Die Gnade des Friedens, der Einheit und der Ruhe

Quelle: Distrikt Deutschland

Pontifikalamt von Bischof Vitus Huonder im Priorat Stuttgart (Deutschland)

Am Sonntag, dem 17. Oktober, reiste Bischof Vitus Huonder, emeritierter Diözesanbischof von Chur, aus der Schweiz nach Stuttgart (Deutschland), um in der Prioratskirche Mariä Himmelfahrt der Priesterbruderschaft St. Pius X. am Abend ein Pontifikalamt zu zelebrieren und anschließend eine Lichterprozession durch die Straßen von Feuerbach anzuführen.

An diesem Sonntag feierte man in der Diözese Rottenburg das Kirchweihfest des Doms. Darauf nahm der Bischof Bezug in seiner herrlichen Predigt.

An die dreihundert Gläubige scharten sich um den Opferaltar und sangen gerührt bei der anschließenden Prozession zu Ehren Unserer Lieben Frau zu Fatima die schönen alten Muttergotteslieder, wie sie im Rottenburger Gesangbuch aufgezeichnet sind. Dabei sah man viele neue Gesichter.

Für die Gläubigen war diese Feier eine hervorragende Stärkung im Glauben, der keine Veränderung in der Zeit kennt: „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8).

Tags darauf fuhr Bischof Huonder wieder nach Wangs bei Sargans zurück, wo er in der Knabenschule der Bruderschaft seinen Alterswohnsitz aufgeschlagen hat.

„Heute feiern wir den Jahrestag der Weihe der Kathedrale dieses Bistums. Eine katholische Kirche ist kraft der Weihe vor allem auf die Darbringung des Messopfers hin erbaut. Deshalb steht die Konsekration des Altares im Mittelpunkt der Weiheliturgie. Im Zusammenhang damit bekräftigen wir unseren festen Glauben, dass die heilige Messe das Opfer des Kreuzes selbst ist, welches auf unblutige Weise erneuert wird. Diesen Hinweis muss ich den folgenden Ausführungen vorausschicken.

Die Kirche liest gegenwärtig, im Rahmen ihres Gebetes, des sogenannten Breviergebetes, Abschnitte aus dem ersten Buch der Makkabäer. Dieses Buch – um 100 (v. Chr.) verfasst – beginnt mit der Beschreibung der Eroberungen Alexanders des Großen. In den Jahren 336–323 v. Chr. machte sich der Mazedonier den ganzen Vorderen Orient bis nach Indien untertan. – Daher kam auch Judäa in Palästina mit seiner jüdischen Bevölkerung unter die Herrschaft Alexanders. Dabei breitete sich die hellenistische Kultur, eine heidnische Kultur mit heidnischen religiösen Riten, über die eroberten Gebiete aus.

Ein Nachfahre von Alexander war Antiochus IV. (174–164 v. Chr.) von Syrien. Als er Herr über das jüdische Volk wurde, versuchten gewisse jüdische Kreise seine Gunst zu gewinnen. Daher baten sie den König, die hellenistische, also heidnische Kultur auch in Judäa einzuführen. Sie wollten auf Kosten des eigenen Glaubens die sogenannte neue Lebensart übernehmen. Der Verfasser des Ersten Buches der Makkabäer berichtet das Vorkommnis mit diesen Worten: „Zu dieser Zeit traten Verräter am Gesetz in Israel auf, die viele überredeten. Sie sagten: Wir wollen einen Bund mit den fremden Völkern schließen, die rings um uns herum leben; denn seit wir uns von ihnen abgesondert haben, geht es und schlecht“ (l Makk 1,11). Auf Grund dieser Bitte veranlasste der König die Unterdrückung des überlieferten Glaubens, gleichzeitig die Einführung der heidnischen Religion und des heidnischen Kultes. Das löste aber harten Widerstand und damit eine schwere Verfolgung der Rechtgläubigen aus. Am Schluss des ersten Kapitels schreibt der Verfasser: „Ein gewaltiger Zorn lag über Israel“ (l Makk 1,64). Damit meint er den Zorn Gottes, der sich gegen den Abfall vieler Juden vom offenbarten jüdischen Glauben richtete.

