Die Kirchenväter: 7. Tertullian

Quelle: Distrikt Deutschland

Bis ins 3. Jahrhundert war auch bei den im Westen lebenden Christen die griechische Sprache in Gebrauch. Griechisch war die Sprache des Gottesdienstes, der Predigt und der christlichen Schriftstellerei. Das Latein bestand nebenher und drang zuerst in Nordafrika und Rom immer mehr in den Vordergrund. Bei Tertullian sieht man diesen Übergang, insofern er beide Sprachen verwendete.

Leben

Quintus Septimius Florens Tertullianus wurde um 160 n. Chr. in Karthago als Sohn eines heidnischen römischen Hauptmanns geboren. Er erhielt eine gute, insbesondere juristische und rhetorische Ausbildung, wahrscheinlich zuerst in Karthago, dann in Rom. Dort war er auch als Rechtsanwalt tätig, kehrte aber um 195 als Christ nach Karthago zurück, wo er eine rege literarische Tätigkeit im Dienst der Kirche begann. Über die Umstände seiner Bekehrung sagt er nichts. Man kann vermuten, dass ihn die Standhaftigkeit der Christen beeindruckte.

Tertullian nennt sich selbst mehrfach einen Laien und war verheiratet, später Witwer. Er dürfte als Lehrer für die Katechumenen Karthagos tätig gewesen sein. Allerdings trennte er sich spätestens 207 von der Kirche und ging zur Sekte der Montanisten über. Seine Natur war zu Extremen geneigt und die meisten seiner Werke sind Streitschriften. Mit derselben Bitterkeit, mit der er als Katholik die heidnische Religion lächerlich machte, bekämpfte er später als Montanist die angebliche Laxheit der katholischen Kirche.

Der Gründer des Montanismus war ein gewisser Montanus, der gegen die Milderung der kirchlichen Bußdisziplin im 2. Jahrhundert wetterte. Dabei soll er auch in Ekstase verfallen und prophetisch gegen die Kirche geredet haben, berichtete Eusebius von Cäsarea in seiner Kirchengeschichte. Einige hielten ihn für verrückt oder besessen, andere sahen in ihm aber ein Werkzeug des Heiligen Geistes. Auch zwei Frauen namens Priscilla und Maximilla, die ebenfalls als Prophetinnen auftraten, nahmen in der Sekte eine wichtige Stellung ein (vgl. Eusebius, H.E. V,16,6 ff).

Bei den Montanisten wurde Tertullian bald das Haupt einer eigenen Partei und scheint die Stellung eines Priesters eingenommen zu haben. Er starb nach 220 in Karthago, vielleicht sogar erst nach 240. Wegen seines Abfalls von der Kirche wurde er von den Vätern wenig gelesen oder blieb wenigstens ungenannt, wie beim hl. Cyprian, der ihn zwar benutzte, seinen Namen aber nicht nannte. Tertullian ist also kein Kirchenvater im eigentlichen Sinn, da ihm die Heiligkeit fehlte, aber er ist trotzdem ein wichtiger Traditionszeuge.

Werke

Von Tertullian sind insgesamt 31 Schriften erhalten, bei denen die Textüberlieferung allerdings oft mangelhaft ist. Ich erwähne nur einige.

Das Apologeticum (Ende 197 n. Chr.) ist an die Provinzialstatthalter des römischen Reiches gerichtet. Es greift vor allem die politischen Anschuldigungen gegen die Christen auf, nämlich die Verachtung der Staatsgötter und Majestätsbeleidigung. Als Jurist tadelt Tertullian, dass allein das „nomen christianum“ zur Verurteilung führte. Allen anderen Verbrechern gestatte man die Verteidigung, den Christen dagegen nicht. Die anderen versuche man zu einem Geständnis zu zwingen, die Christen zur Ableugnung. Tertullian entkräftet in der Schrift die gegen die Christen ausgestreuten Verdächtigungen und teilt das Wichtigste über den christlichen Glauben und das Gemeindeleben mit. Hier findet sich auch das berühmte Wort: „Wir werden jedes Mal zahlreicher, so oft wir von euch niedergemäht werden; ein Same ist das Blut der Christen.“ (Kap. 50)

