Kommunion für alle?
Von Pater Gerd Heumesser
Anlässlich des 3. Ökumenischen Kirchentags, ÖKT 2021, haben die katholischen Bischöfe die nichtkatholischen Christen zum Empfang der heiligen Eucharistie eingeladen, zwar nicht allgemein und jeden. Aber sie haben es der Gewissensentscheidung der Einzelnen überlassen.
Bischof Bertram Meier zum Beispiel sagte im Gespräch mit katholisch.de: „Genauso wenig wie also eine offene wechselseitige Einladung zur Eucharistie beziehungsweise zum Abendmahl angezeigt ist, genauso wenig werden wir diejenigen ausladen, die zum Tisch des Herrn herantreten.“[1] ZdK-Präsident Thomas Sternberg empfing das evangelische Abendmahl, Bettina Limperg, die evangelische Kirchentagspräsidentin, empfing die hl. Kommunion und erklärte, sie habe keinen Unterschied zum Empfang des Abendmahls gespürt. Der Empfang der hl. Kommunion wurde zur bloßen Gewissensfrage, so als ob das Gewissen des Einzelnen letzte Instanz wäre, die sich selbst nicht nach allgemeingültigen Regeln richten müsse. Marc Frings, der Generalsekretär des ZdK, blieb nicht beim Gewissen stehen, sondern schwenkte auf die emotionale Schiene: Beim Empfang gehe es nicht nur um eine Gewissensfrage, sondern um eine Herzensfrage.[2]
Was auf dem ÖKT geschehen ist, ist weit mehr als nur ein historisches Ereignis. Es ist ein Indikator dafür, wie es innerhalb der katholischen Kirche um den Glauben und das Verständnis von den Sakramenten steht.
Was ist die hl. Kommunion?
Die hl. Kommunion ist in Wirklichkeit nicht nur gesegnetes Brot, nicht nur ein Symbol für Christus oder ein Andenken an ihn. Die hl. Kommunion ist überhaupt nicht bloß eine Sache, sondern eine Person. Sie ist Jesus Christus selbst. Das Wesen des Brotes ist verwandelt in den Leib Christi. Weil wirklich der Leib Christi da ist, ist auch seine Seele da – sie gehört zum lebendigen Leib dazu, sonst wäre es nicht der Leib, sondern der Leichnam Jesu. Weil der Leib und die Seele Jesu da sind, ist auch sein Gott-Sein da. Wer die hl. Kommunion empfängt, der empfängt Jesus Christus ganz und gar mit Leib und Seele, mit Fleisch und Blut, mit Gottheit und Menschheit. In der hl. Kommunion erhalten wir den, von dem alle Gnaden kommen und der die Quelle aller guten Gaben ist, Gott selbst!
Etwas Kostbareres gibt es nicht. Darum ist beim Empfang der hl. Kommunion höchste Sorgfalt geboten. Und zwar Sorgfalt in jeder Hinsicht. Schon wer einen hohen Besuch empfängt, sorgt sich, dass alles passt, er informiert sich über die richtige Anrede, die passende Kleidung, das Gesprächsthema und so fort. Wer Christus empfangen will, der braucht den rechten Glauben, die gute Seelenverfassung, er muss mit der Kirche verbunden sein.
Der rechte Glaube
Wer die hl. Kommunion und damit Christus, den Herrn, empfangen würde, ohne davon überzeugt zu sein, dass es wirklich der ganze Christus ist, der würde ihm Unrecht tun. Erst durch ein ausreichendes Wissen um die Eucharistie kann man angemessen daran teilnehmen und sich mit diesem Geschehen geistig vereinigen, was weit mehr ist als der bloße körperliche Empfang. Darum ist das Festhalten am Glauben an die wirkliche Gegenwart Christi die unabdingbare Voraussetzung für den Empfang der hl. Kommunion. Doch nicht nur der Glaube an die wirkliche Gegenwart wird verlangt.
Die katholische Kirche ist davon überzeugt, dass Christus seinen zwölf Aposteln im Abendmahlsaal die Vollmacht gegeben hat, Brot in seinen Leib und Wein in sein Blut zu verwandeln, als er zu ihnen sagte: Tut das zu meinem Andenken. (Lk 22,19; 1 Kor 11,24) Die Apostel haben diese Vollmacht an ihre Nachfolger weitergegeben, indem sie ihnen die Hände aufgelegt, sie zu Priestern und Bischöfen geweiht und sie fähig gemacht haben, selber die hl. Eucharistie zu vollziehen. Jeder katholische Priester steht durch eine lückenlose Kette von Handauflegungen in Verbindung mit einem Apostel. „Apostolische Sukzession“ nennt die Kirche diese Verbindung. Nur der so geweihte Priester kann bei der Feier des hl. Messopfers den geopferten Christus gegenwärtig setzen. Nicht durch den Glauben der Gemeinde, sondern allein durch die Worte des geweihten Priesters wird der Herr gegenwärtig.
