Juli 2025: Die verschiedenen Stufen der Gottesliebe (2)

Im Herz-Jesu-Brief vom Juni haben wir begonnen, die verschiedenen Grade bzw. Stufen bei der Übung der Gottesliebe zu betrachten. Diese Stufen führen uns schrittweise höher bis zur vollkommenen Liebe, wie sie unser Heiland im Evangelium als erstes und wichtigstes Gebot von uns allen fordert: «Den Herrn, deinen Gott, sollst du lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deinem ganzen Gemüte und mit allen deinen Kräften» (Mk 12,30).
Die Gottesliebe besteht wesentlich darin, Gott Freude zu bereiten und ihn auf keinen Fall zu betrüben. Nicht zu sündigen, ist daher wie eine erste Voraussetzung für die Liebe zu Gott. Nicht zu sündigen, weil man liebt, ist somit auch die erste Stufe auf dem Weg der wahren Liebe.
Die zweite Stufe: Die Übung der Tugenden
Jesus nicht durch Sünden zu betrüben, ist offensichtlich die erste Pflicht der Liebe. Diese ist jedoch eher negativ, da sie darin besteht, keine sündhaften Taten zu begehen. Es gibt noch andere, positivere Beweggründe, die sich nicht nur auf das Vermeiden von Fehlern beschränken, sondern vielmehr durch bewusst gute Werke im christlichen Leben ausgeübt werden, nämlich die Tugenden.
Der Zusammenhang zwischen Tugend und Liebe
Man kann nicht tugendhaft sein, ohne zu lieben. Wahre Tugend kann nur aus einem übernatürlichen Motiv heraus geübt werden, in dem notwendigerweise die Liebe enthalten ist. Die Liebe ist der wesentliche Antrieb jeder tugendhaften Handlung, so dass man auch sagen könnte, dass in der Tugend alles Liebe ist. Und zwar deshalb, weil es theologisch gesehen keine Tugend ohne die Liebe gibt, und jede Vollkommenheit der Tugend eine Zunahme der Liebe mit sich bringt. Es ist sogar die Liebe, die die Tugend prägt, mit anderen Worten, die die Tugend zur Tugend macht. Ohne sie bliebe die Tugend im rein natürlichen Bereich und hätte daher kein Verdienst für den Himmel. So belebt die Liebe sogar unseren Glauben, festigt die Hoffnung, entflammt den Starkmut, die Treue und jede andere Tugend.
Die Seelen, die Tugenden üben, verdanken dies also der Liebe, die in ihnen die Tugend hervorbringt; sie verdanken es auch der persönlichen Liebe, die sie bei der Ausübung der Tugend erwecken, wie Jesus uns das schöne Beispiel gibt. In dem Gedanken, Jesus ähnlicher zu werden, geht man denselben Weg, den er gegangen ist, und bemüht sich, dieselben Tugenden zu üben. Man vernachlässigt keine Gelegenheit, ihm durch die verschiedenen Tugenden wohlgefällig zu sein. Man zeigt sich großherzig in seinem Dienst, indem man Widrigkeiten erträgt und Opfer auf sich nimmt, um in seiner Liebe zu wachsen. Um unsere Liebe zu nähren, streben wir nach der Vollkommenheit, die uns enger mit Jesus verbinden wird. Damit Jesus in uns verherrlicht wird, leben wir immer mehr für ihn und bleiben dadurch in seiner Liebe. (vgl. Joh 14,10)
Wenn die Ausübung der Tugend Freude bereitet, dann deshalb, weil die Seele darin einen Weg findet, Jesus ihre Liebe zu beweisen. Wenn wir uns anstrengen, den Versuchungen zu widerstehen, unserer verkehrten Eigenliebe zu entsagen und im Guten auszuharren, dann deshalb, weil uns der Gedanke an Jesus und unsere Treue zu ihm anspornt, stützt und stärkt.
Wenn man die Opfer, die die Erfüllung der Standespflichten und das Festhalten am Willen Gottes mit sich bringen, großherzig annimmt, dann deshalb, weil man darin Jesus sieht und den Weg, ihm zu gefallen. Wenn man in seiner Seele das Streben nach größerer Vollkommenheit lebendig erhält, dann deshalb, weil das Verlangen nach der Vereinigung mit Jesus, der sich für uns aus Liebe am Kreuz geopfert hat, uns bewegt.
Je größer demnach die Liebe ist, desto mehr wächst die Tugend;
Je intensiver die Liebe ist, desto großherziger wird die Tugend geübt;
Je vollkommener die Liebe ist, desto heroischer wird die Tugend sein.
Was die Kirche an ihren Heiligen krönt, ist ihre Liebe, die sie heilig gemacht hat. Ihre Tugenden sind nur Ausstrahlungen ihrer Gottesliebe. Das Gleiche gilt für uns. Was Jesus in uns sieht, ist unsere Liebe; die äußeren Formen, die wir unserer Liebe durch die Ausübung der Tugenden geben, offenbaren nur die Liebe, von der wir entflammt sind. Wofür Jesus uns belohnen wird, ist die Liebe, die wir für ihn getragen haben und die für immer die Ursache unserer Herrlichkeit und das Maß unserer ewigen Glücksseligkeit bleiben wird.
Lasst uns mehr denn je die Liebe in uns entfalten und vermehren. Sie ist das wesentliche und zugleich beglückende Mittel, um Jesus zu erfreuen, auf seine Gnaden zu antworten und zur Heiligkeit zu gelangen.
Fortsetzung folgt