Kreuzweg der Jugend

Domenichino (Domenico Zampieri) - Auf dem Weg zum Kalvarienberg
Betrachtungen zu den Kreuzwegstationen, verfasst von Jugendlichen der KJB.
Am Kardienstag versammelte sich die KJB zum traditionellen Kreuzweg bei der Iddaburg.
ERSTE STATION
Jesus wird zum Tode verurteilt
Eigentlich wäre es Pilatus eine grosse Freude gewesen, Jesus freizulassen, um den Pharisäern zu beweisen, wer der Herr der Stadt ist. Vor allem hat er erkannt, dass Jesus eine grosse Autorität und Ausstrahlung hat – Jesus beeindruckt ihn sehr – auf keinen Fall dürfen die Pharisäer ihren Willen bekommen! Und dennoch, er fürchtet, seine ohnehin schon schlechte Stellung zu verlieren. Der Druck der ganzen Stadt, fast aller wichtigen Männer des hohen Rates und schliesslich die Angst davor, die Freundschaft zu Rom zu verlieren, sind ihm zu viel – er gibt nach und verurteilt Jesus zum Tode am Kreuz.
Mein Herr und Heiland! Du hast das ungerechte Urteil von Pilatus einfach angenommen. Aus Furcht vor den Menschen war es für ihn das einfachste, dich einfach zu verurteilen und somit die Probleme mit den Juden loszuwerden.
Verzeih mir, weil auch ich mich oft an den anderen orientiere, statt auf dich zu schauen! Wie oft überlege ich mir, was die anderen denken könnten und wie oft ist mir das wichtiger als beispielsweise ein andächtiges Kreuzeichen. Wenn ich nur schon in kleinen Dingen auf andere Menschen achte -, hätte auch ich dich ungerechterweise zum Tod verurteilt?
Bitte, gib uns die Gnade, stets dich vor Augen zu haben. Ersetze unsere Menschenfurcht durch wahre Gottesfurcht!
ZWEITE STATION
Jesus nimmt das Kreuz auf sich
Freudig nimmt Jesus das Kreuz an. Verspottet, geschlagen, ungerecht verurteilt und fast zu Tode gegeisselt wurde unser Herr. Wieso freut sich Jesus nach all diesen Misshandlungen, nun noch das Kreuz tragen zu müssen? Bestimmt freut er sich nicht am Leiden. Bereits im Ölgarten hatte er lähmende, panische Angst. Eine Angst, wie wir sie noch nie verspürt haben. Beim blossen Gedanken an die bevorstehenden Qualen tritt das Blut aus seinen Poren. Er hat vor Angst gezittert. Jesus hat sich nicht darauf gefreut zu leiden. Aber er hat sich gefreut, uns zu erlösen. Eine so zarte, innige Liebe hatte er zu uns Menschen, dass er sich gerne für uns hingegeben hat. Es heisst: „Freudig umfängt Jesus das Kreuz“. Niemand muss es ihm auferlegen, er nimmt es freiwillig an, weil er uns liebt. Er sieht dabei nur uns. Von dieser unendlichen, innigen Liebe angetrieben, nimmt er sein Kreuz willig und gerne an. Und von dieser Liebe erfüllt, trägt Jesus unter Todesqualen sein eigenes Kreuz, um uns den Himmel zu öffnen, um uns ein Beispiel zu geben. Er geht uns den Weg voran zum Vater.
Oh mein Jesus, vor Angst bebend hast du schon im Ölgarten dein „Ja Vater“ gegeben. Du liebtest nicht das Kreuz, sondern seine Frucht. Die Frucht, dass du deine geliebten Menschenseelen erlösen konntest. Nicht widerwillig, sondern freudig hast du dein „ja“ gesprochen und liebend das Kreuz umfangen. Mein Jesus, du kennst mein Kreuz, du weisst, womit ich zu kämpfen habe. Gib mir deine Liebe. Lehre mich aus dieser Liebe heraus, den Fokus von der Anstrengung abzuwenden und mich ganz darauf auszurichten, für wen ich mich hingebe. Maria, hilf mir, dass ich aus Liebe mein Kreuz im Alltag annehme, um so durch dieses „Ja Vater“ ganz erfüllt, ganz von Gott durchdrungen zu werden.
