Hinabgestiegen zur Hölle, am dritten Tag wieder auferstanden von den Toten
Die zwölf Artikel des Glaubens
5. Hinabgestiegen zur Hölle, am dritten Tag wieder auferstanden von den Toten
Von Pater Matthias Gaudron
Die Seele Christi stieg nach ihrer Trennung vom Leib in die Unterwelt – den Scheol, wie die Bibel diesen Ort nennt – hinab, wo die verstorbenen Gerechten auf die Erlösung warteten. Am dritten Tag vereinigte sie sich wieder mit ihrem Leib und weckte ihn zu neuem Leben.
Die Höllenfahrt Christi
Die Seele Jesu stieg nicht in die Hölle der Verdammten hinab, sondern in den Limbus der Väter (limbus patrum), also dorthin, wo die vor Christus verstorbenen Gerechten warten mussten. Wegen der Sünde Adams konnte nämlich kein Mensch in den Himmel und damit zur Anschauung Gottes gelangen, sondern auch die in der Gnade Gottes Verstorbenen (und im Fegfeuer bereits Gereinigten) mussten auf die Erlösung durch Christus warten. Der Ausdruck „Hölle“ bezieht sich nur auf den Ausschluss vom Himmel, die poena damni, andere Strafen oder Schmerzen gab es dort nicht. Darum findet man für diesen Ort auch häufig die Bezeichnung „Vorhölle“.
Mit ihrem Erscheinen verwandelte die Seele Christi den Limbus bereits in einen Ort seliger Freude, weshalb Christus dem reuigen Schächer verheißen konnte, er werde „noch heute“ mit ihm im Paradies sein (Lk 23,43). Darauf bezieht sich wahrscheinlich die schwierige Stelle in 1 Petr 3,19 f.: „Im Geist ging er hin und predigte den Geistern im Gefängnis, die einst ungehorsam waren, als Gott in den Tagen Noahs langmütig wartete, während die Arche bereitet wurde.“ Hier werden diejenigen, die bei der Sintflut für ihre Sünden den Tod erlitten, aber vor ihrem Verscheiden offenbar noch einen Akt der Reue setzten, als Beispiel für all diejenigen genannt, die in der Vorhölle wie in einem Gefängnis eingeschlossen waren. Da die Arche ein Bild für die Kirche ist, soll die Nennung der außerhalb der Arche Geretteten vielleicht gerade betonen, dass sich die Kraft des Todes Christi auf alle Menschen, die die Gnade Gottes angenommen haben, erstreckt, auch wenn sie außerhalb der sichtbaren Heilsgemeinschaft lebten. Die Predigt Christi in diesem Gefängnis war nichts anders als die Verkündigung der Erlösung. Auch der hl. Paulus spielt in Röm 10, 7 und Eph 4, 8–10 auf den Hinabstieg der Seele Christi in die Unterwelt an.
Dieser Glaubensartikel wird in der nachkonziliaren Kirche häufig derart verwässert, dass es einer Leugnung gleichkommt. So schreibt der von der Deutschen Bischofskonferenz herausgegebene Katholische Erwachsenen-Katechismus:
„Wenn nun von Jesus gesagt wird, er sei in das Reich des Todes hinabgestiegen, dann heißt das nicht nur, dass er in unser allgemein-menschliches Todesschicksal eingegangen ist, sondern dass er auch eingegangen ist in die ganze Verlassenheit und Einsamkeit des Todes, dass er die Erfahrung der Sinnlosigkeit, die Nacht und in diesem Sinn die Hölle des Menschseins auf sich genommen hat. Im Glaubensartikel vom Abstieg in das Reich des Todes geht es also nicht um ein vergangenes Weltbild, sondern in der Sprache des damaligen Weltbilds um eine bleibende Tiefendimension des Menschen“ (2. Auflage 1985, S. 195).
