Katastrophe auf dem Berg Sinai

Kloster St. Katharina auf dem Sinai
Nach fünfzehn Jahrhunderten bewegter Geschichte steht das Kloster St. Katharina – eingebettet in die raue Landschaft des Berges Sinai – erneut vor einer entscheidenden Wende. Diese Hochburg des Christentums hat gerade ihre administrative Autonomie verloren.
Durch eine Entscheidung des Gerichts von Ismailia (Ägypten) vom 28. Mai 2025 werden die Güter des Klosters nun zugunsten des ägyptischen Staates beschlagnahmt. Das löste eine Welle der Besorgnis über die Zukunft dieses Heiligtums und der dort lebenden Klostergemeinschaft aus.
Das im 6. Jahrhundert unter der Schirmherrschaft von Kaiser Justinian gegründete Kloster St. Katharina hat die Jahrhunderte überdauert und den Wirren von Kriegen, Eroberungen und Verfolgungen standgehalten. Seinen Fortbestand verdankt es zum Teil seinem Status als Wakf, einem heiligen Ort, der durch die Korantradition geschützt ist und ihm den Respekt der Beduinen der Sinai-Wüste eingebracht hat.
Dieses Juwel, das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, beherbergt höchst wertvolle Schätze: alte Ikonen, seltene Manuskripte, heilige Reliquien und eine Bibliothek von außergewöhnlichem Reichtum. Bis vor kurzem wurden diese Güter von einer Gemeinschaft von zwanzig Mönchen verwaltet, die dem griechischen Patriarchat von Jerusalem (nicht mit Rom vereint) angehörten und fast völlige Autonomie genossen.
Dieses Privileg, das aus einer langen Tradition hervorgegangen war, garantierte sowohl den spirituellen als auch den materiellen Erhalt des Klosters und verlieh ihm eine in dieser von Umbrüchen geprägten Region seltene Aura der Unabhängigkeit. Das Urteil des Gerichts von Ismailia vom 28. Mai 2025 beendet diese Autonomie nun abrupt. Die Güter des Klosters gehen also in den Besitz des ägyptischen Staates über.
Den Mönchen, den jahrhundertealten Hütern dieses Ortes, werden strenge Beschränkungen auferlegt. Ihr Zugang zu bestimmten Gebäuden wurde eingeschränkt, und ihre Anwesenheit wird nur zu kultischen Zwecken unter den von den neuen Behörden diktierten Bedingungen geduldet. Diese Entscheidung entstand in einem bereits unruhigen regionalen Kontext, in dem religiöse und politische Spannungen miteinander verflochten sind.
Die Mönche sprechen in einer ernsten Erklärung von einer „de facto Vertreibung” aus ihrem eigenen Kloster. Diese Beschlagnahmung ist der Höhepunkt eines langen Rechtsstreits. Seit mehreren Jahren versucht der ägyptische Staat immer wieder, das Kloster unter seine Kontrolle zu bringen.
Diese Offensive, die unter der Regierung der Muslimbruderschaft begann, hat sich verschärft und komplexe Machtkämpfe innerhalb des ägyptischen Staatsapparats offenbart. Einige Analysten sehen darin den Einfluss eines „tiefen Staates”, in dem Fraktionen, die teilweise mit salafistischen Gruppen verbunden sind, sich der Kontrolle von Präsident Abdel Fattah al-Sisi entziehen. Trotz seines Images als starker Mann scheint er nicht in der Lage zu sein, die internen Dynamiken zu bremsen, was die Position des Klosters weiter schwächt.
Die Beschlagnahmung erfolgt in einem angespannten geopolitischen Kontext. Der Sinai ist Schauplatz von Operationen dschihadistischer Gruppen, die die Stätte mit Anschlägen bedroht haben. Die Entscheidung des Gerichts schwächt auch die Position des Klosters in zivilrechtlichen Streitigkeiten, insbesondere in Fällen von Ersitzung, in denen Dritte versuchen, sich Land oder Eigentum anzueignen.
Darüber hinaus verschärft sie die diplomatischen Spannungen zwischen Ägypten und Griechenland, das die Maßnahme als Angriff auf das hellenische und orthodoxe Erbe betrachtet. Die Reaktion Griechenlands, das dem orthodoxen Erbe des Berges Sinai tief verbunden ist, war besonders heftig.
Der nicht-katholische Erzbischof von Athen, Ieronymos, brachte seine Empörung in eindringlichen Worten zum Ausdruck: „Ich will und kann nicht glauben, dass der Hellenismus und die Orthodoxie heute eine neue historische „Eroberung” erleben.” Für ihn ist das Katharinenkloster, „geistiger Leuchtturm der Orthodoxie und des Hellenismus“, existenziell bedroht.
Man darf sich jedoch nichts vormachen: Die bedauerliche Entscheidung des ägyptischen Staates ist auch eine ferne Folge des von der Orthodoxie gepflegten Status der Autokephalie. Durch die Ablehnung der römischen Einheit haben sich diese „Kirchen“ – rein politisch gesehen – geschwächt und sich so in die Hände lokaler Machthaber begeben.
(Quelle: Fides – FSSPX.Actualités)