Die Kirchenväter: 5. Die Apologeten des 2. Jahrhunderts

Quelle: Distrikt Deutschland

Das Christentum hatte anfangs vor allem im einfachen Volk und bei den Sklaven Anhänger gefunden. Im Laufe der Zeit traten aber auch nicht wenige Gebildete in die Kirche ein. Demgemäß waren bei den Heiden anfangs nur Gerüchte über die Christen im Umlauf, während im 2. Jahrhundert die ersten heidnischen Philosophen gegen die Christen auftraten.

Die Lage der Christen im 2. Jahrhundert n. Chr.

Vor Kaiser Decius (249/51) war die Christenfrage ohne eine grundsätzliche rechtliche Regelung. Seit dem Reskript Kaiser Trajans an Plinius den Jüngeren (111/2) hatte sich aber die Auffassung durchgesetzt, dass die bloße Tatsache des Christseins schon strafwürdig war.

Plinius war als Statthalter von Bithynien immer wieder mit Gerichtsverfahren gegen Christen befasst. Er etablierte ein Verfahren, das er sich vom Kaiser bestätigen lassen wollte. Dieses bestand in der dreimaligen Befragung des Angeklagten, ob er Christ sei. Wer leugnete, musste die römischen Götter anrufen, den Statuen der Götter oder des Kaisers ein Opfer darbringen und Christus verfluchen. Tat er das, wurde er freigelassen. Ansonsten wurde er hingerichtet bzw. nach Rom überführt, wenn er das römische Bürgerrecht besaß. Plinius berichtet noch von weiteren Untersuchungen, die er angestellt hatte und die ergeben hätten, dass die Christen zwar abergläubisch seien, sich sonst aber nichts Bedrohliches bei ihnen finde. Ihr Verbrechen bestände allein in ihrem christlichen Namen.

Trajan bestätigte dem Plinius die Richtigkeit seiner Vorgehensweise. Man solle nach den Christen nicht aktiv fahnden und auch anonyme Anklagen nicht berücksichtigen, aber auf eine ordentliche Anzeige hin sollten die Behörden reagieren. Wer im Prozess sein Christsein nicht widerrief bzw. das befohlene Opfer vor den Staatsgöttern oder der Kaiserstatue nicht darbrachte, hatte seine fehlende Loyalität gegenüber dem Staat gezeigt und konnte hingerichtet werden. Obwohl Trajan damit ausdrücklich keine allgemeine Regelung der Christenfrage treffen wollte, bestimmte sein Reskript in der Folgezeit den Rahmen, in dem die Christenprozesse abliefen.

Von den Angriffen heidnischer Philosophen auf die Christen sind uns folgende bekannt:

  1. Die Rede des berühmten Rhetors Fronto von Cirta, des Lehrers Mark Aurels, gegen die Christen (bei Minutius Felix Oct. 9,6; 31,2).
  2. Die Satire De morte Peregrini des Lukian von Samosata (um 170 n. Chr.), in der er die Christen wegen ihrer Bruderliebe und Todesbereitschaft verspottete.
  3. Die Angriffsschrift des Platonikers Celsus Wahres Wort (um 178), die zum größten Teil in der Gegenschrift des Origenes erhalten ist.

Das Vorgehen der Apologeten

Die apologetischen Schriften des 2. Jahrhunderts sind meist in der Form der Rede oder des Dialogs abgefasst. Manche waren dazu bestimmt, dem Kaiser übergeben zu werden. Seit Kaiser Hadrian (117–138) war es nämlich auch Privatpersonen möglich, eine schriftliche Petition an den Kaiser zu richten und von der kaiserlichen Kanzlei ein Prozessreskript zu erhalten, das zusammen mit der Bittschrift veröffentlicht wurde. Die Christen nutzten dies sofort, um rechtlichen Schutz für ihre Glaubensgemeinschaft zu fordern. Wegen der Veröffentlichung der Publikation konnte man zudem hoffen, dass der christliche Glaube auf diese Weise bekannter werde.

