An Jugendliche, die sich die Frage der Berufung stellen!
„Die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit“ (1 Joh 2,17). Viele Menschen leben ohne Gott. Sie denken weder an die Kürze des Lebens noch an ihr ewiges Ziel. Lässt Dich das gleichgültig oder schmerzt es Dich zu sehen, wie diese Menschen einfach in den Tag hineinleben und ihr Glück im vergänglichen Diesseits suchen?
Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass die Menschen Gott und seine Gebote vergessen haben. Die Krise seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat auch wesentlich dazu beigetragen. Doch wir dürfen nicht bei dieser Schuldzuweisung stehenbleiben. Vielmehr müssen wir den Blick nach vorne richten und uns fragen, welchen Beitrag wir für eine Erneuerung von Kirche und Gesellschaft leisten können. Ist es nicht etwas vom Schönsten, sich für das unvergängliche, unendliche Glück der Seelen einsetzen zu dürfen? Gott den Seelen näherzubringen?
Gott zählt auf die Mitarbeit grossherziger Seelen!
Der hl. Paulus nennt im Brief an die Römer ein Prinzip, das nach wie vor seine Gültigkeit hat: „Wie sollen sie (die Menschen) den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie von ihm hören, wenn ihnen niemand verkündet? Wie aber sollen sie verkünden, wenn sie nicht ausgesandt wurden?“ (Röm 10,14).
„Der Teufel hat keine Gewalt über hochherzige und entschlossene Seelen. Er hat vielmehr vor ihnen Furcht, weil er weiss, dass alles, was er gegen sie unternimmt, ihnen und andern zum Wohl gereicht, ihm aber zu seinem eigenen Verderben.“
Hl. Theresia von Avila
Die Welt braucht grossherzige Seelen, die bereit sind, die frohe Botschaft des Evangeliums in die Welt hinauszutragen. Seelen, die ihr Leben ganz Gott schenken und in den Dienst der Kirche stellen. Priester, die das hl. Messopfer darbringen, die Sakramente spenden, den Auftrag Jesu in die Tat umsetzen: „Gehet hin und lehret alle Völker“ (Mt 28,19). Die Welt braucht Ordensbrüder und Ordensschwestern, die beim Katechismusunterricht, in Schulen, bei verschiedensten Arbeiten und vor allem durch ihr gutes Beispiel, ihr Gebet und Opfer das Apostolat der Priester unterstützen, um Seelen zu retten, um den Triumph der Kirche herbeizuführen, um die Ehre Gottes zu fördern. Es ist eine beeindruckende und herausfordernde Wahrheit, dass Gott die menschliche Tätigkeit in die Durchführung seiner kühnen Pläne einbezieht, gerade auch, wenn es um die Rettung der Seelen geht. Darum schreibt Papst Pius XII., dass es ein wahrhaft schaudererregendes Mysterium sei, dass nämlich das Heil vieler Seelen von unseren Gebeten und freiwilligen Bussübungen abhängt.
Der Wert eines gottgeweihten Lebens!
Papst Pius XII. klagte im Jahr 1952 darüber, dass manche Jugendliche den Ruf Gottes nicht hören oder ihm nicht folgen. Als Grund nennt er an erster Stelle, dass viele die Ehe prinzipiell höherstellen als die Jungfräulichkeit. Manche bezeichnen das jungfräuliche Leben sogar als „unmenschlich“. Es ist daher wichtig, ein paar Gedanken über den Wert eines gottgeweihten, jungfräulichen Lebens vor Augen zu machen.
Jeder Mensch kann durch Gebet und Opfer an der Rettung der Seelen mitwirken. In ganz besonderer Weise tun dies jedoch die gottgeweihten, jungfräulichen Seelen. Die Ehe ist zwar etwas Gutes, etwas Erstrebenswertes, schliesslich wurde sie von Jesus zu einem Sakrament erhoben. Doch die Jungfräulichkeit ist etwas Besseres, etwas Erstrebenswerteres, die den Menschen nach den Worten des hl. Thomas von Aquin den Engeln gleich macht. Der Heiland sagt: „Nicht alle fassen dieses Wort, sondern nur jene, denen es gegeben ist … es gibt Ehelose, die um des Himmelreiches willen sich der Ehe enthalten. Wer es fassen kann, der fasse es!“ (Mt 19,10ff.) Im Himmel wird es für jungfräuliche Seelen eine besondere Gloriole geben (Apk 14,4). Der hl. Cyprian schreibt: „Die Jungfrauen sind die Blumen der Kirche, Zierde und Schmuck der Gnade.“ Auf dem Konzil von Trient wurde sogar als Dogma verkündet, dass die Jungfräulichkeit und der Zölibat sittlich höher stehen als das eheliche Leben (DH 1810). Im ersten Brief an die Korinther befasst sich der hl. Paulus mit dieser Frage. Nach ihm tut etwas Gutes, wer heiratet, aber etwas Besseres, wer nicht heiratet. Der hl. Paulus meint dabei sicher nicht, dass man ein Single bleiben soll im modernen Sinn, nur um das Leben und die Welt zu geniessen oder nur weil man sich weder in einer Ehe noch in einer kirchlichen Institution definitiv binden lassen will. „Der Unverheiratete sorgt sich um die Sache des Herrn, wie er dem Herrn gefalle; der Verheiratete sorgt sich um die Sache der Welt, wie er der Frau gefalle, und er ist geteilt.“ Darum fügt er etwas später hinzu: „Glücklicher aber ist, wer so bleibt, wie es meinem Rat entspricht“ (1 Kor 7,40), d.h. wer ein gottgeweihtes, jungfräuliches Leben führt.
