Jubiläum des Mitteilungsblattes: 500. Ausgabe. Ein Gespräch mit Pater Schmidberger
Die erste Ausgabe des MITTEILUNGSBLATTs
Mitteilungsblatt: Hochwürden, die vorliegende Nummer des Mitteilungsblattes trägt die stolze Nummer „500“. Sie haben dieses Informationsorgan über das Werk der Priesterbruderschaft im deutschen Sprachraum aus der Taufe gehoben. Wie kam es dazu?
Pater Franz Schmidberger: Als Leiter des Seminars in Weissbad/Schweiz übertrug mir Erzbischof Lefebvre im Februar 1978 zusätzlich die Verantwortung für die Seelsorge in Deutschland und Österreich. Da dämmerte die Notwendigkeit eines kleinen Nachrichtenblattes mit Berichten über unser Wirken, um den katholischen Glauben zu verteidigen und zu stärken, um die Seele zu nähren und ein Bindeglied unter den Gläubigen zu schaffen. Als wir dann im Sommer 1978 das Seminar nach Deutschland verlegten, wurde diese Notwendigkeit noch dringender. So floss am 3. September desselben Jahres, am Fest des Patrons unserer Bruderschaft, die erste Nummer des Mitteilungsblattes aus der Feder, in der vor allem für die Unterstützung des neuen Seminars geworben und ein großes Interview des Erzbischofs zu unserer Stellung in der Kirche veröffentlicht wurde. Das neue Blatt sollte keinen anspruchsvollen Titel tragen und nicht im eleganten Kleid daher stolzieren, sondern einfach das mitteilen, was wir zu sagen hatten und noch heute zu sagen haben.
MB: Das Mitteilungsblatt ist in gewisser Weise das „Archiv“ der Ereignisse im Distrikt. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. feiert am 1. November 2020 ihr 50-jähriges Bestehen. Das Wirken in den deutschsprachigen Ländern begann erst mit Ihrer Priesterweihe am 8. Dezember 1975. Welche herausragenden Ereignisse der letzten Jahrzehnte kommen Ihnen in den Sinn?
Pater Franz Schmidberger: Noch vor der Herausgabe des Mitteilungsblattes die Priesterweihe von Pater Klaus Wodsack und die Gründung des ersten Priorates in München im Sommer 1976; die Großveranstaltung mit dem Erzbischof am 24. Oktober 1976 in der IBO-Halle in Friedrichshafen; die Gründung der KJB am 6. Januar 1977 in St. Pelagiberg/Schweiz.
An späteren Ereignissen haftet die Gründung weiterer Priorate im Gedächtnis: Saarbrücken 1980, Wien, Stuttgart und Essen 1981; die Entstehung der Don-Bosco-Schule 1982 in Brilon-Wald und ihre Verlegung nach Diestedde im Jahr darauf; die Gründung des Karmel in Brilon-Wald Anfang 1984; die Bischofskonsekration 1988 und das Schützenfest in Penk zwei Monate darauf; die Geburt des Noviziates unserer Schwestern in Göffingen 1992.
Nicht alle diese Unternehmungen hatten Bestand, oft wegen menschlicher Fehler und Schwächen. Auch schmerzliche Ereignisse kamen dazu, wie etwa der schreckliche Tod von Pfarrer Milch oder die Untreue von Priestern und Seminaristen nach der Bischofskonsekration.
Es kommen einem auch Ereignisse, die ganze Kirche betreffend, in den Sinn: 1986 das unselige Assisi-Treffen und die Folgetreffen, welche die Diktatur des Relativismus in erschütternder Weise in der Kirche angesiedelt haben; 2007 die teilweise Wiederbeheimatung der überlieferten hl. Messe durch das Motu Proprio Summorum Pontificum; 2009 die Rücknahme des Exkommunikationsdekrets gegen die vier Weihbischöfe der Bruderschaft und im Zusammenhang damit die turbulente Williamson-Affäre.
Schließlich muss der Heimgang Erzbischof Lefebvres, unseres geliebten Vaters und Gründers, im Jahre 1991 erwähnt werden; auf politischem Gebiet der Fall des Eisernen Vorhangs und die Wiedervereinigung Deutschlands; im gesellschaftlichen Bereich der Eroberungsfeldzug der neuen Medien.
MB: Das Mitteilungsblatt soll für die Gläubigen auch ein „apostolisches Mittel“ sein, Bekannte und Mitkatholiken über die Priesterbruderschaft und ihr Wirken zu informieren. Nicht wenige Gläubige in den Kapellen sind zum ersten Mal über das MB in Kontakt mit der Tradition gekommen.