Wer daher nicht an das Sakrament der Priesterweihe glaubt, der kann nicht richtig einschätzen, was in der hl. Messe auf dem Altar geschieht, und damit kann er Christus auch nicht mit der inneren Haltung empfangen, die dem Herrn entspricht.
Die hl. Kommunion ist Opfermahl. Wer die hl. Kommunion empfängt, wird eins mit dem Christus, der sich am Kreuz für uns hingegeben hat, Gott zum lieblichen Wohlgeruch (vgl. Eph 5,2); er nimmt den geopferten Christus in sich auf. Im Alten Bund wurden bei allen Opferlämmern Leib und Blut getrennt, die Lämmer wurden geschächtet. Diese Trennung von Leib und Blut war für jeden Juden das Zeichen des Opfers schlechthin. Im Abendmahlsaal und in jeder hl. Messe ist Christus gegenwärtig im Zustand der Opfergabe, mit einem Leib, der vom Blut getrennt ist: Unter dem Aussehen des Brotes wird sein Leib gegenwärtig, im Kelch sein Blut. Und wie im Alten Testament die Opfernden einen Teil des geopferten Lammes zurückerhalten und im Tempel gegessen haben (Lev 7,11–15), zum Zeichen, dass sie sich mit ihrer Opfergabe verbinden, so ist auch die hl. Kommunion Opfermahl. So werden die Teilnehmer am Opfer daran erinnert, dass sie eigentlich selber Opfergabe sein sollten, sich selber Gott darbringen müssten. Der Empfang der hl. Kommunion ist also Teilnahme am Opfer Christi, Einswerden mit der Opfergabe. „Sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“, sagt der hl. Paulus (1 Kor 11,26).
Wer nicht glaubt, dass in der hl. Messe das Opfer Christi vergegenwärtigt wird, der kann den geopferten Christus nicht mit der Haltung empfangen, die ihm geschuldet ist. Er kann sich nicht mit Christus als der Opfergabe verbinden. Er würde den Sinn des Opfermahles ganz und gar verfehlen und damit Christus Unrecht tun.
Die passende Seelenhaltung
Wer die hl. Kommunion empfängt, der verbindet sich mit Christus, er wird eins mit ihm. Wer äußerlich Christus empfangen würde, obwohl er sich durch eine schwere Sünde innerlich von Christus abgewendet hat, der würde durch diese Tat lügen. Eine schwere Sünde ist ja genau das: Abwendung von Christus und unerlaubte Zuwendung zu irgendeinem Geschöpf. Äußerlich würde der Sünder zeigen, dass er sich mit Christus verbindet und mit ihm eins werden will, ihn also liebt. Innerlich ist er aber nicht eins mit ihm, nicht verbunden mit ihm, liebt ihn nicht. Denn nur der liebt Christus, der seine Gebote hält (vgl. Joh 14,21). Darum darf niemand die hl. Kommunion empfangen, der eine schwere Sünde begangen und noch nicht gebeichtet hat. Die bloße Reue reicht hier nicht aus. Wer seine Sünde aus ganzem Herzen bereut, weil er durch sie die Liebe zu Christus verletzt hat, der kann zwar vom Herrn Sündenvergebung erhalten, noch bevor er seine Sünde in der Beichte bekennt. Doch in eigener Sache sind wir immer schlechte Richter. Wer kann von sich selber sicher behaupten, er habe die Sünde wirklich aus Liebe zu Christus bereut? Nicht, weil sie ihm sowieso peinlich war; nicht, weil er sich dadurch erniedrigt fühlt; nicht nur, weil Gott ihn dafür strafen wird; sondern deshalb, weil es ihm weh tut, dass er den Herrn durch seine Sünde verletzt hat, den Herrn, der ihn so liebt. Weil das niemand mit Sicherheit von sich behaupten kann, darum hat die Kirche festgelegt, dass die hl. Kommunion nur der Sünder empfangen darf, der seine Sünden vorher nicht nur bereut, sondern auch gebeichtet hat.