Ein weiteres berühmtes Wort findet sich im 17. Kapitel des Apologeticum, wo Tertullian schreibt, dass auch die Heiden trotz ihrer Vielgötterei oft spontan den einen Gott bekennen:

„Wollt ihr, dass wir aus dem Zeugnis der Seele selbst sein Dasein beweisen? Obwohl durch den Kerker des Körpers beengt, obwohl von verkehrter Erziehung und Bildung umstrickt, … obwohl falschen Göttern sklavisch unterworfen, nennt sie doch, sobald sie sich gleichsam wie nach einem Rausch … auf sich selbst besinnt und ihre natürliche Gesundheit wiedererlangt, nur Gott, mit diesem Namen allein, weil er der dem wahren Gott allein zukommende ist. ‚Der große Gott‘, ‚der gute Gott‘, oder ‚was Gott geben möge‘, so spricht sie all überall. Auch dass er Richter sei, bezeugt sie: ‚Gott sieht es‘, ‚ich stelle es Gott anheim‘ und ‚Gott wird es mir vergelten‘. O Zeugnis der Seele, die von Natur Christin ist! Endlich, wenn sie dergleichen spricht, so blickt sie nicht nach dem Kapitol, sondern zum Himmel; sie kennt nämlich den Sitz des lebendigen Gottes, von ihm und von dort ist sie ja auch herniedergestiegen.“

De praescriptione haereticorum (um 200) ist ein schwer zu übersetzender Titel. In der Ausgabe der Fontes Christiani wird er mit Vom prinzipiellen Einspruch gegen die Häretiker wiedergegeben. Unter einer praescriptio verstanden die Rechtsgelehrten der Kaiserzeit die Berufung eines Angeklagten auf eine gesetzliche Vorschrift, die den Kläger von vorneherein abwies, so dass der Prozess nicht stattfinden konnte. Das galt z. B. bei Verjährungen oder einem unangefochtenen Besitz. Wer ein Recht oder einen Besitz lange Zeit ohne Widerspruch innehatte, musste nicht beweisen, dass er dieses Recht oder diesen Besitz hat. Das gab Tertullian die Anregung, eine theologische praescriptio geltend zu machen.

Es gibt zwei praescriptiones oder Feststellungen, sagt er:

  1. Christus hat die Apostel und niemand anders zu Verkündern seiner Lehre bestellt.
  2. Die Apostel haben diese Lehre nur den von ihnen begründeten Gemeinden anvertraut.

Damit sind alle Häresien, die etwas Anderes verkünden als die von den Aposteln gegründeten Kirchen von vorneherein des Irrtums überführt. Jede Lehre, die mit der Lehre der apostolischen Kirchen übereinstimmt, ist also als wahr anzusehen, jede Lehre, die etwas Anderes oder Neues verkündet ist dagegen falsch und muss gar nicht weiter geprüft werden.

Die Häretiker haben auch kein Recht, die Heilige Schrift anders zu beurteilen als die Kirche. Die Glaubens­regel, d. h. die Lehre der apostolischen Kirchen, entscheidet über den Inhalt des Glaubens.

Das sogenannte Präskriptions-Argument sagt, dass etwas, das in der ganzen Kirche gelehrt oder praktiziert wird und nicht im Laufe der Zeit von einem allgemeinen Konzil eingeführt wurde, apostolischen Ursprungs sein muss, wie z. B. die Lehre vom sakramentalen Charakter der Taufe, Firmung und Priesterweihe.

Tertullians umfangreichstes Werk sind die fünf Bücher gegen den Gnostiker Marcion, der das gesamte Alte Testament verwarf, weil es vom bösen Ursprungsprinzip stamme. Er konstruierte also einen scharfen Gegensatz zwischen Altem und Neuem Testament.

Wichtig ist noch die Schrift Adversus Praxean. Obwohl sie schon aus Tertullians montanistischer Zeit stammt, ist sie eine für seine Zeit erstaunlich klare Darlegung der kirchlichen Trinitätslehre. Hier findet sich (in Nr. 2) auch erstmals das Wort trinitas.

Möglicherweise ist Tertullian auch der Redaktor der Passio Perpetuae et Felicitatis (202/03), des Berichts über das Martyrium der hll. Perpetua und Felicitas, der eigenhändige Aufzeichnungen der Perpetua enthält.