Pater Franz Schmidberger: Die 70er und 80er Jahre waren anders als die heutige Lage in der Kirche. Viele Gläubige waren uninformiert über die latente Revolution, verunsichert und suchend. Es gab in der Bevölkerung noch katholischen Boden. Man konnte die Menschen durch ein einfaches Informationsblatt verhältnismäßig leicht für die Tradition der Kirche und das Wirken der Bruderschaft gewinnen. Dafür eignete sich das Mitteilungsblatt bestens. Außerdem wurden so die Gläubigen zum missionarischen Denken und apostolischen Handeln angehalten. In der heutigen Lage bedarf es weit mehr der Überzeugungsarbeit, der grundlegenden Verkündigung des Glaubens und der wirklichen Bekehrung. Und dies wird nicht so einfach geleistet durch ein MB, sondern durch Volksmissionen und vor allem Exerzitienkurse. Wir leben inzwischen in einer weitgehend neuheidnischen Welt. Das soll aber die Bedeutung des MB in der heutigen Zeit in keiner Weise mindern.
MB: Das Mitteilungsblatt hat sich entwickelt. Jeder Distriktobere hat ihm seinen eigenen Stil gegeben. Seit dem Jahr 2015 gibt es auch ein einheitliches Layout weltweit.
Pater Franz Schmidberger: Die Entwicklung des MB ist ein lebendiges Abbild der Entwicklung und des Wachsens der Kirche. So wie die Kirche im Laufe der Jahrhunderte vom Impliziten zum Expliziten in einer homogenen Entwicklung und ohne Bruch übergeht, so wie der Mensch selbst wächst und reift, so verhält es sich auch mit jedem katholischen Werk. Diese Entwicklung des MB ist mithin das Zeichen seiner Kirchlichkeit, seines Bestandes auf einer gesunden, natürlichen Grundlage. Wir Katholiken sind ja nicht einfach Museumswärter wie die „Orthodoxen“, sondern eingegliedert in den lebendigen Herrenleib unseres göttlichen Heilandes.
MB: In Ihren Erinnerungen erläutern Sie das Walten der göttlichen Vorsehung anhand Ihrer eigenen Biographie. Wie sind Sie als junger Student der Mathematik auf Erzbischof Marcel Lefebvre gestoßen?
Pater Franz Schmidberger: Durch göttliche Fügung, die auch den Eigenwillen des jungen Studiosus eingespannt hat, kam ich nach München und stieß dort im Oktober 1967 auf die Una-Voce-Gruppe Maria, die sich um den Philosophieprofessor Reinhard Lauth gesammelt hatte. Dieser, ein Beichtkind von Pater Pio, beobachtete mit wachem, gramerfülltem Auge die Entwicklung der Kirche nach dem Konzil und nahm den Kampf gegen den kirchlichen und gesellschaftlichen Zerfall auf. In dieser Gruppe lehnten wir entschieden die neue Liturgie und auch die Handkommunion ab, bevor beides zur Tagesordnung wurde. Auch in anderen Ländern gab es ähnliche Gruppen und Bewegungen, so vor allem in Frankreich, in Italien, in Österreich und in den USA. Der äußerst sprachgewandte Professor Lauth knüpfte zu diesen bald freundschaftliche Kontakte. So hörte man wohl 1971 von einem Bischof, der in der Schweiz ein Priesterseminar mit der überlieferten Liturgie gegründet habe. Als dann die Berufung reifte, war von vorneweg klar, wo einzutreten sei. So wirkt eben die göttliche Vorsehung durch die ganz normalen täglichen Ereignisse hindurch.
MB: Welche Lehre können wir Gläubigen daraus ziehen? Haben scheinbar kleine apostolische Anstrengungen vielleicht große Wirkungen in der Zeit?
Pater Franz Schmidberger: Wie sagte doch der Erzbischof: Man muss der göttlichen Vorsehung folgen, man darf ihr nicht vorausstürmen, aber ihr auch nicht hinterherhinken. Hier vollzieht sich das ganz katholische Zusammenwirken von Natur und Gnade, um das man täglich ringen und beten muss. Ein kleiner Dienst, eine unscheinbare Geste zeitigt oft auf lange Sicht große Wirkungen, wie auch andererseits ein kleiner Fehler am Anfang zu einer großen Katastrophe führen kann. Das gilt für die eigene Geist-Seele, das gilt genauso für die Wirkung auf den Mitmenschen. Der Mensch hat auf seine Umgebung einen Einfluss, der Jahrhunderte überdauern kann. Denken Sie nur an den hl. Paulus oder an den hl. Benedikt von Nursia im Guten, an Mohammed, Luther und Marx im Schlechten.
MB: Mit dem MB sind auch andere Publikationen aus dem Umfeld der Tradition hervorgegangen, man denke an „Der Gerade Weg“, den „St. Athanasius-Boten“ oder die „Kirchliche Umschau“. Ein intensives Buchapostolat wird heute kraftvoll vom Sarto-Verlag, einer Gründung von Pater Markus Heggenberger, betrieben.