Die Apologeten wiesen die heidnischen Verleumdungen zurück, insbesondere den der Staatsgefährlichkeit des Christentums. Sie betonten, man möge die Christen nur wegen wahrer Verbrechen verurteilen, wenn sie welche begangen haben, aber nicht allein aufgrund der Tatsache ihres Christseins. Die Apologeten deckten auch die Torheiten und die Unsittlichkeit der Göttermythen auf. Über die Christen gingen Gerüchte um, sie seien Atheisten, weil sie nicht am Staatskult teilnahmen, sie würden Kinderfleisch essen – ein Missverständnis der Eucharistie –, und bei ihnen gäbe es Verwandtenehen – wie bei Ödipus, der nach der Sage (unwissentlich) seine Mutter geheiratet hatte – vielleicht ein Irrtum, der durch die Anrede der Christen als Brüder und Schwestern zustande gekommen war. Die Apologeten wiesen diese Gerüchte zurück und zeigten, dass gerade in den heidnischen Göttermythen solche Scheußlichkeiten vorkamen. Die Apologeten verteidigten besonders den Monotheismus und den Glauben an die Auferstehung. Sie versuchten zu zeigen, dass die heidnische Philosophie wegen der durch das Treiben der Dämonen verdunkelten Vernunft nur einen Teil der Wahrheit erkannt habe und mit vielen Irrtümern vermischt sei, wohingegen das Christentum die ganze Wahrheit bringe, weil in Christus die göttliche Vernunft, der Logos, selbst auf Erden erschienen ist.

Die Wahrheit der christlichen Religion versuchten sie an ihren sittlichen Wirkungen aufzuzeigen sowie aus den Weissagungen der jüdischen Propheten, die sich in Christus und der Kirche erfüllt hatten. Auf die Wunder Christi wurde dagegen weniger Wert gelegt, weil Wunderberichte auch bei den Heiden in Umlauf waren. Tertullian meinte, die Wunder Christi würden zum Beweis seiner Gottheit nicht ausreichen, da er selbst gesagt habe, dass auch die „Pseudochristi“ (Mt 24, 24) Wunder wirken würden (Adv. Marc. III,3). Der Kirchenschriftsteller Laktanz schieb: „Er tat Wunder und wir würden ihn, wie ihr jetzt meint und die Juden damals meinten, für einen Zauberer halten, wenn nicht alle Propheten einstimmig vorhergesagt hätten, dass er solches tun würde“ (Inst. div. V, 3,18).

Von manchen Apologeten sind nur einige Nachrichten oder Fragmente ihrer Schriften auf uns gekommen. Ganze Schriften besitzen wir von Aristides, Tatian, Athenagoras und Theophilus von Antiochien. Der der bedeutendste unter den Apologeten des 2. Jahrhunderts war Justin der Märtyrer.


Justin der Märtyrer

Er entstammte einer heidnisch-griechischen Familie in Flavia Neapolis, dem alten Sichem in Samaria, und wurde um das Jahr 100 geboren. Er erzählt selbst (Dialog 2-8), wie er als junger Mann verschiedene philosophische Schulen besuchte, die ihn aber alle enttäuschten. Zuerst besuchte er einen Stoiker, der ihn aber dadurch abstieß, dass er niemals über Gott sprach und behauptete, es sei unnötig, etwas über Gott zu wissen. Dann wandte er sich an einen Peripatetiker, der aber zuerst wissen wollte, was er für den Unterricht zahlen würde, was Justin eines Philosophen unwürdig erschien. Dann ging er zu einem Pythagoreer. Der fragte ihn, ob er Astronomie und Musik verstehe, da diese den Geist vom Sinnlichen abziehen und zum Schauen des Göttlichen vorbereiten. Da Justin von diesen Fächern nichts verstand, wandte er sich schließlich an einen Platoniker, bei dem er längere Zeit blieb.

Sein Leben bekam eine ganz andere Richtung, als er bei einem Spaziergang am Meer, wahrscheinlich bei Ephesus, mit einem ehrwürdigen Greis zusammentraf, der ihn auf die jüdischen Propheten als bessere Lehrer hinwies. Justin hatte schon früher die Todesverachtung der Christen bewundert und geschlossen, dass sie unmöglich die Schlechtigkeiten begingen, die man ihnen nachsagte. Er trat zum Christentum über und widmete sein Leben nun der Verteidigung des Glaubens. Als Wanderlehrer im Philosophenmantel zog er umher und knüpfte an öffentlichen Plätzen Gespräche mit Leuten der verschiedensten Stände an. Spätestens in den 40er-Jahren gründete er in Rom eine christliche Schule.  Für den Unterricht verlangte er kein Honorar (Dialog 58,1). Wovon er gelebt hat, wissen wir nicht. Er benutzte die Evangelien, die Paulusbriefe und die Offenbarung des Johannes.