Kommen wir zur Gegenwart: Ich bin nun fünfzig Jahre Priester. Als ich die Weihe empfing, waren bereits etwa fünf Jahre vergangen, seit große Veränderungen in der Kirche, vor allem in der Liturgie, stattgefunden hatten. Mit diesen Veränderungen einher ging in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre eine innerkirchliche Verfolgung. Zu leiden hatten jene vielen Gläubigen, darunter auch Priester, welche dem überlieferten Glauben, so auch der überlieferten heiligen Messe, treu bleiben wollten. Allerdings waren die Neuerungen in ihrer Tragweite für viele nicht klar erkennbar. Andere wurden mit dem Argument des Gehorsams zum Schweigen gebracht.

Doch auffallend ist, dass von diesem Zeitpunkt an die innerkirchlichen Auseinandersetzungen nicht abflachten, im Gegenteil, zunahmen. Die Kirche kam bis heute nicht wirklich zur Ruhe, so dass wir, wie der Verfasser des Ersten Buches der Makkabäer, auch zu dem Schluss gelangen müssen: Ein gewaltiger Zorn lag über Israel. Auf unsere Zeit angewendet, können

wir sagen: Ein gewaltiger Zorn liegt über dem Israel Gottes (Gal 6,16), über der Kirche. So stellt sich die Frage: Woher kommt diese Unruhe, woher kommen diese andauernden Aus- einandersetzungen, und in der Folge dieser Abfall vom Glauben, diese Unfruchtbarkeit der Kirche mit leeren Seminaren, leeren Gotteshäusern, Verwüstungen der Heiligtümer. Warum diese verwaisten Pfarreien, diese sakrilegischen Praktiken, diese andauernde Unterdrückung und Verfolgung von Gläubigen? Woher kommt dieser Zustand der Kirche, so jedenfalls in unseren Breitengraden?

Die Antwort darauf finde ich in einem Dokument des heiligen Papstes Pius V. aus dem Jahre 1570. Es ist bekannt unter dem Namen Quo primum. Auf Grund der Reformationswirren sah sich der Heilige Vater damals durch das Konzil von Trient in die Pflicht genommen, den überlieferten Ritus der heiligen Messe gegen Willkür und Entheiligung neu zu ordnen, zu schützen und daher für immer festzulegen. Dieser Akt hat die Bedeutung und die Wirkung einer definitiven Lehrentscheidung, wie die Festlegung eines Glaubensbekenntnisses. Sie darf daher von einem Nachfolger nicht übergangen werden. Aber nicht nur dies: Damit das heilige Messopfer keine Profanierung mehr erfahre, hat der heilige Papst eine Abweichung vom festgelegten Ritus – zu verstehen von den wesentlichen Elementen des Ritus her – unter sein Missfallen gestellt, ja, unter das Missfallen des dreifaltigen Gottes. Nun, da der Ritus nach dem zweiten Vatikanum derart verändert wurde, lastet bis heute dieses Missfallen auf der Kirche. Dazu kommt noch eine weitere belastende Angelegenheit. Es ist eine Tatsache, dass der Novus Ordo vom Opferbegriff „gereinigt" werden sollte, und dies selbst durch Bestechung. Mir ist bekannt, dass mit dem Angebot hoher Geldsummen Personen im Umkreis der damaligen Kommission Consilium ad exsequendam Constitutionem de Sacra Liturgia für diese Säuberung gewonnen werden sollten. Einige haben diesem Ansinnen widerstanden. Sie wurden in der Folge von der Mitwirkung ausgeschlossen. Kurz gesagt: Durch Bestechung wurde der Opferbegriff im Novus Ordo auf ein Minimum reduziert, um jenen entgegenzukommen, welche den Opfercharakter der heiligen Messe leugneten. Das ist ein weiterer Grund, warum ein gewaltiger Zorn über dem Israel Gottes, über der Kirche anhält.

Die Schlussfolgerung: Um diesen Unwillen abzuwenden, um Frieden und Ruhe in der Kirche wiederherzustellen, bedarf es der Wiedergutmachung dessen, was an Unrecht geschehen ist. Für diese Wiedergutmachung müssen wir einstehen durch Treue zum überlieferten Glauben, durch eine entsprechende Unterweisung der Mitmenschen, durch das Gebet und auch, so weit es uns möglich ist, durch die unermüdliche Ermahnung der für den Glauben verantwortlichen Personen (also der Hierarchie). – Wir sind vom Altar und vom Messopfer ausgegangen, vom Glauben, dass die heilige Messe das Opfer des Kreuzes selbst ist, welches auf unblutige Weise erneuert wird. Möge der Herr uns in diesem Glauben erhalten und der Kirche durch die Darbringung des Opfers in der überlieferten und von Pius V. festgelegten Ordnung die Gnade des Friedens, der Einheit und der Ruhe wieder schenken. Amen.“