verloren, weil er es ungerechterweise auf den völlig Schuldlosen ausdehnte und den tötete, auf den er kein Recht hatte. Das ist nun zwar ein Aspekt, unter dem man das Erlösungswerk betrachten kann, aber sicher nicht der Hauptaspekt. Vor allem hatte der Teufel kein wahres Eigentumsrecht an der gefallenen Menschheit, sondern sein Anspruch, Herr der Welt zu sein, war von Gott nur gerechterweise zugelassen worden.

Am besten hat der hl. Anselm von Canterbury in seinem Werk Cur Deus homo (Warum Gott Mensch geworden ist) das Erlösungsgeschehen erklärt. Er lehrt, dass die objektive Verunehrung, die Gott durch die Sünden der Menschen angetan wurde, durch das Selbstopfer des Gottmenschen wiedergutgemacht wurde. Die unendliche Beleidigung Gottes (denn die Größe der Beleidigung richtet sich vor allem nach der Würde des Beleidigten) wurde durch das Opfer Christi, das wegen seiner göttlichen Person einen unendlichen Wert hat, gesühnt. Der Ungehorsam Adams und seiner Nachkommen wurde durch den Gehorsam Christi gegen seinen Vater, der dieses Sühnopfer angeordnet hatte, wiedergutgemacht. Durch diesen Sieg über den Teufel ehrte Christus Gott mehr, als die ersten Menschen Gott verunehrten, als sie sich vom Teufel überlisten ließen. Diese Auffassung wurde in der scholastischen Theologie maßgebend. Sie ist auch keine neue Theorie, sondern fasst nur die Gedanken schärfer, die schon von den Kirchenvätern immer wieder vorgetragen wurden.

Durch sein Opfer am Kreuz hat Christus also alle unsere Sünden wiedergutgemacht und uns alle Gnaden verdient, die wir für ein heiliges Leben brauchen. Er hat uns auch den Himmel wieder geöffnet, sodass wir nach unserem Tod nicht mehr warten müssen, wie die Seelen der Gerechten vor dem Opfer Christi. Die Wirkungen dieses Opfers werden uns jedoch nur durch den Glauben und die Sakramente zugewendet. Wer also aus eigener Schuld nicht an Christus glaubt und seine Sakramente nicht empfängt, dem nützt das Erlösungsopfer Christi nichts.

Die Erlösung in der neuen Theologie

Die Lehre vom stellvertretenden Sühnetod Christi wird in der modernen Theologie meist abgelehnt. Man sagt, der Sühnegedanke sei einer primitiven Religiosität entsprungen, die meint, Gott durch ein Opfer versöhnen zu müssen. Sie sei ein evangeliumswidriges Leistungs- und Werkdenken, die Idee der Stellvertretung ein Sündenbockmechanismus. Des Weiteren sei das Sühnedenken zu juridisch. Gott sei kein Buchhalter, und wie könne überhaupt ein Vater den Kreuzestod seines Sohnes wollen?

Joseph Ratzinger gab zwar zu, dass in Anselms Theorie „entscheidende biblische und menschliche Einsichten eingefangen sind“. Es bleibe hier jene Wahrheit leitend, die „die Bibel in dem kleinen Wörtchen ‚Für‘ ausdrückt“. Aber auf der anderen Seite könne man doch nicht leugnen, „dass das perfekt logisierte göttlich-menschliche Rechtssystem, das Anselm aufgerichtet hat, die Perspektiven verzerrt und mit seiner ehernen Logik das Gottesbild in ein unheimliches Licht tauchen kann“.[1] Für Eugen Drewermann ist eine „Opfer- und Sühnetheologie“ Jesus völlig fremd gewesen. „Er sah in seinem Tod überhaupt keinen Sinn.“ Nur durch sein Gottvertrauen habe „sein Sterben einen Sinn gehabt“.[2] Sogar Erzbischof Robert Zollitsch antwortete als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz in einem Interview am Karsamstag 2009 auf die Frage, ob Christus für unsere Sünden gestorben sei, ausdrücklich mit „Nein“. Christus habe vielmehr aus Solidarität mit uns den Tod auf sich genommen. Dabei heißt es doch in den Wandlungsworten – auch in der Neuen Messe –, dass das Blut Christi zur Vergebung der Sünden vergossen werde.

Die Kritiker des Sühnegedankens übersehen auch meist, dass die Hingabe Christi am Kreuz sehr wohl immer als Tat der höchsten Liebe gesehen wurde. So schreibt z. B. Anselm:

„Denn was könnte barmherziger gedacht werden, als wenn Gott Vater zu dem Sünder, der zu ewigen Peinen verurteilt ist und nichts hat, wodurch er sich daraus befreien könnte, spricht: Nimm meinen Eingeborenen und gib ihn für dich; und der Sohn: Nimm mich und erlöse dich?“[3]

Die Liebe Gottes nimmt die Sünde und ihre Bosheit ernst und bagatellisiert sie nicht. Wer die Sünde dagegen verharmlost, wie das heute meist geschieht, kann natürlich nicht verstehen, warum Christus für die Sünden so viel leiden musste.

 

Anmerkungen

[1] Einführung in das Christentum, Kösel: München 1968, S. 188 f.

[2] Zitiert nach: Die Tagespost vom 2.1.92. Die Aussagen wurden ursprünglich in der Weihnachtsnummer des Spiegels gemacht.

[3] Cur Deus homo II,20.