Lasst uns Gott lieben, denn Er hat uns zuvor geliebt. (1 Joh 4,19)

GEDANKEN ZUM KARFREITAG
„Vieles, Herr, hast Du für mich getan“, sagt der hl. Ambrosius, „und ich beugte meine Knie nicht, um Dich anzubeten; Du hast die Welt erschaffen und mich, und hast zum ersten der irdischen Geschöpfe mich gesetzt und ich beugte meine Knie nicht, um Dich anzubeten; aber als ich endlich Dich sah gedemütigt, verwundet, gekreuzigt für mich – da konnte ich nicht länger stehen, sondern vom Gewicht so großer Liebe überwunden, fiel ich auf die Knie und betete Dich an.“…
Liebe verdient Gegenliebe. Wenn uns Gott zuvor und zwar so sehr geliebt hat, so müssen wir Ihn wieder lieben. Wir müssen das Wort des Herrn an uns wahr machen: „Wenn Ich erhöht sein werde, werde Ich alles an mich ziehen.“ Ihn wieder zu lieben, nehmen wir uns heute beim Kreuz Jesu Christi ernstlich vor. Wenn das Feuer unserer Liebe nicht durch das Kreuzesholz entzündet wird, so wird es nimmer angefacht, wir bleiben ohne Liebe, und bleiben daher im Tod.
„Meine Liebe ist der Gekreuzigte,“ sagt der hl. Märtyrer Ignatius. Sagen wir dasselbe auch aus dem tiefsten Grund unseres Herzens; und wenn wir das Bild des Gekreuzigten küssen, so sei dieses nichts anderes, als der wahre Ausdruck dieser Gewinnung: Meine Liebe ist der Gekreuzigte. Aber bedenken wir wohl: die eine oder die andere flüchtige, vielleicht bloß sinnliche Regung des Herzens für Jesus ist noch nicht Liebe; deswegen trösteten Ihn auch die Tränen der weinenden Frauen auf Seinem Kreuzweg nicht. Wenn der Gekreuzigte wirklich unsere Liebe sein soll, so müssen wir gesinnt sein, wie Paulus, der da schreibt: „Die Liebe Christ drängt uns… Für alle ist Christus gestorben, damit, die da lieben, nicht mehr sich leben, sondern Dem, Der für sie gestorben ist.“
Den Gekreuzigten lieben, heißt also für den Gekreuzigten leben. Wenn also Er unsere Liebe sein soll, so dürfen wir nicht der Welt leben; die Welt muss uns gekreuzigt sein. Und wir dürfen nicht uns leben, wir müssen das Fleisch kreuzigen mit seinen Begierden. Der Gekreuzigte muss uns Gottes Weisheit und Gottes Kraft sein, wenn Er auch fortwährend den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit ist. (1 Kor, 1,23)
Wenn wir Ihm leben, wie werden wir uns einst freuen, wenn das Kreuz am Himmel erscheinen und Der es getragen und daran Sein Leben hingegeben hat, zum Gericht kommen wird, und wie entzückt werden wir in alle Ewigkeit rufen: „Würdig ist das Lamm, das getötet wurde, zu empfangen… Ehre, Preis und Lob. Wohlan denn: lasset uns Gott leben, weil Er uns zuvor geliebt hat.
Aus einer Predigt des ehrw. Dieners Gottes, Bischof Franz Josef Rudigier, am Karfreitag des Jahres 1847