Die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche
Der Empfang der hl. Kommunion verbindet jeden, der sie empfängt, mit Christus und alle Einzelnen miteinander. Sie werden eins in Christus. Weil wir vom einen Leibe Christi essen, werden wir auch untereinander ein Leib und bilden eine Gemeinschaft (vgl. 1. Kor 10,16f.). Bevor ein Mensch sich mit der Gemeinschaft verbindet, die durch das Essen vom Leib Christi entsteht, muss er zu der Gemeinschaft gehören, die durch den gemeinsamen Glauben entsteht. Die Gemeinschaft im Glauben geht der Gemeinschaft des Leibes Christi voraus. Darum war zu allen Zeiten das Bekenntnis des rechten Glaubens die Voraussetzung für den Empfang der hl. Eucharistie. Den Grund erklärt der hl. Thomas von Aquin: „Wer dieses Sakrament empfängt, bezeugt dadurch, dass er mit Christus und mit den Gliedern der Kirche verbunden ist.“[3] Wer darum nicht im Glauben Gemeinschaft hat mit der katholischen Kirche, darf auch nicht teilnehmen an der Gemeinschaft derer, die sich durch das Essen des Leibes Christi miteinander verbinden. Der hl. Johannes von Damaskus erklärt: Die Eucharistie „wird communio (Gemeinschaft) genannt, weil wir durch diese Kommunion Anteil an Christus haben; weil wir an seinem Leib und an seiner Gottheit Anteil haben; und weil wir untereinander durch sie vereinigt werden“[4]. Wer nicht den Glauben der katholischen Kirche bekennt, aber sich einreihen würde in die Gemeinschaft derer, die durch den Leib des Herrn eins werden, der würde eine Einheit vortäuschen, die es in Wirklichkeit nicht gibt.
Die Regeln der Kirche
Die Gegenwart des Gottessohnes im Altarsakrament kann man nicht sehen, nicht riechen, nicht schmecken. Die Sinne täuschen uns da. Die Eucharistie ist ein Glaubensgeheimnis schlechthin. Darum ist es leicht, dass Menschen dieses Sakrament falsch einschätzen, besonders, wenn ihr Glaube schwach ist. Die Kirche hat darum die Entscheidung, wer dieses Sakrament empfangen darf, nicht dem Gewissen der Einzelnen überlassen, sondern für den Empfang der heiligsten Eucharistie klare Regeln aufgestellt.
Wer den rechten Glauben festhält, zur katholischen Kirche gehört, sich keiner schweren Sünde bewusst ist und mit Ehrfurcht hinzutritt, dem dürfen die Priester die Sakramente nicht verweigern. „Die Priester dürfen die Sakramente denen nicht verweigern, die sie zu gelegener Zeit darum bitten, in rechter Weise disponiert und rechtlich an ihrem Empfang nicht gehindert sind“[5]: Wer aber diese Bedingungen nicht erfüllt, der muss zu seinem eigenen Heil darauf hingewiesen werden, dass er sich zuerst für den Empfang vorbereiten muss.
Das Kirchenrecht sagt, dass die Sakramente nur empfangen darf, wer katholisch ist: „Katholische Spender spenden die Sakramente erlaubt nur katholischen Gläubigen; ebenso empfangen diese die Sakramente erlaubt nur von katholischen Spendern.“[6] Die Gemeinschaft mit der Kirche ist die gewöhnliche Bedingung für den Empfang der hl. Kommunion. Die Kirche hat folglich bestimmt, dass die Sakramente Häretikern und Schismatikern, auch wenn sie im guten Glauben irren und um Spendung bitten, nur dann gespendet werden dürfen, wenn sie ihren Irrtum ablegen und sich mit der Kirche aussöhnen.
Außerdem darf die hl. Kommunion – im Unterschied zur Taufe und zur Beichte – nur der empfangen, der die heiligmachende Gnade besitzt. Wer seine Taufgnade verloren hat, muss sie durch Reue und Beichte wiedererlangen. Wer nicht bereit ist, schwere Sünden zu bereuen, sich von ihnen abzuwenden und alles zu tun, was in seiner Macht steht, um nicht wieder zu fallen, der kann keine Sündenvergebung erhalten und die heiligmachende Gnade nicht wieder zurückerlangen. Darum verweigert die Kirche die hl. Kommunion den öffentlichen Sündern und allen, die in einem dauernden Zustand der Sünde leben. Und das nicht etwa aus Unbarmherzigkeit, sondern um die Seelen davor zu bewahren, zu ihren bisherigen Sünden noch eine weitere hinzuzufügen, nämlich den unwürdigen Empfang des Leibes des Herrn. Die Kirche hat immer die Worte des hl. Paulus im Ohr, der mahnt: „Wer unwürdig dieses Brot isst oder den Kelch des Herrn trinkt, der wird schuldig am Leibe und Blute des Herrn“ (1 Kor 11,27). Und auch dieses Wort des hl. Paulus am Ende seiner Mahnung zum würdigen Empfang: „Oder wollen wir den Herrn herausfordern? Sind wir etwa stärker als er?“ (1 Kor 10,22)
Haben die Akteure des ÖKT 2021 auch an diese beiden Worte gedacht?
Anmerkungen
[1] https://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/aktuell/wechselseitige-euch…
[2] https://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/aktuell/wie-der-oekumenisch…
[3] Ia pars, q.80, a.4.
[4] IIIa pars, q.73, a.4 (Johannes Dasmascenus, De fide orthodoxa, c.13.)
[5] Can.682 / CIC 1917; can.213 & 843 §1 / CIC 1983.
[6] Can.915 / CIC 1983.