Katholische Erziehung: Die Bildung des Gewissens

Sonntagmittag, 13 Uhr: Familie Martin kommt gerade aus der Messe. Die Kinder sind lange brav gewesen, sie haben Hunger, Mama beeilt sich, das Essen auf den Tisch zu bringen, kurz: es ist unruhig im Haus. Peter, 7 Jahre alt, rennt hin und her … und es kommt, wie es kommen muss: er rempelt seine Mutter an, sie lässt die Saucière auf den neuen Teppich fallen.
„Jetzt schau einmal, was du da angerichtet hast. Die ganze Sauce auf dem neuen Teppich. Siehst du denn nicht, dass das schlimm ist?“ – „Ist das schlimm, Mama?“ – „Ja, das ist schlimm. Und nun ab, ich will den Teppich saubermachen.“
Zwanzig Minuten später ist der Schaden beseitigt, die Familie sitzt am Tisch – außer Peter. Er ist verschwunden. Seine Mutter findet ihn weinend in seinem Zimmer.
„Was hast du denn, mein Peterchen?“ – „Ich habe eine Todsünde begangen!“ – „Was? Du hast eine Todsünde begangen? Aber wie das denn?“ – „Das weißt du doch, Mama, ich habe die Sauce umgekippt, und du hast gesagt, das sei schlimm ...“
Die Tränen fließen. Mit viel Liebe nimmt sich die Mutter also die Zeit, alles zu erklären und das Gewissen des Jungen zu korrigieren.
„Als ich gesagt habe, dass das schlimm ist, da wollte ich nicht sagen, dass man das nicht wiedergutmachen kann. Aber eigentlich ist das kein großes Übel, es ist nicht so, als ob du den ganzen Teppich verbrannt hättest. Und selbst wenn du solch eine Katastrophe angerichtet hättest, dann wäre es nur eine Todsünde, wenn du es absichtlich gemacht hättest, und das glaube ich keine Sekunde lang. Du hast auch die Saucière nicht absichtlich umgeworfen, und das ist auch nicht wirklich schlimm. Du hast überhaupt keine Sünde begangen, mein Peterchen, es war doch nur eine Ungeschicklichkeit.“
Die Urteilskraft muss gebildet werden
Das kindliche Gewissen ist oft noch sehr ungenau. Im Katechismusunterricht lernt man in der Theorie sehr wohl, was eine Todsünde und was eine lässliche Sünde ist. Aber wenn es dann um die Praxis geht ... Die Unwissenheit, der Mangel an Urteilsreife, die Möglichkeit der Beeinflussung können bewirken, dass das Kind die Schwere eines Fehlers nach der Intensität der Gewissensbisse oder nach der Heftigkeit der Vorwürfe einschätzt, und dann kann es etwas als Todsünde einschätzen, was nur lässliche Sünde ist, und umgekehrt. Und das kann erhebliche Schäden nach sich ziehen: wenn sie überall Todsünden sieht, kann die Seele entmutigt werden oder gar gegen eine Moral aufbegehren, die so schwierig ist, dass sie nicht befolgt werden kann. Ebenso kommt ein weites Gewissen, das für die Wirklichkeit der Sünde und für deren Schwere nicht empfänglich ist, möglicherweise vom Weg zum Himmel ab.
Verstehen wir uns richtig. Es geht nicht darum, die Rolle des Priesters zu übernehmen, oder gar die des Beichtvaters. Es geht auch nicht darum, auf indiskrete Weise in das Heiligtum des kindlichen Gewissens einzudringen, dorthin, wo die Seele im Angesicht ihres Gottes ihre Schuld anerkennt und gesteht. Die Eltern tragen zur Bildung des Gewissens ihrer Kinder einfach durch die Erziehung bei, die sie ihnen zukommen lassen: „Mama hat mich gelobt, also war das richtig, was ich getan habe. Sie hat mich bestraft, also habe ich etwas Schlechtes getan. Und sie hat sogar sehr schlimm mit mir geschimpft, also war es sehr schlecht.“ Achten wir darauf, dass wir unser Lob und unseren Tadel nach dem moralischen Gewicht der Tat abwägen? Es kann sein, dass Müdigkeit oder Aufregung den Erzieher dazu bringen, mehr nach dem Maß der Unannehmlichkeiten zu tadeln, welche das Kind macht, statt nach der begangenen Sünde. Ja, Kinder sind oft laut, ungeschickt, zerbrechen viel, sind oft unvorsichtig, das sind die Fehler ihres Alters, die moralische Verantwortung dafür ist aber oft minimal, wenn nicht gar inexistent, wie in dem Beispiel am Anfang.