DRITTE STATION
Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz
Das schwere Kreuz, das der Heiland für uns getragen hat, drückt unseren Herrn zum ersten Mal auf den Boden. Jesus leidet unglaubliche Qualen für uns. – Seine Liebe ist so gross! Was machen wir für ihn? Gott gibt uns bewusst auch ein Kreuz zu tragen, manchmal scheint es leicht zu sein und manchmal scheint es, uns zu erdrücken! Was machen wir daraus? Wie gehen wir damit um, wenn wir fallen? Stehen wir wie Jesus mit viel Vertrauen wieder auf? Wir wissen, das Gott uns immer zur Seite steht und uns nie ein Kreuz gibt, welches zu schwer für uns ist. – Also möchten wir uns bewusst sein, dass es nicht darauf ankommt, wie oft wir in unserem Leben fallen, sondern viel mehr, ob wir immer wieder aufstehen!
VIERTE STATION
Jesus begegnet seiner betrübten Mutter
Einsam und verlassen schreitet Jesus weiter auf dem Weg des Leids. Auch Maria drängt sich durch die Menge. Grob wird sie zur Seite geschoben, angestarrt, vielleicht beschimpft – doch sie geht weiter. Jeder Schritt kostet Kraft, nicht nur körperlich, vielmehr seelisch, denn sie geht auf das unaussprechliche Leid ihres Sohnes zu. Jeder Schritt bringt sie näher zu dem, was ihr das Herz zerreisst, zu ihrem Sohn, zum Kreuz, zum unausweichlichen Schmerz.
Sie könnte sich verstecken, die Augen verschließen, aber sie tut es nicht. Sie stellt sich selbst zurück – aus Liebe.
Und dann, endlich, treffen sich ihre Blicke. Für einen Moment bleibt die Welt stehen. Kein Schrei, kein Wort – nur dieser Blick. Ein stummer Austausch zwischen Mutter und Sohn, tiefer als jede Sprache. Liebe. Schmerz. Seelenverbundenheit. Zwei Herzen, die im gleichen Takt schlagen - vereint in der Liebe, die bis ans Kreuz geht.
Was für eine Ohnmacht, das Leiden des eigenen Kindes nicht aufhalten zu können. Und doch ist ihr Dasein ein Kraftquell. Sie trägt mit, indem sie bleibt.
Auch wir stehen oft vor Situationen, in denen wir nichts tun können – ausser da sein. Und gerade das ist so kostbar. Ein Blick. Ein stilles Mittragen. Ein „Ich bin bei dir“ im Schweigen. Fangen wir an bei unseren Nächsten!
Wenn wir die Heilige Messe feiern, stehen auch wir unter dem Kreuz. Wir sind nicht Zuschauer, sondern Mitgehende, Miteidende, Mitopfernde. Wie Maria. Wir bringen unser Leben, unser Leiden, unsere Liebe – und sagen: Ich bin bei dir, Herr. Ich geh mit dir. Bitte, gib mir die Gnade des Mitleidens.
FÜNFTE STATION
Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen
Simon, ein einfacher Arbeiter des Feldes, wollte am Abend, wie gewohnt nach Hause gehen. Doch diesen Abend begegnete er auf dem Weg einem fremden Mann, der voll war mit Blut, ganze Fleischstücke waren von seinem Körper weggerissen, und er trug ein schweres Kreuz auf seinen Schultern. Und jetzt sollte Simon einfach diesem fremden Menschen, dessen Anblick abstossend ist, helfen? Was für eine Schande…er war ja für nichts schuldig und wird einfach gezwungen.
Doch dieser Mann war nicht einfach irgendein Fremder, sondern Jesus Christus, der Sohn Gottes, der für die Sünden jedes einzelnen litt. Simon hatte die grosse Chance Jesus, beladen mit dieser grossen Last unserer
Sünden und des Kreuzes, zu unterstützen.
Aber haben nicht auch wir diese Chance Jesus zu helfen? Geht nicht auch jeden Tag Jesus mit seinem Kreuz an uns vorbei und bittet uns Ihm zu helfen? Was ist unsere Antwort? Sind wir taub und wollen Jesus Stimme nicht wahrnehmen?
