Kein Kreationismus an Privatschulen der Priesterbruderschaft St. Pius X.
In verschiedenen Ostschweizer Zeitungsartikeln zum Thema «Schärfere Vorgaben für religiöse Schulen verlangt» wurde in den vergangenen Tagen berichtet, dass an den Privatschulen der Priesterbruderschaft St. Pius X. Kreationismus gelehrt werden soll. Das ist laut Pater Pirmin Suter von der Priesterbruderschaft St. Pius X. eine falsche Darstellung. Pater Suter hat selbst ein Biologiestudium absolviert und ist Rektor am Institut Sancta Maria in Wangs. Nachfolgend erläutert er seine Sicht der Dinge.
Die Deutung des Schöpfungsberichtes stellt ein Problem dar, das die Ausleger der Bibel schon immer beschäftigte. Der Kreationismus will den Schöpfungsbericht wörtlich verstehen, zum Beispiel dass die Welt nur 6000 Jahre alt und an sechs Schöpfungstagen zu je 24 Stunden von Gott geschaffen worden sei. Dies steht offensichtlich im Widerspruch zu den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, entspricht aber auch nicht der Lehre der katholischen Kirche, sondern eher einer protestantischen Bibelauslegung ohne kirchlichem Lehramt.
An den Privatschulen der Priesterbruderschaft sind die Lehrer offen gegenüber den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Ich bin überzeugt, dass jeder Scheinwiderspruch zwischen Bibel und Naturwissenschaft gelöst werden kann, sofern beide Seiten ihre Grenzen nicht überschreiten. Dabei berufe ich mich auf einflussreiche Theologen der Kirchengeschichte wie Augustinus (5. Jh.), welcher die Schöpfungstage als grosse Zeiträume interpretiert. Thomas von Aquin (13. Jh.) fügt dem hinzu: «Auf diese Weise soll die Schrift erklärt werden, dass sie von den Ungläubigen nicht verspottet werde.» Papst Pius X., der Patron der Priesterbruderschaft, lehrt in seinem Kompendium aus dem Jahr 1905: «Obwohl er [Gott] das ganze grosse Werk in einem einzigen Augenblick hätte vollenden können, wollte er dazu doch sechs Zeiträume verwenden, welche die Heilige Schrift Tage nennt.»
Andererseits muss aber auch betont werden, dass die Naturwissenschaft bis heute vieles nicht erklären kann: Woher kommt die Materie? Wie ist das Leben entstanden? Woher hat der Mensch im Gegensatz zu den Tieren seine geistigen Fähigkeiten? Gelten die Regeln der Mikroevolution auch für die Makroevolution? Die Naturwissenschaft verfügt über kein einziges Argument, welches Gott als Erklärung für diese offenen Fragen ausschliessen und den Menschen als reines Zufallsprodukt biologischer Prozesse beweisen könnte. Ein solcher Evolutionismus wäre genauso unwissenschaftlich wie der Kreationismus.