Auch Johannes Paul II. glaubte offenbar nicht, dass die Seele Christi wirklich in die Vorhölle hinabgestiegen sei. In einer Katechese zu diesem Glaubensartikel, die er am 11.1.1998 hielt, meinte er jedenfalls zu 1 Petr 3,19 f.:
„Das scheint eine bildliche Darstellung der Ausweitung der Vollmacht des gekreuzigten Christus auch auf die zu sein, die vor ihm gestorben waren ... Christus ist der, der in seinem Leib ins Grab gelegt, aber, in seiner Seele zur Fülle der seligen Anschauung Gottes gelangt, seinen Zustand der Seligkeit allen Gerechten mitteilt, mit denen er im Leib den Todeszustand teilt.“
Ganz nebenbei unterläuft dem Papst hier ein weiterer Irrtum, da er der Seele Christi offenbar die selige Anschauung des göttlichen Wesens während ihres irdischen Lebens abspricht. Jesus gelangte als Mensch aber nicht erst nach seinem Tod zur visio beatifica, sondern hatte sie auch schon vorher.
Der 1993 herausgegebene Katechismus der katholischen Kirche schreibt dagegen richtig:
„Der tote Christus ist in seiner Seele, die mit seiner göttlichen Person vereint blieb, zum Aufenthaltsort der Toten hinabgestiegen. Er hat den Gerechten, die vor ihm gelebt hatten, die Pforten des Himmels geöffnet“ (Nr. 637).
Die Auferstehung von den Toten
Die Auferstehung ist das entscheidende Ereignis für die Wahrheit des Anspruchs Jesu, der Erlöser der Welt zu sein. Machen wir uns zunächst die Situation des Karfreitags bewusst: Christus war von seinen eigenen Jüngern verlassen gestorben. Einer seiner engsten Vertrauten war sogar sein Verräter gewesen. Die höchste religiöse Autorität in Israel hatte ihn zum schändlichen Kreuzestod verurteilt. Christus war damit als Gescheiterter gestorben.
Menschlich schien damit alles zu Ende zu sein, und so war tatsächlich die erste Reaktion der Jünger: Sie versteckten sich ängstlich oder gingen nach Hause: „Wir aber hatten gehofft, dass er es sei, der Israel erlösen werde. Und nun ist heute zu all dem schon der dritte Tag, seit dies geschehen ist“ (Lk 24,21).
Jeder, der die Auferstehung leugnen will, muss die Tatsache erklären, dass die Bewegung um Jesus von Nazareth nach dessen Tod am Kreuz nicht zusammenbrach, sondern sich erst recht ausbreitete. Irgendetwas musste passiert sein! Die Jünger sagten, dass dies seine Auferstehung war.
Da die Auferstehungsberichte der Evangelien heute meist nicht ernstgenommen, sondern als „Ostergeschichten“ abgetan werden, die erst in später Zeit erfunden wurden, konzentrieren wir uns hier auf die Aussagen des hl. Paulus in 1 Kor 15. Kein seriöser Exeget leugnet, dass der 1. Korintherbrief etwa im Jahr 55 n. Chr. geschrieben wurde, also etwa 25 Jahre nach dem Tod Jesu. Paulus beruft sich hier aber schon auf eine Tradition, die er selber vorgefunden hat:
„Vor allem habe ich euch überliefert, was ich selbst empfangen habe. Christus ist der Schrift gemäß für unsere Sünden gestorben. Er wurde begraben und ist der Schrift gemäß am dritten Tag auferstanden“ (1 Kor 15,3 f.).
Zu den ersten und hauptsächlichsten Wahrheiten, die Paulus den Korinthern verkündet hat, gehören also der Erlösungstod Christi für unsere Sünden, das wahre Begräbnis (woraus die Tatsache seines wirklichen Todes folgt) und die Auferstehung am dritten Tag. Er betont, dass er dies selbst empfangen hat und dies schon im AT vorausgesagt war. Das formelhafte Gepräge der Sätze lässt vermuten, dass sich Paulus hier an eine Glaubensformel anschließt, die vielleicht bei der Taufe abgelegt wurde. Dann nennt Paulus Zeugen der Auferstehung Christi:
„Er ist dem Kephas erschienen, dann den Zwölf, hierauf ist er über fünfhundert Brüdern auf einmal erschienen, von denen die meisten noch am Leben sind, einige aber sind entschlafen. Sodann ist er Jakobus und darauf allen Aposteln erschienen. Zu allerletzt erschien er, gleichwie der Fehlgeburt, auch mir. Denn ich bin der geringste der Apostel, nicht wert, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe. Aber durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin, und seine Gnade, die mir zuteilgeworden, ist in mir nicht unwirksam gewesen, denn ich habe mehr gearbeitet als alle anderen, freilich nicht ich, sondern die Gnade Gottes mit mir“ (1 Kor 15,5–10).