Lehre

Für Tertullian war alles, was besteht, ein Körper, wenn auch ein „Körper eigener Art – corpus sui generis“. Selbst Gott kann nach ihm ein Körper genannt werden: „Wer wollte leugnen, dass Gott, obwohl Geist, doch auch Körper sei“ (Adv. Prax. 7). Manche rechnen ihn deshalb zu den Materialisten. Andere verteidigen ihn, indem sie sagen, dass für Tertullian „Körper“ nichts Anderes bedeutete als eine reale Substanz. Aber es bleibt doch unklar, da er meinte, die Seele des Kindes werde von den Eltern weitergegeben (Traduzianismus), also nicht direkt von Gott geschaffen, und sie habe die Farbe leuchtender Luft.

In der Trinitätslehre war Tertullian seiner Zeit in der Schärfe des Ausdrucks voraus. „Die drei sind eins, aber nicht einer“, schreibt er (Adv. Prax. 25), da in Gott drei Personen sind, die aber nur ein Wesen, eine Natur und eine Substanz sind. Mit Tertullian ist im lateinischen Sprachraum klar, dass man in Gott von drei Personen, aber nur von einem Wesen bzw. einer Natur sprechen muss. Im griechischen Sprachraum dauerte es noch bis ins 4. Jahrhundert, bis die Begriffsklärung zu diesem Geheimnis abgeschlossen war.

Ansonsten hatte er aber auch noch keine korrekte Erklärung des Geheimnisses. Der Logos war zwar schon vor der Weltschöpfung, aber erst bei der Schöpfung wurde sein Heraustreten aus dem Vater eine „vollkommene Geburt“ und die „Weisheit“ wurde „Sohn“. Der Sohn und der Heilige Geist scheinen bei ihm auch dem Grad nach vom Vater verschieden zu sein, also nur Gott an zweiter oder dritter Stelle zu sein.

In der Christologie spricht Tertullian richtig von den zwei Naturen in der einen Person. Er leugnete aber die Jungfräulichkeit Mariens nach der Geburt, nahm also an, dass sie später mit Josef noch weitere Kinder gehabt habe. Dagegen wendete sich später der hl. Hieronymus.

Die Erbsünde nennt er eine uranfängliche Verderbnis, die gewissermaßen zur Natur gehöre. Sie hat jedoch das von Gott herrührende Gute nicht ausgelöscht, sondern nur verdunkelt (De anima 41). Die Kindertaufe hielt er aber nur im Notfall für ratsam. Besser sei es, wenn sie bei der Taufe schon etwas verstehen (De bapt. 18).

Tertullian nahm auch einen Zustand des Sühneleidens nach dem Tod an. Er meinte aber, dass mit Ausnahme der Märtyrer alle Verstorbenen bis zum Tag der Wiederkunft in der Unterwelt blieben und dort Strafen erlitten, aus denen sie durch das fürbittende Gebet der Lebenden in das refrigerium, einen Ort der Erquickung, geführt würden. Diese Frage wurde erst von Benedikt XII. 1336 endgültig entschieden, der erklärte, dass die Seligen schon vor dem Weltende die beseligende Anschauung Gottes hätten.

In seiner katholischen Schrift De paenitentia mahnte Tertullian alle Sünder eindringlich zur Kirchenbuße, die damals allerdings nur einmal möglich war. Als Montanist unterschied er später zwischen verzeihlichen und unverzeihlichen Sünden. Ehebruch, Mord und Abfall vom Glauben bzw. Götzendienst gehörten für ihn zu den unvergebbaren Sünden.

In der Schrift Ad uxorem hatte er seine Frau gebeten, nach seinem Tod Witwe zu bleiben oder nur einen Christen zu heiraten. In seiner montanistischen Zeit bekämpfte er dagegen die Erlaubtheit einer zweiten Ehe nach dem Tod des Ehegatten.

Abschließend ist festzustellen, dass Tertullian leider das Beispiel eines Menschen ist, der trotz großer Verdienste durch seinen Eigensinn letztlich in den Irrtum geführt wurde und außerhalb der wahren Kirche endete.