Anders als Simon müssen wir kein sichtbares Kreuz tragen, aber die Schwierigkeiten, die uns im Alltag begegnen, und die ihn schwer machen, können genauso erdrückend sein. Sei es der Druck in der Schule oder im Beruf, die Erwartungen der Gesellschaft oder persönliche Probleme in der Familie – all das sind unsere „Kreuze“, die uns oft entmutigen können.
Dieses Kreuz ist keine Strafe, sondern ein Mittel, durch das wir wachsen und heilig werden können. Es ist genau das, was wir brauchen, um im Glauben stärker zu werden und so unseren persönlichen Anteil an der Erlösung beizutragen.
Jesus sagt zu uns: Trage dein Kreuz mit Vertrauen, denn ich bin es, der es dir jeden Tag nach Maß zuschneidet – nach dem Maß deiner Kräfte und nach dem Maß meiner Liebe, und folge mir nach.
SECHSTE STATION
Veronika reicht Jesus das Schweisstuch dar
Geduldig und ohne zu murren, geht Jesus den Kreuzweg. Zur Rechten und Linken des Weges steht das schreiende und gaffende Volk. Mitten unter dieser lärmenden Menschenmenge steht auch Veronika, eine fromme Frau aus Jerusalem. Ihr Blick fällt auf das Antlitz des leidenden Heilands, das von Blut, Schmutz, Speichel und Schweiss bedeckt ist. Tiefes Mitleid berührt ihr Herz. Oh, sie will ihm helfen, ihm einen Liebesdienst erweisen, auch wenn es nur wenig ist, was sie zu tun vermag. Mutig drängt sie sich durch die Menge zu Jesus hin. Liebevoll und dankbar blickt Jesus die Helferin an, als sie ihm den Schleier ihres Hauptes reicht, damit er sein Antlitz darin trocknen kann.
Wären wir beim Kreuzweg in der lärmenden Masse gestanden, hätten wir dasselbe getan? Hätten wir diesen Mut gehabt, dieses Mitleid und diese Liebe zu Jesus und ihm geholfen? Was können wir jetzt tun?
Wir befinden uns jeden Tag auf dem Kreuzweg. Es braucht auch Mut am Arbeitsplatz, sein Tischgebet zu verrichten, in der Öffentlichkeit den Rosenkranz zu beten, einen Rock zu tragen oder zu vielen weltlichen Dingen nein zu sagen. Aber wir wollen es tun, mutig und treu und uns nicht schämen oder die Menschenfurcht zulassen – Jesus hat sich am Kreuz auch nicht für uns geschämt. Wir wollen ihn von Herzen lieben und voller Dankbarkeit sein für alles, was er für uns gelitten hat. Wir können Jesus nicht direkt ein Schweisstuch reichen so wie Veronika – aber wir können ihm unser Herz schenken. Ein Herz, das brennt von der Liebe zu unserem Herrn Jesus Christus!
SIEBTE STATION
Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz
Der zermarterte Leib Jesu ist am Ende seiner Kräfte. Er strauchelt und fällt. Doch von unbegreiflicher Liebe getrieben rafft er sich auf und schleppt sich tapfer weiter in Richtung Ziel, denn sein Werk ist noch nicht vollbracht.
Wie oft in unserem Leben können wir uns tapfer nennen? Die Tapferkeit unterscheidet sich stark von Furchtlosigkeit oder Kühnheit. Sie ist eine Bereitschaft zur Verwirklichung des Guten, was auch Verwundung oder sogar die Hingabe des Lebens bedeuten kann. Es ist die Tugend der Tapferkeit, die den andauernden Kampf gegen das Böse führt. Viel zu häufig nehmen wir uns in diesem Kampf grossartige Vorsätze, die wir nicht zu halten vermögen. Entscheiden wir uns also für einen fordernden, aber nicht überfordernden Vorsatz. Diesen sollen wir dann aber wirklich halten! Wenn wir dann trotzdem mal fallen, ist es das Dümmste, was uns in den Sinn kommen kann, den Vorsatz aufzugeben. Das andauernde Ringen mit uns selbst, das Fallen und dann sofort wieder Aufraffen, um wieder auf den rechten Weg zu kommen - das ist die Tapferkeit, die zu erwerben von unbedingter Notwendigkeit ist, um in der Nachfolge Christ voranzukommen.
