Die Kirchenväter über die Allerseligste Jungfrau Maria

Die Hochzeit von Kana (nach Paolo Veronese)
Schon beginnt der schönste aller Monate des Jahres: der Mai - und wie sollte dieser nicht in einer ganz besonderen Weise der Verehrung der Allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria gewidmet sein! Unsere Vorfahren wussten sie zu würdigen und es sind bloß erst einige Jahrzehnte vergangen, seit die Menschen noch allabendlich zur Maiandacht in die Kirchen strömten. Dort beteten sie vor den festlich geschmückten Marienaltären den Rosenkranz und sangen die Lauretanische Litanei, wie auch die alten und so schönen Lieder zur Ehre der Gottesmutter. Jahrhundertelang war es so und es bleibt unserer verdunkelten Zeit vorbehalten, auf dieses so wertvolle Erbe vieler Jahrhunderte zu verzichten. Versuchen wir, es anders zu machen!
Auf unserer Webseite wollen wir uns in diesem Mai mit Texten auseinandersetzen, die von den Kirchenvätern über die Jungfrau Maria verfasst wurden. Es sind also sehr alte - und somit sehr authentische - Texte und wir werden entdecken, wie treu das Wissen der Väter durch viele Jahrhunderte weitergegeben und bewahrt blieb.
DER SOHN MARIENS DEM FLEISCHE NACH, DER HERR MARIENS DER MAJESTÄT NACH
Warum sagt der Sohn (bei der Hochzeit von Kana) zur Mutter „Was hast Du mit Mir, Weib? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Unser Herr Jesus Christus war Gott und Mensch zugleich, sofern Er Gott war, hatte er keine Mutter; sofern Er Mensch war, hatte Er eine Mutter. Es war also die Mutter des Fleisches, die Mutter der Menschheit, die Mutter der Schwachheit, die er unsertwegen annahm.
Das Wunder aber, das Er zu vollbringen im Begriff war, sollte Er nach Seiner Gottheit vollbringen, nicht nach Seiner Schwachheit, sofern Er Gott war, nicht sofern Er als schwach geboren war. Allein „das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen“. (1 Kor 1,25) Ein Wunder also verlangte die Mutter; aber Er erkennt sozusagen die menschlichen Eingeweide (gemeint ist der Mutterschoß Mariens) nicht an, da Er im Begriffe steht, göttliche Taten zu vollbringen, als wollte Er sagen: Was an mir ein Wunder tut, hast du nicht geboren, aber weil du meine Schwachheit geboren hast, so werde ich dich dann anerkennen, wenn eben diese Schwachheit am Kreuze hangen wird; das nämlich wollen die Worte sagen: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“. Denn da anerkannte Er sie, der sie gewiss immer kannte. Sowohl bevor Er von ihr geboren wurde, in der Vorherbestimmung kannte Er die Mutter; als auch bevor Er selbst als Gott die erschuf, von der Er als Mensch geschaffen werden sollte, kannte Er die Mutter; aber zu einer gewissen Stunde anerkennt Er sie nicht in geheimnisvoller Bedeutung, und zu einer gewissen Stunde, die noch nicht gekommen war, anerkennt Er sie wieder in geheimnisvoller Bedeutung. Damals nämlich erkannte Er sie an, als das, was sie gebar, starb. Denn nicht starb das, wodurch Maria geworden war, sondern es starb, was aus Maria geworden war; es starb nicht die ewige Gottheit, sondern das schwache Fleisch.
Dies also gab Er zur Antwort, indem Er im Glauben der Gläubigen unterschied, wer gekommen und woher Er gekommen sei. Denn es kam durch die Mutter, ein Weib, Gott und der Herr des Himmels und der Erde. Sofern Er der Herr der Welt, der Schöpfer des Himmels und der Erde ist, ist Er natürlich auch der Herr Marias; sofern Er der Schöpfer des Himmels und der Erde ist, ist Er auch der Schöpfer Marias; sofern es aber von Ihm heißt: „Gebildet aus dem Weibe, untergeben dem Gesetze“, ist Er der Sohn Marias. Er ist der Herr Marias, Er ist der Sohn Marias; Er ist der Schöpfer Marias, Er ist geschaffen aus Maria. Wundere dich nicht, dass Er Sohn und Herr zugleich ist; denn wie der Sohn Marias, so heißt Er auch der Sohn Davids, und darum Sohn Davids, weil Marias Sohn.
Höre den Apostel, der deutlich sagt: „Der ihm geworden ist aus Davids Samen dem Fleische nach“. (Röm 1,3) Höre Ihn auch Herrn Davids (nennen); es soll dies David selbst sagen: „Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten“. Jesus selbst hielt dies den Juden entgegen und widerlegte sie daraus. Wie also ist er der Sohn und der Herr Davids zugleich? Sohn Davids dem Fleische nach, Herr Davids der Gottheit nach; ebenso ist Er der Sohn Marias dem Fleische nach und der Herr Marias der Majestät nach. Weil sie also nicht Mutter der Gottheit nach war und durch die Gottheit das Wunder geschehen sollte, das sie begehrte, antwortete Er ihr: „Was hast du mit mir, Weib?“ Aber damit du nicht glaubst, dass Ich dich als Mutter verleugne: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“; denn dort werde Ich dich als Mutter anerkennen, wenn am Kreuz die Schwachheit hängen wird, deren Mutter du bist.
Untersuchen wir, ob es wahr ist. Als der Herr litt, wie derselbe Evangelist sagt, der die Mutter des Herrn kannte und der uns auch bei dieser Hochzeit auf die Mutter des Herrn hingewiesen hat, erzählt er selbst: „Es war, sagt er, dort beim Kreuze die Mutter Jesu, und es sprach Jesus zu Seiner Mutter: Weib, siehe Deinen Sohn, und zum Jünger: Siehe deine Mutter“. Er empfiehlt die Mutter dem Jünger; Er, der vor der Mutter sterben wollte und vor dem Tode der Mutter auferstehen sollte; der Mensch empfiehlt dem Menschen den Menschen. Das hatte Maria geboren. Jene Stunde war nunmehr gekommen, von der Er damals gesagt hatte: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“.
Quelle: hl. Augustinus von Hippo, Vorträge über das Johannes-Evangelium 8,9