Pater Franz Schmidberger: Könnte es denn anders sein? Ein herrliches Gleichnis aus dem Munde des Herrn im Markus-Evangelium stellt diese Tatsache ins helle Licht: „Mit dem Reich Gottes ist es wie mit einem Mann, der Samen auf das Land streut. Er mag schlafen oder Tag und Nacht hindurch wachen: Der Same keimt und sprießt auf; wie, das weiß er selbst nicht. Von selbst bringt das Land Frucht, erst den Halm, dann die Ähre, zuletzt das volle Korn in der Ähre“ (Mk 4,26–28). Schließlich kommt der Glaube vom Hören bzw. Lesen, und folglich ist es entscheidend, der materialistisch-atheistischen, völlig diesseitigen Unkultur eine katholische Kulturlandschaft entgegenzustellen, und sei es auch nur im kleinen Rahmen und mit bescheidenen Mitteln. Gott zeigt die Wege und Mittel zu deren Entfaltung, die nicht einfach Menschenwerk, sondern das Werk der Gnade durch Menschenhände sind. Haben nicht zwölf Fischer vom See Genezareth eine ganze Weltkirche aufgebaut?
MB: Die Corona-Krise hat auch Sie, Pater Schmidberger, auf das Internet verwiesen. Sie gelten nicht als besonders enthusiastisch, wenn es um die „neuen Medien“ geht. Trotzdem hat Ihre virtuelle „Volksmission“ vor Ostern eine große Resonanz erfahren. Gestern MB, heute das Internet?
Pater Franz Schmidberger: Wenn es darum geht, eine einzige Seele für Gott zu gewinnen, einen Lichtstrahl der Ewigkeit in eine Menschenseele hineinfallen zu lassen, dann bin ich mit dem hl. Philipp Neri bereit, auch vor dem Teufel den Hut zu ziehen. Man muss die Menschen dort abholen, wo sie stehen, und das Evangelium dort predigen, wo sie leben. Trotzdem bleiben die Bedenken gegen die neuen Medien bestehen, die zur Oberflächlichkeit verführen und von einem vertieften Denken, Betrachten und Beschauen wegführen. Dazu sind sie der Nährboden für unselige Ideologien und für gefährliche Manipulationen, obwohl ihre Nutzer dieser Gefahr gerade entrinnen wollen.
MB: Sie haben am 15. August die Leitung des Priesterseminars Herz Jesu in Zaitzkofen in die Hände von Pater Pascal Schreiber gelegt.
Die Priesterausbildung ist das „nobelste Ziel“ der Bruderschaft. Welche Erfahrungen haben Sie in den letzten sieben Jahren gemacht?
Pater Franz Schmidberger: Es ist eine große Gnade Gottes, junge Menschen auf dem Weg zum Priestertum führen zu dürfen, ihnen philosophische und theologische Einsichten und Überzeugungen mit auf den Weg geben zu können und dabei auch die Herzensbildung nicht zu vernachlässigen. Verstand und Herz machen den Menschen aus. Auch heute ist ein Teil der Jugend für die Wahrheit und die Gottes- und Nächstenliebe offen, hungert und dürstet sogar danach. Oft muss man nur eine kleine Schicht Zeitgeist oder moderne Lebensgestaltung entfernen, um den Verstand offenzulegen, der für die Wahrheit, und das Herz, das für die Liebe geschaffen ist. Dreimal war ich Regens in Zaitzkofen, und jedes Mal war es eine erfüllte und glückliche Zeit.
MB: Pater General hat Sie für die Seelsorge im deutschen Distrikt bestimmt. Was werden dort Ihre Aufgaben sein?
Pater Franz Schmidberger: Die Seelen, die Gott auf unsere Wege führt, in Exerzitien und Bildungstagen zu formen und vielleicht auch die eine oder andere Volksmission zu predigen. Wichtig scheinen mir vor allem die freundschaftlichen Verbindungen zu Priesterfreunden in den Diözesen und Ordensgemeinschaften zu sein, die oft alleingelassen und schutzlos im Sturm stehen. Ihnen wollen wir, soweit es möglich ist, unsere Hilfe und unsere Unterstützung anbieten. Auch das Werk der Berufungen ist nicht zu vernachlässigen.
Die vorzüglichste und grundlegendste Aufgabe ist die Weckung oder Wiedererweckung des Glaubens an die Fundamentaldogmen unserer heiligen Religion: an die allerheiligste Dreifaltigkeit, an das gottmenschliche Wesen unseres Herrn Jesus Christus, an sein Erlösungswerk und seine Gnade, an die Göttlichkeit der Kirche mit ihrem Priestertum, ihrem Opfer und ihren sieben Sakramenten, an die Gnadenvorrechte Mariens wie an die letzten Dinge des Menschen, denn ohne Glaube ist es unmöglich Gott zu gefallen (Hebr 11,6) und sich zu retten.
MB: Auf die nächsten 500 Ausgaben des Mitteilungsblattes! Ad multos annos!