Herr Jesus, durch deinen schmerzlichen Sturz hast du uns ein Beispiel gegeben, wie wir uns von keinem Hindernis von unserem Ziel ablenken lassen sollen. Gib uns die Kraft, uns von unseren Sünden, die uns ständig zu Boden werfen, zu erheben und mit Tapferkeit unser Kreuz zu dir zu tragen.
ACHTE STATION
Jesus begegnet den weinenden Frauen von Jerusalem
«Eine grosse Menge Volkes folgte ihm, auch Frauen, die über ihn weinten und klagten. Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: ‘Ihr Töchter Jerusalems, weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und eure Kinder.’» (Lk 23,27-28)
Jesus bleibt nicht in seinem eigenen Leid gefangen, obwohl er sich blutig und zu Tode ermattet auf den Kalvarienberg schleppt. Er bemerkt die weinenden Frauen, welche ihn bemitleiden und ihn betrauern. Doch seine Antwort ist überraschend: “Weint nicht über mich.”
Christus möchte nicht, dass wir über sein Elend trauern. Er hat in aller Freiwilligkeit das Kreuz auf sich genommen, um den grössten Liebesakt zu vollbringen und sein Leben für uns hinzugeben. Unser Elend ist viel grösser, da wir uns durch unsere Sünden immer wieder von Gott entfernen und daher von der Quelle alles Guten. Das eigentliche Leid liegt nicht im Kreuze Christi, sondern in der Schuld, die es notwendig machte.
«Weint vielmehr über euch selbst und eure Kinder.»
Dieser Aufruf gilt auch für uns. Christus ruft uns zur Umkehr, zur Einsicht, zur Reue auf. Nicht Mitleid will er, sondern ein verändertes Herz. Wie oft klagen wir über das Leid der Welt und vergessen, dass wir auch unseren Teil dazu beitragen und die Veränderung bei uns selbst liegt.
Herr Jesus Christus, schenke uns durch dein Leiden die Gnade wahrer Reue und echter Umkehr.
NEUNTE STATION
Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz
Sieh deinen zu Tode erschöpften Jesus, wie er zum 3. Mal unter der Last des Kreuzes zusammenbricht. Er möchte den Willen des Vaters unter allen Umständen erfüllen und beim Kalvarienberg angelangen. Doch seine menschlichen Kräfte versagen. Er kann nicht mehr und sinkt zu Boden. Ein Wall von Beschimpfungen und Misshandlungen durch die Soldaten und die Hohenpriester bricht über Jesus herein. Dennoch bekommt er ein weiteres Mal die Kraft, wieder aufzustehen und weiterzugehen.
Genau gleich ist es auch in unserem Leben. Wir geben unser Bestes und bemühen uns Tag für Tag. Doch auch uns verlassen die menschlichen Kräfte immer wieder und wir fallen. Unser persönliches Kreuz, unsere Fehler und die Mühsal des Lebens drücken uns zu Boden. Auch bei uns gibt es die Umstehenden, die uns belächeln und uns fragen, ob es überhaupt Sinn macht, dass wir uns so abquälen. Gleich wie Jesus bekommen aber auch wir immer wieder die Kraft, aufzustehen und weiterzumachen.
O liebster Jesus, gib uns die Gnade, so wie du ganz vom Wunsche erfüllt zu sein, stets den Willen Gottes zu tun. Und wenn unsere armselige Natur versagt, steh uns bei mit deiner Hilfe, damit wir die Kraft haben, wieder aufzustehen und den Weg zur ewigen Heimat weiterzugehen. Jesus, gütigster Erlöser, schenk uns die Gnade der Beharrlichkeit!
ZEHNTE STATION
Jesus wird seiner Kleider beraubt
Es ist ein Moment tiefer Entwürdigung, in dem ihm das Letzte genommen wird, was ihn noch vor den Blicken der Menschen schützt. Nackt und bloss steht er vor der Menge, nicht nur äusserlich, sondern auch innerlich ganz offen. Diese Szene spricht eine Sprache, die ohne Worte auskommt – sie trifft mitten ins Herz, weil sie so viel über Hingabe, Leid und Liebe erzählt.