Der Grund, die Folgen
Nun aber zu einer anderen Ungeschicklichkeit. Es regnet. Bruno langweilt sich. Er findet nichts Besseres zu seiner Beschäftigung, als mitten im Wohnzimmer Ball zu spielen. Dabei hatte sein Vater es ihm schon zweimal verboten: „Ball spielen, das tut man draußen.“ – „Nein, Papa, du wirst schon sehen, ich bin ganz vorsichtig.“
Natürlich endet der Nachmittag mit einer schönen chinesischen Vase, die in tausend Stücke zersprungen ist. Der Familienvater ist sehr zornig: die chinesische Vase war sehr, sehr teuer. Ja – aber Brunos Fehler war nicht so sehr der materielle Schaden, sondern vielmehr der Ungehorsam. Er hätte auch dann schlecht gehandelt, wenn er nichts zerbrochen hätte. Als die Mutter Bruno abends ins Bett bringt, nutzt sie diesen ruhigen Moment vor dem Lichtlöschen, um die Dinge klarzustellen: „Heute nachmittag hast du Papa zornig gemacht, mein Junge. All das wäre nicht passiert, wenn du Papa gehorcht hättest, so, wie er es dir gesagt hat. Manchmal lässt der liebe Gott es zu, dass unser Ungehorsam sofort Folgen hat, damit wir verstehen, dass es schlecht ist, nicht zu gehorchen. Dir tut das doch jetzt leid, und du willst es nicht wieder tun, stimmt's? Dann sprechen wir jetzt nicht mehr über den Schaden, vergessen wir's.“
Dieses kleine Wort am Abend kann so zu einer Gelegenheit werden, das Gewissen des Kindes zu bilden oder zu korrigieren, in aller Ruhe, wenn der Zorn verraucht ist, wenn Eifersucht oder Starrsinn vergangen sind ... Beide Eltern sollten dann ein Abbild der Barmherzigkeit Gottes sein: Wenn das Kind verstanden hat, dass es etwas Schlechtes getan hat, wenn es bereut hat, wenn es bereit ist, etwas wiedergutzumachen, falls das nötig ist, dann muss alles vergessen sein und das Kind muss sich der ganzen Liebe seiner Eltern wieder sicher sein. Für ein eigensinniges Kind sollte es die schlimmste aller Strafen sein, dass die Eltern ihm keinen Gutenachtkuss geben, wenn es sich weiterhin weigert, zu vergeben.
„Ich kann dir heute Abend keinen Kuss geben, Anne, wenn du dich weigerst, dich mit deiner Schwester zu vertragen, du bist dann auch nicht im Frieden mit dem lieben Gott. In zehn Minuten komme ich wieder und sehe nach, ob du dich geändert hast und ob ich dir einen Gutenachtkuss geben kann.“
Auch das Abendgebet in der Familie ist eine gute Gelegenheit, das Gewissen zu bilden. Nachdem man dem lieben Gott für alle Gnaden des vergangenen Tages gedankt hat, nimmt man sich die Zeit, zu überlegen, was ihm an uns missfallen haben könnte; Mutter oder Vater erwähnen dann einige mögliche Sünden, jeden Abend andere: „Habe ich mich in der Kirche gut benommen? Habe ich daran gedacht, zu helfen, oder war ich egoistisch? War ich schnell eingeschnappt? War ich zornig? War sonst noch etwas anderes?“ Nach kurzem Schweigen, nach kurzem Überlegen, ob etwas nicht in dieser Liste vorkam, sprechen alle das Reuegebet. Was hier vorgeschlagen wird, erlaubt es dem Kind, sich konkret über seine Sünden klarzuwerden, die es möglicherweise begangen hat. Trotzdem muss man darauf achten, dass man diskret bleibt: es ist keine öffentliche Beichte! Einmal schlug die Mutter vor: „Habe ich über das Essen gemäkelt?“ Alle Geschwister drehten sich um zu Bernd, der genau deshalb beim Mittagessen bestraft worden war. Der Kleine wurde rot wie eine Tomate, und seine Mutter hat sich ganz fest vorgenommen, von nun an vorsichtiger zu sein, um nicht alte Wunden aufzureißen!
Ein richtig gebildetes Gewissen, feinfühlig und voller Abscheu vor allem, was Gott beleidigen könnte: das ist das Gewissen der Heiligen, das Gewissen, das uns in den Himmel führt!
Die Schwestern unterstützen die Glaubensweitergabe in katholischen Familien mit dem Fernkatechismus. Bitte informieren Sie sich telefonisch.
Schwestern der Bruderschaft St. Pius X.
Noviziat St. Pius X.
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