Von seinen Schriften sind nur drei vollständig überliefert: zwei Apologien und der Dialog mit dem Juden Tryphon. Letzterer enthält eine zweitägige Unterredung mit einem gelehrten Juden, die in Ephesus stattfand, und zwar wahrscheinlich zur Zeit des Bar-Kochba-Aufstands (132–135).

Die Apologien gelten als die wertvollste Leistung Justins. Viele vermuten allerdings, dass die zweite, wesentlich kürzere Apologie nur ein Nachtrag zur ersten ist. Wegen der Länge der ersten Apologie könnte es sein, dass sie eine Ausarbeitung eines kürzeren Textes sei, der dem Kaiser eingereicht worden war.

Die erste Apologie beginnt mit der Forderung, dass man die Christen nicht einzig wegen ihres Namens verurteilen dürfe, sondern nur aufgrund von erwiesenen Verbrechen. Die Anschuldigungen gegen die Christen müssten also geprüft werden, und wenn an ihnen nichts Strafwürdiges gefunden werde, dürfe man sie auch nicht verurteilen. „Ihr könnt uns wohl töten, schaden aber könnt ihr uns nicht.“ Die Jenseitshoffnung und die Furcht vor ewiger Strafe halte die Christen von Übeltaten ab und mache sie zu den besten Stützen des Staates. Gegen die Stoiker betont er die Willensfreiheit des Menschen. Das Böse kommt nicht von Gott, sondern von einem nicht logosgemäßen Gebrauch des Willens.

In Kap. 46 findet sich die Lehre vom lógos spermatikós. Jeder Mensch besitzt in seiner Seele einen Ableger des Logos, der absoluten göttlichen Vernunft und kann mittels desselben Wahrheiten erkennen. Allen sind Keime oder Samenkörner des Logos eingepflanzt. Durch die Betätigung der Vernunft kann der Mensch sie aktivieren und zu einer gewissen Wahrheits- und Gotteserkenntnis gelangen. Justin hat damit eine Brücke zwischen der alten Philosophie und dem Christentum geschlagen.

Justin macht auch wichtige Angaben über die Taufe, die Eucharistie und den Sonntagsgottesdienst.

Die Verwendung der platonischen Philosophie führte Justin zu einigen Irrtümern und Ungenauigkeiten, die allerdings wegen der Schwierigkeit und Neuheit des Unterfangens, die christlichen Glaubensgeheimnisse zu erläutern, entschuldbar sind. So scheint er zu meinen, dass Gott die Welt nicht aus nichts, sondern aus formloser Materie geschaffen hat (Apol. I, 10). Die griechischen Philosophen waren allesamt nicht zum Begriff der Schöpfung aus dem Nichts gelangt, sondern nahmen eine ewige Materie an. Er scheint auch eine gewisse Unterordnung von Gottsohn unter Gottvater sowie des Heiligen Geistes unter den Sohn anzunehmen (Apol. I, 13), obwohl er dem Sohn und dem Heiligen Geist dann doch wieder die Anbetung zuschreibt. Justin war eben noch nicht in der Lage zu erklären, wie drei Personen die eine göttliche Natur besitzen können. Das schmälert seine Verdienste aber nicht.

Über das Ende Justins haben wir einen Bericht, der sicher auf den amtlichen Gerichtsprotokollen beruht. Nach diesem wurde er in Rom vor den Stadtpräfekten geführt und zusammen mit sechs anderen Christen um 165 enthauptet, also unter Kaiser Marc Aurel. Der Straftatbestand war einzig der nomen Christianum – der Name des Christen. Das Verfahren beruhte also auf dem, wogegen er erfolglos Einspruch erhoben hatte. Sein Fest wird am 14. April gefeiert.