Man spürt, wie still dieser Moment ist, wie schwer er auf der Seele liegt. Es ist, als würde die Welt für einen Augenblick den Atem anhalten, während der Sohn Gottes alles hinnimmt, ohne Klage, ohne Widerstand. Seine Haltung ist nicht schwach, sondern voller Würde – gerade, weil er sich nicht dagegen wehrt. In dieser völligen Entblößung liegt eine stille, unerklärliche Kraft. Die Szene hinterlässt ein Gefühl von Ehrfurcht und innerer Bewegung – nicht, weil sie laut oder dramatisch ist, sondern weil sie so still, so klar und zugleich so tief ist
ELFTE STATION
Jesus wird ans Kreuz genagelt
Jesus wird ans Kreuz genagelt. Versetzen wir uns in die Perspektive vom Heiland. Am Boden ausgestreckt auf dem Kreuz blickt Jesus hoch in eine gaffende Menschenmenge, wie auf einem Operationstisch, bereit zum Seziert-werden. Der römische Legionär, mit kaltem, leerem Blick, erfüllt mit geschwungenen Armen ungerührt seinen Henkersdienst. Gleich wird wieder der Hammer niedersausen und unter dem Geschrei der Menge die Nerven der Hand durchbohren. Nicht alle johlen, auch Nachdenklichkeit, Betroffenheit, Schmerz und Trauer ist zu beobachten. Jesus, dich den Unschuldigen nageln sie ans Holz des Kreuzes. In ihren Gesichtern kein Erbarmen, ausdruckslose Routine des Marterns. Sie haben sich daran gewöhnt, an Blut, Schreie und entsetzliches Leiden. Wie schnell nageln wir unschuldige Mitmenschen durch unsere Worte und Vorurteile fest.
Jesus hat die Kraft gehabt, die Last eines Kreuzes zu tragen, die Last des ihm entgegengebrachten Unglaubens, die Last, für seine unbequemen Worte verurteilt zu werden.
ZWÖLFTE STATION
Jesus stirbt am Kreuz
Auf dem Gipfel von Golgotha, auf dem Gipfel der Menschheitsgeschichte, als Finsternis die ganze Erde bedeckte, bricht die „überreiche Liebe“ (Eph 2,4), mit der Gott uns geliebt hat, hervor – in Licht und Macht. Die Menschheit will das Licht der Welt auslöschen – und versinkt selbst in tiefer Nacht.
Wir waren tot in unseren Sünden, das Reich, das für uns bestimmt war, war uns verschlossen. Wir tappten in der Finsternis, tasteten uns vorwärts, suchend nach einem Ziel, das wir nicht mehr sahen.
Und am Ende dieses Kampfes, der sich vor unseren Augen vollendet, sind es nicht die gottlosen Römer oder die mörderischen Juden, die siegen… nein – es ist die Gnade!
Die Sünde ist besiegt. Die Wüste des Alten Bundes öffnet sich zu einer herrlichen Oase, aus der Ströme von Gnaden fließen – in die Seelen der Menschen. “Er hat mich geliebt und sich für mich hingegeben.“ (Gal 2,20)
Wie der Völkerapostel müssen wir auf die Knie fallen vor dieser Liebe – die uns übersteigt, die uns das Wort raubt. Unsere Sünden müssen mit Christus am Kreuz sterben. Der alte Mensch muss gekreuzigt werden.
Wenn wir das verweigern, dann beginnen wir wieder bei der ersten Station – wir verurteilen ihn von Neuem, wir werden zu jenen erbarmungslosen Römern, zu jenen hasserfüllten Juden… wir werden zu seinen Henkern.
O christliche Seele, lass den Speer, der den Tod deines Erlösers bezeugte, auch dein Herz durchbohren. Gott ist für dich gestorben. Es ist keine fromme Vorstellung – es ist Wirklichkeit.
„Er hat mich geliebt und sich für mich hingegeben.“ (Gal 2,20)
Werde ich Ihn nun endlich lieben – und mich ihm hingeben?