Nicht alle diese Erscheinungen werden im Evangelium genannt. Es fehlen die Erscheinung vor den 500 Brüdern und die Erscheinung vor Jakobus. Wichtig ist aber der Hinweis, dass von den Zeugen der Auferstehung viele noch leben. Das Zeugnis des Paulus ist damit nachprüfbar. Es besteht wenigstens grundsätzlich die Möglichkeit, die Zeugen selbst zu befragen. Zuletzt erschien Er Paulus selbst, womit die Erscheinung vor Damaskus gemeint ist. So ist auch Paulus selbst ein Zeuge der Auferstehung, was nach Apg 1,22 ein Merkmal eines Apostels ist.
Paulus zeigt dann noch die Folgen, wenn man die Auferstehung Christi leugnet:
„Ist aber Christus nicht auferweckt worden, ist unsere Predigt hinfällig, hinfällig auch euer Glaube! Dann stehen wir auch als falsche Zeugen Gottes da, weil wir gegen Gott bezeugt haben, er habe Christus auferweckt – den er ja nicht auferweckt hat, wenn die Toten nicht auferweckt werden. Denn wenn die Toten nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, ist euer Glaube nichtig; dann seid ihr noch in euren Sünden. Und auch die in Christus Entschlafenen sind verloren. Wenn wir in diesem Leben unsere Hoffnung nur auf Christus gesetzt haben, sind wir die beklagenswertesten unter allen Menschen“ (1 Kor 15,14–19).
Daraus zieht der Apostel in Vers 32 die Konsequenz: „Werden die Toten nicht auferweckt, so lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ Paulus ist damit weit entfernt von den Vorstellungen vieler sich für modern haltender Theologen, für die es nicht wichtig ist, ob das Grab Jesu leer war oder nicht, ob er leiblich auferstanden ist oder nicht. Hauptsache sei, dass Jesus jetzt bei Gott lebt!
Tatsächlich müssen wir feststellen, dass dies die Haltung vieler nachkonziliarer Katholiken ist: Den Jüngern sei bewusst geworden, dass Jesus jetzt beim Vater sei. Das nannten sie Auferstehung.
Dass das Grab leer war, wird z. B. von Walter Kaspar (dem heutigen Kardinal) in seinem Buch Einführung in den Glauben (7. Aufl. 1983) zwar nicht ausdrücklich geleugnet, aber doch in Frage gestellt, wenn behauptet wird, vom leeren Grab sei nur in „manchen“ Traditionssträngen die Rede und es sei niemals die „Hauptsache“ gewesen. Die Erscheinungen des Auferstandenen dürfe man sich nicht „sonderlich mirakulös vorstellen“, da die Jünger sonst „vom Glauben dispensiert gewesen wären“. Die Jünger, die den Auferstandenen gesehen hatten, mussten allerdings nicht mehr an die Auferstehung glauben, wohl aber an seine Gottheit (vgl. Joh 20,29), die Wirksamkeit der Sakramente usw. „Nicht die Wirklichkeit, dass Jesus im Gedächtnis seiner Jünger lebt, sondern allein, dass er bei Gott lebt, kann Grund unseres Glaubens und unserer Hoffnung sein“ (S. 59), meint Kasper.
Auf der gleichen Ebene liegen die kryptischen Bemerkungen des kürzlich verstorbenen Kardinals Lehmann, der 1992 sagte, die Auferstehung sei für ihn zwar „auf jeden Fall ein reales Ereignis“, aber gleich hinzufügte, mit der historischen Tatsächlichkeit sei es „so eine Sache“. Die Auferstehung war für ihn also etwas Reales, Wirkliches, weil Jesus jetzt beim Vater ist, aber historisch feststellbar war nichts. Der Leichnam Jesu verweste offenbar im Grab – mindestens könnte es so gewesen sein. Es ist leicht zu sehen, dass dies mit der Botschaft der Bibel und der Kirche nicht mehr viel zu tun hat.