Bei einem gottgeweihten Leben darf man nicht nur den Verzicht und das Opfer sehen. Gewiss bedeutet der Verzicht auf irdische Freuden ein Opfer, aber man würde sich sehr täuschen zu meinen, mit der Ehe wären nicht auch Opfer verbunden. Der Gottgeweihte verzichtet auf die Ehe „um des Himmelreiches willen“, um eines höheren Gutes willen, um ganz Gott zu gehören und Gott zu gewinnen. Der Gottgeweihte verzichtet auf etwas Vergängliches und gewinnt dabei etwas viel Grösseres. Der Gottgeweihte verzichtet auf irdische Vater- bzw. Mutterschaft, um eine geistliche Vater- bzw. Mutterschaft auszuüben, indem er als Werkzeug in der Hand Gottes den Seelen das übernatürliche Leben vermittelt und dadurch gewissermaßen geistlicher Vater bzw. Mutter dieser Seelen wird. Die hl. Gianna Beretta Molla schreibt dazu: „Gott hat in uns den Drang gelegt, Leben weiterzugeben. Der Priester ist Vater, die Ordensschwestern sind Mütter, Mütter der Seelen. Wehe den Mädchen, die die Berufung zur Mutterschaft nicht annehmen …“.
Gott ruft vielleicht auch Dich!
Bei dieser Erwägung drängt sich die Frage auf: warum eigentlich nicht Du? Hast Du Dir schon einmal die Frage gestellt, ob Gott Dich vielleicht in seinen Dienst ruft?
Gott ruft – aber er zwingt nicht. Er wartet auf ein freiwilliges „Ja-Wort“. Zu Petrus und Andreas sprach Jesus: „Kommt, folgt mir nach, ich werde euch zu Menschenfischern machen!“ Da verliessen sie alles und folgten ihm nach (Mt 4,19). Das war die grossherzige Antwort dieser Apostel.
Wie auf der Tür der Kirche St. Johannes Bosco in Lohfelden dargestellt (siehe Bild), klopft der Heiland vielleicht an Deine Seele und wartet auf Dein freudiges „Hier bin ich, Herr!“ (vgl. 2 Mos 3,4; Berufung des Samuel: 1 Sam 3,4-18). Den Heiland hörst Du aber nicht im Lärm der Welt, sondern in der Stille. Nimm Dir deswegen Zeit zum Gebet und wenn Du alt genug bist, dann nimm an ignatianischen (!) Exerzitien teil.
Zeichen einer Berufung!
Jede Berufung hat seine eigene Geschichte und zeigt sich in den konkreten Umständen. Voraussetzungen sind eine hinreichende körperliche und psychische Gesundheit sowie sittliche Reife. Bei einem ist es der Wunsch, Seelen zu retten, sich zum Beispiel für das Heil der Kinder und Jugendlichen aufzuopfern; bei einem anderen ist es die Absicht, Gott und seiner Kirche auf Erden zu dienen. Der eine wiederum hat vielleicht genug von dieser sündhaften Welt und möchte in einem Kloster verborgen Gott dienen, während sich ein anderer als Seelenarzt um die Menschen kümmern möchte.
Ignatianische Exerzitien oder ein paar Tage Aufenthalt im Seminar bzw. in einem Kloster können Dir weiterhelfen. Jede Berufung ist allerdings nicht nur ein Ruf Gottes, sondern auch ein Ruf der Kirche. Und darum ist es notwendig, dass jede Berufung von der kirchlichen Autorität bestätigt wird, wie es Papst Pius XII. schreibt.
Worauf Du unbedingt achten sollst!
Lass Dir Zeit für die Standeswahl! Diese muss nicht mit 16, 17, 18 geklärt sein, es genügt mit 20 oder 22 Jahren. Wichtig ist, dass Du bis zu diesem Zeitpunkt frei bleibst. Frei für Gott, ohne dass Du Dich bereits in einer Bekanntschaft bindest. Viele Berufungen gehen verloren, weil Jugendliche sich zu früh verlieben und eine Beziehung beginnen.
Habe den Mut, bei der Standeswahl um Rat zu fragen, und zwar einen Priester, dem Du vertraust. Diese Frage ist nicht immer leicht zu beantworten, da sich der Ruf Gottes nicht unbedingt in einer eindeutig fühlbaren Neigung und nur selten in einer offensichtlichen Eingebung äussert. Der Priester kann Dir weitere Ratschläge geben, kann Dir helfen, den Willen Gottes zu erkennen, denn darauf kommt es an: Sei es, dass Gott Dich für die Ehe oder zu einem gottgeweihten, jungfräulichen Leben als Priester, Ordensbruder oder Ordensschwester berufen hat. Bitte Gott im Gebet, dass er Dir den richtigen Weg zu erkennen gibt; und wenn er Dich in seinen Dienst ruft, dann folge diesem Ruf grossherzig und mit Freude. Es ist nämlich etwas Grossartiges und Beglückendes, sich ganz für die Ehre Gottes und das Heil der Seelen einsetzen zu dürfen!
Ich bete für Dich! Mit priesterlichem Segensgruss!
Pater Pirmin Suter