DREIZEHNTE STATION
Jesus wir vom Kreuz herabgenommen
Jesu Seele ist aus seinem Körper gewichen. Zurück bleibt ein starrer, lebloser Leib, der nun in den Schoss seiner Mutter gelegt wird. Seine toten Arme fallen über ihre Schulter, sein Antlitz drückt sich an das ihre, doch es fehlt die liebende Seele bei der Liebkosung.
Jetzt, da er tot ist, kommt er in den Schoss der Mutter zurück. Seit den Tagen von Bethlehem und Nazareth hat sie ihn nie mehr so in den Armen gehalten wie heute.
Die Männer, die den blutenden und zerrissenen Leichnam vom Kreuz abgenommen haben, stehen erschüttert vor dem Bild der Schmerzensmutter. Es ist die erste Verehrung der Mater dolorosa. Ungezählte Generationen werden künftig zu diesem Bilde pilgern und dort ihr Leid klagen. Sie alle werden getröstet und stehen mit neuer Kraft auf, um das Kreuz zu tragen, das der Herr auferlegt hat.
Fragen wir uns, wie oft wir mit unseren Sorgen zur Schmerzensmutter gehen. Zeigen wir uns nicht immer wieder gleichgültig den Opfern gegenüber, die sie durch ihr Miterlösen für uns gebracht hat, indem wir es verpassen, uns ihr anzuvertrauen? Das Gegenteil von Liebe ist nicht immer Hass, sondern oft pure Gleichgültigkeit. Wir haben mit jeder Herausforderung unseres Lebens die Chance, unsere Liebe zu zeigen, indem wir unsere Sorgen der Vorsehung Gottes anvertrauen, unser Kreuz und das Geschenk der Erlösung dankbar annehmen. Gehen wir also immer wieder zur Mater dolorosa, danken ihr für ihr Leiden und vertrauen uns ihrer Fürbitte an.
VIERZEHNTE STATION
Jesus wird ins Grab gelegt
Als es nun Abend geworden war, kam ein reicher Mann aus Arimathäa mit Namen Joseph, der auch selbst ein Jünger Jesu war. Dieser ging zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. Da befahl Pilatus, dass man den Leichnam ausliefere. Und Joseph nahm den Leichnam, wickelte ihn in reine Leinwand und legte ihn in sein neues Grab, das er in einem Felsen hatte aushauen lassen. Vor den Eingang des Grabes wälzte er einen grossen Stein und ging weg. Maria Magdalena aber und die andere Maria blieb da und sassen dem Grabe gegenüber. Matthäus 27, 57-61
Was für ein Schmerz muss es sein, seinen eigenen Sohn, welcher gestorben ist, in den Händen zu halten. Welch grosse Trauer. Dennoch kann man eine unendlich grosse Macht verspüren. Jesus hat dieses unfassbar grosse Opfer für die Menschheit vollbracht. Es ist das grösste Geschenk, einem Freund das Leben zu schenken. Es hätte gereicht, wenn Jesus nur einen Blutstropfen für uns geopfert hätte, stattdessen hat er uns sein Leben hingegeben und auch so ein Werk der unendliche Liebe vollbracht. Als Jesus ins Grab gelegt wird, bleiben Maria Magdalena und die andere Maria noch länger beim Grab. Sie hätten auch voller Verzweiflung und Trauer nach Hause gehen können. Ihre Treue und ihr Vertrauen sind ein Beispiel für Geduld und Vertrauen in Gottes Plan, selbst wenn wir in Zeiten der Dunkelheit oder Verwirrung keinen klaren Ausblick in die Zukunft haben. Ihre Haltung fordert uns auf, in unserem Glauben treu zu bleiben, auch in den schwierigsten Zeiten unseres Lebens. Bleiben wir an der Seite Jesu, denn wenn Gott mit uns ist, wer ist dann gegen uns? Der Weg zur Heiligkeit erfordert Geduld und das Vertrauen, dass Gott auch in den Zeiten, in denen wir keine Lösungen sehen, einen grösseren Plan für uns hat. Schenken wir unseren Willen dem lieben Heiland, wie er selbst den Willen seines göttlichen Vaters erfüllt hat.